Deutschland kann seinen Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung leisten

Shutter­stock /​ matthew25

Umwelt­po­litik ist mehr als Einsparung von Kohlen­stoff­dioxid, meint Thomas Köhler von der Konrad Adenauer Stiftung: Klima, Tierwohl, Landschafts­ge­staltung und Recycling müssten im Zusam­menhang gedacht werden. Wenn wir die ökolo­gi­schen Kosten unserer Wirtschafts­weise im Steuer- und Abgaben­system berück­sich­tigten, würde die ökolo­gische Krise zur Chance, denn ein markt­wirt­schaft­licher Ansatz belohnt Forschungs­geist und Innovation.

Man mag darüber disku­tieren, ob die recht plötzlich gestiegene öffent­liche Aufmerk­samkeit für den Klima­wandel eine hinrei­chende sachliche Grundlage hat: Die Aufgabe stellt sich schließlich nicht erst seit heute, und ausrei­chend starke Antworten werden auch nicht erst seit heute gesucht. Aber das ist unmaß­geblich. Das in der öffent­lichen Meinung gestiegene Gefühl eines zuneh­menden Handlungs­drucks sollte weniger als Bedrohung als vielmehr als große Chance begriffen werden. Denn gerade in liberalen Demokratien gilt es auch immer mit dem Faktum umzugehen, dass Aspekte der Nachhal­tigkeit gegenüber der Gegen­warts­prä­ferenz der Bevöl­ke­rungs­mehrheit den Kürzeren ziehen. Die Zeitfenster, in denen das weniger stark der Fall ist, müssen genutzt werden.

Deutschland muss mehr tun als andere – im eigenen Interesse

Was aber tun, wenn die gestiegene öffent­liche Aufmerk­samkeit und das gestiegene Gefühl eines massiv zuneh­menden Handlungs­drucks in hohem Maße deutsche Phänomene sind? Die jüngsten Europa­wahl­er­geb­nisse könnten ein Indiz dafür sein, dem inter­na­tional ausge­rich­teten Wirken von Greta Thunberg zum Trotz.

Hinzu kommt, dass isoliertes Handeln zunächst einmal nur sehr begrenzte Wirkung entfaltet. Schon bei anderen großen Heraus­for­de­rungen der Zeit wie etwa der Gestaltung der Globa­li­sierung und des digitalen Wandels ist offen­kundig, dass die Regelungs­macht Deutsch­lands und auch Europas allein am Ende zu klein ist. Dass also verbind­liche Regeln in einem größeren inter­na­tio­nalen Raum Bestand haben müssen. Beim Klima­wandel ist die Grenzen­lo­sigkeit schon rein technisch noch weitaus größer, ebenso wie der Anreiz zu einem Tritt­brett­fah­rer­ver­halten. Der Schutz der Atmosphäre ist ein globales öffent­liches Gut.

Die Antwort auf die obige Frage muss daher zweige­teilt ausfallen:

Erstens: Natürlich muss die Lösung auf inter­na­tio­naler Ebene gesucht werden. Mit dem Kyoto-Protokoll von 1997 und seiner Verpflichtung der Indus­trie­länder auf die Reduzierung von Treib­haus­gasen sowie dem Klima­über­ein­kommen von Paris 2015 wurde dieser auf weltweite Betei­ligung gerichtete Weg nicht nur beschritten, sondern maßgeblich auch von Deutschland voran­ge­bracht. Es hat ja auch durchaus in der Vergan­genheit bemer­kens­werte Erfolge gegeben, wenn man etwa an das schritt­weise Schließen des Ozonlochs nach dem Montreal- Protokoll von 1987 denkt.

Zweitens gilt aber auch: Deutschland muss mehr tun als andere. Grund dafür sind nicht allein globale Gerech­tig­keits­er­wä­gungen, nach denen die wirtschaftlich weiter entwi­ckelten und wohlha­ben­deren Staaten einen stärkeren Beitrag leisten müssen als Staaten mit Nachhol­bedarf in ihrer Entwicklung. Es geht vor allem auch darum, wie Deutschland Einfluss erhalten möchte in einer Welt, die durch zuneh­mende politische Hetero­ge­nität in Europa und dem globalen Westen sowie durch zuneh­mende Macht­ver­schie­bungen zugunsten asiati­scher Staaten gekenn­zeichnet ist. Deutschland setzt inter­na­tional bisher vor allem auf Soft Power, und wenn Deutschland nicht innerhalb der NATO künftig eine gänzlich andere Rolle spielen möchte, dann ist das auch für die Zukunft das Mittel der Wahl.

Das heißt aber: Wir müssen in unseren Zielen anspruchs­voller sein als andere. Wir müssen verlässlich sein und einge­gangene Verpflich­tungen auch tatsächlich erfüllen. Und mehr noch: Wir müssen dabei auch zeigen, dass wir die Anpassung von Wirtschafts- und Lebens­weise bei gleich­zei­tigem Erhalten von indivi­du­eller Freiheit, wirtschaft­licher Stärke und sozialem Ausgleich hinbe­kommen. Die ökolo­gische Fortent­wicklung von Produktion und Konsum muss auch wirtschaftlich nachweislich erfolg­reich sein. Diesbe­züglich gibt es nicht nur national, sondern auch inter­na­tional viel Skepsis.

