System­kampf um Latein­amerika: China und die USA konkur­rieren um wirtschaft­lichen und politi­schen Einfluss in der Region

Foto: Carlos Garcia Granthon /​ Imago Images

Die USA verlieren an Einfluss in Latein­amerika – wer davon profi­tiert, ist China. Um Chinas globalem Einfluss etwas entge­gen­zu­setzen, wurde auf dem G7-Gipfel eine neue Infra­struktur-Initiative im Umfang von fast 600 Milli­arden Dollar angekündigt. Diese soll Chinas „Neuer Seiden­straße“ Konkurrenz machen und auch neue Handelswege nach Latein­amerika erschließen. Ob es dadurch gelingt, den Einfluss Chinas in der Region einzu­dämmen, ist keineswegs sicher, hat China doch in den vergan­genen Jahren sein Engagement in Latein­amerika drastisch erhöht.

Der „Summit of the Americas“, zu dem US-Präsident Biden Anfang Juni einge­laden hatte, sollte das Engagement der Verei­nigten Staaten im Süden des Konti­nents neu ausrichten und vertiefen. Vor allem das Thema Flücht­linge und Immigration war den Teilneh­menden wichtig. Im gemein­samen Abschluss­do­kument wird darauf ausführlich verwiesen. Dabei blieben einige latein­ame­ri­ka­nische Staaten außen vor: die autokra­ti­schen Führer Kubas, Nicaraguas und Venezuelas waren nicht einge­laden. Daraufhin blieb der populis­tische Präsident Mexikos, Andres Manuel López Obrador, dem Treffen ebenfalls fern. AMLO, wie er kurz genannt wird, kann Joe Biden nicht ausstehen. Zu gerne möchte er dem Mann im Weißen Haus eins auswischen.

Damit spielt er einem anderen Land, das seinen Einfluss in Latein­amerika massiv ausbaut, in die Karten: der Volks­re­publik China. Von dort kam während des Gipfels die Aussage, dass der Süden Amerikas nicht der Hinterhof der USA sei. Washington habe kein Anrecht darauf, seine unmit­telbare Nachbar­schaft zu seiner Einflusszone zu erklären. Dass die Volks­re­publik, die mit 15 (!) Nachbarn in Terri­to­ri­al­strei­tig­keiten verwi­ckelt ist, die sich mit Indien bereits zu einem bewaff­neten Konflikt ausge­wachsen haben, verschweigt der asiatische Hegemon dabei.

In der Tat hat die Volks­re­publik ihr Engagement in Latein­amerika drastisch erhöht. In den vergan­genen zwanzig Jahren ist der Handel von 18 Milli­arden auf ein Volumen von 450 Milli­arden US-Dollar gewachsen. 2035 soll es bei 700 Milli­arden liegen. Damit ist China der Handels­partner Nummer zwei Latein­ame­rikas, nach den USA. Im Zuge der chine­si­schen „South-South-Cooperation”-Strategie inves­tiert die Volks­re­publik zudem stark in die Region. Seit dem Jahr 2005 sollen rund 138 Milli­arden Euro Inves­ti­ti­ons­summe in den Kontinent geflossen sein. Auch als Kredit­geber ist China aktiv, wovon vor allem das rohstoff­reiche Venezuela profi­tierte, das nun mit 67 Milli­arden US-Dollar bei Peking in der Kreide steht.

Für Peking ist Latein­amerika trotz dieser Zahlen keine rein wirtschaft­liche Angele­genheit. Xi Jinping hat die Region seit seinem Amtsan­tritt 2013 elfmal besucht und damit auch den politi­schen Anspruch unter­strichen. In der hispa­ni­schen Welt gab es bis zu seinem Amtsan­tritt noch etliche kleine Nationen, die Taiwan diplo­ma­tisch anerkannten und nicht die Volks­re­publik. Nachdem die Domini­ka­nische Republik, Nicaragua und Panama ihre Loyalität gewechselt und die Volks­re­publik anerkannt haben, bleiben noch acht Staaten, die zu Taipeh stehen. China dürfte sein weiteres Engagement in diesem Teil der Welt damit verknüpfen, dass auch diese Länder diplo­ma­tisch umschwenken.

Strate­gische Partner­schaften, die ihm dabei nutzen können, hat Peking bereits zahlreiche abgeschlossen: mit Brasilien, Chile, Ecuador, Peru und Venezuela. Argen­tinien wurde jüngst zu einem Land, in dem die „Neue Seiden­straße“, das Flagg­schiff-Projekt Xi Jinpings, inves­tiert ist. Peking vergibt mittels dieser Initiative Infra­struktur-Kredite an Nationen, mit dem Ziel einer verstärkten politi­schen Verflechtung, um nicht zu sagen: Abhän­gigkeit. Insgesamt sind damit 20 der 33 Länder der Region in die Neue Seiden­straße eingegliedert.

Im vergan­genen Jahrhundert war es die Sowjet­union, die Washington in seiner südlichen Nachbar­schaft gefährlich werden wollte. Die UdSSR verfolgte dabei das Ziel, durch Aktivi­täten auf verschie­denen Schau­plätzen die Aufmerk­samkeit der Verei­nigten Staaten von sich abzulenken. Die Volks­re­publik versucht heute das gleich: die USA zu beschäf­tigen, mit dem Ziel, ihre Vormacht­stellung zu brechen, nicht nur in Latein­amerika, sondern auch und vor allem im pazifi­schen Raum. Dafür wurde in Latein­amerika ein Joint Action Plan auf den Weg gebracht, der auch eine enge Zusam­men­arbeit in Sachen Sicherheit vorsieht.

Ähnliche Verab­re­dungen in Sachen Sicherheit hat Peking gerade jüngst mit den kleinen pazifi­schen Insel­staaten zu treffen versucht, was diese jedoch, für den Moment, ablehnten. Die Befürch­tungen Japans, Austra­liens und der USA fanden Gehör bei den Insel­staaten, wonach China über die Kommu­ni­ka­tions- und Internet-Infra­struktur diese kleinen Länder völlig kontrol­lieren und manipu­lieren können würde. Gleich­zeitig existieren, jenseits der großen „Joint Agree­ments“, in Latein­amerika genauso wie im pazifi­schen Raum, bereits etliche bilaterale Verein­ba­rungen, die Peking Zugriff auf Akteure der Region ermög­lichen. Es gibt heute keinen Flecken Erde mehr, der nicht in den System­kampf zwischen China und den Verei­nigten Staaten einbe­zogen wäre.

 

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