Systemkampf um Lateinamerika: China und die USA konkurrieren um wirtschaftlichen und politischen Einfluss in der Region
Die USA verlieren an Einfluss in Lateinamerika – wer davon profitiert, ist China. Um Chinas globalem Einfluss etwas entgegenzusetzen, wurde auf dem G7-Gipfel eine neue Infrastruktur-Initiative im Umfang von fast 600 Milliarden Dollar angekündigt. Diese soll Chinas „Neuer Seidenstraße“ Konkurrenz machen und auch neue Handelswege nach Lateinamerika erschließen. Ob es dadurch gelingt, den Einfluss Chinas in der Region einzudämmen, ist keineswegs sicher, hat China doch in den vergangenen Jahren sein Engagement in Lateinamerika drastisch erhöht.
Der „Summit of the Americas“, zu dem US-Präsident Biden Anfang Juni eingeladen hatte, sollte das Engagement der Vereinigten Staaten im Süden des Kontinents neu ausrichten und vertiefen. Vor allem das Thema Flüchtlinge und Immigration war den Teilnehmenden wichtig. Im gemeinsamen Abschlussdokument wird darauf ausführlich verwiesen. Dabei blieben einige lateinamerikanische Staaten außen vor: die autokratischen Führer Kubas, Nicaraguas und Venezuelas waren nicht eingeladen. Daraufhin blieb der populistische Präsident Mexikos, Andres Manuel López Obrador, dem Treffen ebenfalls fern. AMLO, wie er kurz genannt wird, kann Joe Biden nicht ausstehen. Zu gerne möchte er dem Mann im Weißen Haus eins auswischen.
Damit spielt er einem anderen Land, das seinen Einfluss in Lateinamerika massiv ausbaut, in die Karten: der Volksrepublik China. Von dort kam während des Gipfels die Aussage, dass der Süden Amerikas nicht der Hinterhof der USA sei. Washington habe kein Anrecht darauf, seine unmittelbare Nachbarschaft zu seiner Einflusszone zu erklären. Dass die Volksrepublik, die mit 15 (!) Nachbarn in Territorialstreitigkeiten verwickelt ist, die sich mit Indien bereits zu einem bewaffneten Konflikt ausgewachsen haben, verschweigt der asiatische Hegemon dabei.
In der Tat hat die Volksrepublik ihr Engagement in Lateinamerika drastisch erhöht. In den vergangenen zwanzig Jahren ist der Handel von 18 Milliarden auf ein Volumen von 450 Milliarden US-Dollar gewachsen. 2035 soll es bei 700 Milliarden liegen. Damit ist China der Handelspartner Nummer zwei Lateinamerikas, nach den USA. Im Zuge der chinesischen „South-South-Cooperation”-Strategie investiert die Volksrepublik zudem stark in die Region. Seit dem Jahr 2005 sollen rund 138 Milliarden Euro Investitionssumme in den Kontinent geflossen sein. Auch als Kreditgeber ist China aktiv, wovon vor allem das rohstoffreiche Venezuela profitierte, das nun mit 67 Milliarden US-Dollar bei Peking in der Kreide steht.
Für Peking ist Lateinamerika trotz dieser Zahlen keine rein wirtschaftliche Angelegenheit. Xi Jinping hat die Region seit seinem Amtsantritt 2013 elfmal besucht und damit auch den politischen Anspruch unterstrichen. In der hispanischen Welt gab es bis zu seinem Amtsantritt noch etliche kleine Nationen, die Taiwan diplomatisch anerkannten und nicht die Volksrepublik. Nachdem die Dominikanische Republik, Nicaragua und Panama ihre Loyalität gewechselt und die Volksrepublik anerkannt haben, bleiben noch acht Staaten, die zu Taipeh stehen. China dürfte sein weiteres Engagement in diesem Teil der Welt damit verknüpfen, dass auch diese Länder diplomatisch umschwenken.
Strategische Partnerschaften, die ihm dabei nutzen können, hat Peking bereits zahlreiche abgeschlossen: mit Brasilien, Chile, Ecuador, Peru und Venezuela. Argentinien wurde jüngst zu einem Land, in dem die „Neue Seidenstraße“, das Flaggschiff-Projekt Xi Jinpings, investiert ist. Peking vergibt mittels dieser Initiative Infrastruktur-Kredite an Nationen, mit dem Ziel einer verstärkten politischen Verflechtung, um nicht zu sagen: Abhängigkeit. Insgesamt sind damit 20 der 33 Länder der Region in die Neue Seidenstraße eingegliedert.
Im vergangenen Jahrhundert war es die Sowjetunion, die Washington in seiner südlichen Nachbarschaft gefährlich werden wollte. Die UdSSR verfolgte dabei das Ziel, durch Aktivitäten auf verschiedenen Schauplätzen die Aufmerksamkeit der Vereinigten Staaten von sich abzulenken. Die Volksrepublik versucht heute das gleich: die USA zu beschäftigen, mit dem Ziel, ihre Vormachtstellung zu brechen, nicht nur in Lateinamerika, sondern auch und vor allem im pazifischen Raum. Dafür wurde in Lateinamerika ein Joint Action Plan auf den Weg gebracht, der auch eine enge Zusammenarbeit in Sachen Sicherheit vorsieht.
Ähnliche Verabredungen in Sachen Sicherheit hat Peking gerade jüngst mit den kleinen pazifischen Inselstaaten zu treffen versucht, was diese jedoch, für den Moment, ablehnten. Die Befürchtungen Japans, Australiens und der USA fanden Gehör bei den Inselstaaten, wonach China über die Kommunikations- und Internet-Infrastruktur diese kleinen Länder völlig kontrollieren und manipulieren können würde. Gleichzeitig existieren, jenseits der großen „Joint Agreements“, in Lateinamerika genauso wie im pazifischen Raum, bereits etliche bilaterale Vereinbarungen, die Peking Zugriff auf Akteure der Region ermöglichen. Es gibt heute keinen Flecken Erde mehr, der nicht in den Systemkampf zwischen China und den Vereinigten Staaten einbezogen wäre.
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