Das Konzept der Sozialen Markt­wirt­schaft ist offen für eine stärkere Berück­sich­tigung ökolo­gi­scher Ziele

Nachhal­tigkeit ist mehr als Umwelt­schutz und Umwelt­schutz ist mehr als das Eindämmen des Klima­wandels. Gemeinsam gilt aber: Nachhal­tigkeit ist durch ein markt­ori­en­tiertes Wirtschaften allein nicht gewähr­leistet, auch nicht durch ein auf sozialen Ausgleich ausge­rich­tetes markt­ori­en­tiertes Wirtschaften allein. Hierfür bedarf es eines klaren Ordnungsrahmens.

Den ordoli­be­ralen Wurzeln der Sozialen Markt­wirt­schaft folgend sollte es in erster Linie um die Bindung der laufenden Politik an langfristige Ziele gehen – so wie etwa das Ziel der Geldwert­sta­bi­lität über die Unabhän­gigkeit der Zentralbank oder der Verzicht auf übermäßige Staats­ver­schuldung durch die Schul­den­regel des Grund­ge­setzes abgesi­chert und dem kurzfris­tigen demokra­ti­schen Prozess auf der Basis demokra­tisch verein­barter Langfrist­regeln entzogen wird. Die Idee einer Veran­kerung von Nachhal­tigkeit im Grund­gesetz ist insoweit naheliegend, entscheidend ist hier die Ausgestaltung.

Ein solcher Ansatz trägt zu einer „Erneuerung“ der Sozialen Markt­wirt­schaft bei, weil er ein zu lösendes Problem mit Instru­menten der Sozialen Markt­wirt­schaft aufgreift – es geht also gerade nicht um eine neue Wirtschafts­ordnung oder das Zurück­drängen wirtschaft­licher oder sozialer Ziele durch ökolo­gische Zielset­zungen. Wichtigster Anwen­dungsfall ist die Inter­na­li­sierung bisher nicht berück­sich­tigter externer Kosten bei öffent­lichen Gütern

Markt­me­cha­nismen nutzen, soziale Teilhabe erhalten

Dass jetzt verstärkt über die Bepreisung von CO2 gesprochen wird, ist dann auch durchaus folge­richtig. Im Vorder­grund muss stehen, über den Preis­me­cha­nismus die effizi­en­testen Ansätze zur Vermeidung, zum Abbau oder zur Speicherung von CO2 zu finden. Schon jetzt bestehen im deutschen Steuer- und Abgaben­system sehr unter­schied­liche Schat­ten­preise für den Ausstoß einer Tonne CO2. Den CO2-Ausstoß einheit­licher zu bepreisen, kann daher einen Beitrag zu einer effizi­en­teren CO2-Vermeidung leisten. Die Bindung von CO2 ist aller­dings bisher nicht in Ansätze zur Bepreisung von CO2-Ausstoß integriert, worunter die Steue­rungs­leistung leidet.

Förde­rungen sind an dieser Stelle nicht immer das beste Mittel. Offen­kundig wird das gegen­wärtig beim Energie­sektor: Wenn die Strom­erzeugung in ein Emissi­ons­han­dels­system einge­bunden ist, ist der CO2-Ausstoß bereits hierüber limitiert. Die zusätz­liche Förderung bestimmter erneu­er­barer Energien bräuchte dann eigentlich einer beson­deren Begründung, denn sie kann im gegen­wär­tigen System zwar den Preis einer Tonne CO2 im Emissi­ons­han­dels­system senken, im Ergebnis aber nicht den CO2-Ausstoß reduzieren. Zudem gilt es noch Lösungen dafür zu finden, wie integrierte Ansätze zu techni­schen Innova­tionen bei der Speicherung von CO2 oder zur Wieder­auf­forstung gesetzt werden können.

Auch beim Ausgleich für die aus der CO2-Bepreisung resul­tie­renden Einnahmen gilt es, nicht zu schema­tisch zu denken. Richtig ist es, nicht auf Mehrein­nahmen für einen ohnehin schon finan­ziell gut ausge­statten Staat zu zielen, mithin im Ergebnis netto Abgaben­er­hö­hungen zu vermeiden. Ob dafür aller­dings die in Deutschland eher system­fremde „Rückzahlung“ über Kopfpau­schalen das richtige Mittel ist, kann durchaus bezweifelt werden.

Richtig ist es auch, die mit einer syste­ma­ti­scheren CO2-Bepreisung verbundene finan­zielle Umver­tei­lungs­wirkung innerhalb der Bevöl­kerung im Auge zu behalten. Das darf aber nicht zu einer Zemen­tierung des vertei­lungs­po­li­ti­schen Status quo führen. Es stellt sich eher die Frage, ob nicht andere größere Steuer- und Abgaben­systeme gleich mitre­for­miert werden sollten, sodass die Vertei­lungs­wirkung am Ende alles in allem passt. Zudem sind die einzelnen Preis­re­agi­bi­li­täten zu berück­sich­tigen. Denn dort, wo kurz- und mittel­fristig zusätz­lichen CO2-Kosten gar nicht ausge­wichen werden kann – etwa beim Pendeln zur Arbeit im ländlichen Raum – bietet sich eine jeden­falls übergangs­weise Kompen­sation im unmit­telbar damit verbun­denen Abgaben­system eher an als eine Pauschalrückzahlung.

Maßstab für den sozialen Ausgleich darf im Kern nicht (allein) die Verän­derung der gegen­wär­tigen finan­zi­ellen Vertei­lungs­po­sition sein. Maßstab muss vielmehr sein, ob in einem Steuer- und Abgaben­system, das die ökolo­gi­schen Aspekte stärker und syste­ma­ti­scher berück­sichtigt (einschließlich von Kosten­kom­po­nenten, die etwa aus einem Zerti­fi­ka­te­system resul­tieren), hinrei­chende Chancen auf wirtschaft­liche und soziale Teilhabe für alle bestehen. Die Einschränkung der persön­lichen Möglich­keiten zur Lebens­ge­staltung darf nicht unver­hält­nis­mäßig sein.

Wichtig ist zugleich, sich vollständig auf die Weite­rungen eines CO2- Beprei­sungs­systems einzu­lassen. Erstens sollte auch ein mit dem bestehenden europäi­schen Zerti­fi­ka­te­handel kompa­tibles natio­nales Beprei­sungs­system nicht das Engagement für europäische oder inter­na­tionale Lösungen mit dem Ziel eines Level Playing Field mindern. Zweitens sollten die in Artikel 6 des Pariser Abkommens angelegten Möglich­keiten zur Erbringung von Reduk­ti­ons­leis­tungen in anderen Regionen der Welt dort ausge­schöpft werden, wo dies eine höhere Wirkung und mithin Effizienz hat als ein entspre­chendes Investment im Inland. Und drittens dürfen die mit solchen Koope­ra­tionen, mit einem Zerti­fi­ka­te­zukauf oder mit Leistungen an inter­na­tionale Insti­tu­tionen verbun­denen Zahlungen ebenso wenig als „Straf­zahlung“ oder „Ablass­handel“ diffa­miert werden wie die mögli­cher­weise auf deutschen Staats­gebiet damit verbun­denen etwas gerin­geren CO2-Minde­rungs­quoten als „Zielver­fehlung“.

Die Bekämpfung des Klima­wandels löst nur einen Teil der Aufgabe

Gerade wenn verstärkte Maßnahmen gegen den Klima­wandel das Gebot der Stunde sind, besteht die Gefahr, dass sie eine umfas­sendere umwelt­po­li­tische Agenda ersetzen. Es geht jedoch um deutlich mehr als das Eindämmen des Treib­haus­ef­fektes. Die ethischen Fragen des Umgangs mit Tieren, die Vorstel­lungen zur Gestaltung der Landschaft, die Sicherheit von Ernährung und Energie­ver­sorgung, die Poten­ziale indivi­du­eller Mobilität, die Konkurrenz um die Nutzung öffent­lichen Raumes, die Gestaltung von Wohn- und Siedlungs­struk­turen und ihre Auswir­kungen auf Lebens­chancen, der Umgang mit Müll und seine Auswir­kungen auf künftige Stoff­kreis­läufe – all dies sind Aspekte, die die künftige Lebens­ge­staltung prägen werden. Es ist notwendig, hierzu einen Diskurs über normative Vorstel­lungen zu führen. Unzurei­chend jeden­falls wäre es, die künftigen Entwick­lungen in diesen Feldern allein aus einer klima­be­zo­genen Strategie resul­tieren zu lassen oder sich verfrüht und einseitig auf eine bestimmte Techno­logie festzu­legen. Digita­li­sierung, Globa­li­sierung, demogra­fi­scher Wandel und Klima­wandel greifen inein­ander, auch in ihren Innova­ti­ons­po­ten­zialen. Diese gilt es zu nutzen – und Türen hierfür offen zu halten. Der markt­wirt­schaft­liche Ansatz ist auch ein techno­lo­gie­of­fener, geprägt von Innova­tions- und Forschungs­geist. Das müssen wir fördern und nicht ausbremsen.

Textende

Hat Ihnen unser Beitrag gefallen? Dann spenden Sie doch einfach und bequem über unser Spendentool. Sie unter­stützen damit die publi­zis­tische Arbeit von LibMod.

Wir sind als gemein­nützig anerkannt, entspre­chend sind Spenden steuerlich absetzbar. Für eine Spenden­be­schei­nigung (nötig bei einem Betrag über 200 EUR), senden Sie Ihre Adress­daten bitte an finanzen@libmod.de

 

Verwandte Themen

Newsletter bestellen

Mit dem LibMod-Newsletter erhalten Sie regel­mäßig Neuig­keiten zu unseren Themen in Ihr Postfach.

Mit unseren Daten­schutz­be­stim­mungen
erklären Sie sich einverstanden.