Warum ein Verbot für die antizionistische PFLP gefordert wird
Die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) wurde 2019 von der EU als Terrororganisation eingestuft. Stimmen in Deutschland fordern ein Betätigungsverbot für die Organisation, deren Ziel die Beseitigung Israels ist. Die PFLP verbreitet ihre antizionistische Politik auch „unter dem Deckmantel der Humanität“. Zu ihrem Netzwerk gehören Organisationen wie das Demokratische Komitee Palästina (DKP) und der in Israel beriets verbotene Solidaritätsverein für palästinensische Gefangene „Samidoun“.
Auf hiesigen antisemitischen Demonstrationen trifft sich stets eine breite Allianz verschiedener politischer Akteure. Auf den jährlichen Al-Quds-Märschen etwa wurden stets vor allem Fahnen der Islamischen Republik Iran oder der libanesischen Terrororganisation Hisbollah gezeigt. Aber auch Symbole der säkularen Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) waren dort regelmäßig zu sehen.[1] Ein Palästina ohne Israel befindet sich darauf. Antizionismus und der bewaffnete Kampf sind ebenfalls zentrale Bestandteile der Ideologie und Praxis der PFLP.
Im Mai 2021 forderte des Leiter der Verfassungsschutzes Thüringen, Stefan Kramer, ein Verbot der PFLP in Deutschland.[2] Kramers Vorstoß war auch eine Reaktion auf die antisemitischen Ausschreitungen und Proteste im selben Monat, an denen sich auch PFLP-Anhänger und ihr Umfeld beteiligt hatten.[3] Bereits Monate zuvor waren mit der Hisbollah und den Grauen Wölfen andere antisemitische Gruppierungen abseits des klassischen Rechtsextremismus stärker ins politische und mediale Blickfeld geraten.[4] Die PFLP ist aktuell Beobachtungsobjekt des Bundesverfassungsschutz, der die Organisation als in Deutschland „nicht terroristisch aktiv“ charakterisiert.[5]
Ikonen des antizionistischen Antiimperialismus
Gegründet wurde die PFLP 1967, ideologisch steht sie für einen Mischung aus Marxismus-Leninismus und arabischem Nationalismus. Ihr zentrales Ziel ist die Beseitigung Israels als jüdischer Staat, der durch einen sozialistisch-arabischen Staat ersetzt werden soll . Zu erreichen versucht die PFLP dies durch Entführungen, Anschläge, Selbstmordattentate und Raketenangriffe. Dabei kommt es auch zur Zusammenarbeit mit anderen palästinensischen Terrororganisationen wie der islamistischen Hamas.
Weltweite Bekanntheit erreichte die PFLP vor allem über spektakuläre Flugzeugentführungen in den 1960erund 70er Jahren. Ihre Kommandos entführten zunächst israelische, später dann auch Passagiermaschinen aus anderen Ländern. So etwa die „Kiel“ 1972, wodurch es der PFLP gelang, die drei überlebenden Geiselnehmer des Münchener Olympia-Attentates aus der Haft freizupressen. 1977 hingegen scheiterte der Versuch, über die Entführung der Passagiermaschine „Landshut“ nach Mogadischu die Freilassung der in Stammheim inhaftierten RAF-TerroristInnen zu erwirken. Auch an der berühmten Entführung eines israelischen Passagierflugzeugs ins ugandische Entebbe 1976 war ein Kommando der PFLP beteiligt.
In der damaligen extremen Linken war es durchaus verbreitet, in Wort und Tat Partei für antisemitische Organisationen wie der PFLP zu ergreifen. Über geschickte Selbstinszenierungen konnten die PFLP-KämpferInnen damals zu Ikonen des antizionistischen Antiimperialismus werden, die zum Teil bis heute verehrt werden. So wie etwa Leyla Khaled, die 1969 und 1970 Passagiermaschinen entführte und anschließend im Austausch gegen PFLP-Geiseln freigelassen wurde. 2007 verglich sie bei einem Auftritt im EU-Parlament Handlungen Israels gegen Palästinenser mit dem Holocaust.[6]
PFLP-Netzwerke in Deutschland
Dem aktuellem Bericht des Bundesverfassungsschutz zufolge leben in Deutschland etwa 100 PFLP-Anhängerinnen und ‑Anhänger. Diese würden vor allem israelfeindliche Propaganda verbreiten und versuchen, politische Unterstützung zu generieren. Die Organisation sammele zudem „Spendengelder zur Unterstützung ihrer Strukturen und des bewaffneten Kampfes in Nahost“ und arbeite daran, „neue, vermehrt junge Anhänger unter den hier lebenden Palästinensern zu gewinnen“. Ehemalige PFLP-Kämpferinnen „genießen bei der Anhängerschaft große Anerkennung“ und werden, so der Verfassungsschutzbericht weiter, „gezielt zur Indoktrinierung nach Deutschland eingeladen“.[7] Die EU stufte die PFLP 2019 als Terrororganisation ein.[8]
Der Verein „Werteinitiative – jüdisch-deutsche Positionen“ kritisiert, dass die PFLP ihr politisches Anliegen auch „unter dem Deckmantel der Humanität“ verbreiten würde. Das Demokratische Komitee Palästina (DKP) und ein Solidaritätsverein für palästinensische Gefangene namens „Samidoun“ würde als Teil des PFLP-Netzwerkes in Deutschland fungieren, sagt Elio Adler, Vorstandsvorsitzender der Werteinitiative. In beiden Fällen sei der „positive Bezug der Gruppen und ihrer Anhänger auf Ideologie und Militanz der PFLP unbestreitbar und zentraler Bestandteil ihrer Tätigkeit“, so Adler mit Verweis auf ein ausführliches, internes Dossier, das dem Autor vorliegt.
Die Frage nach Strukturen und Netzwerken der PFLP in Deutschland war auch Gegenstand einer Kleinen Anfrage der FDP-Bundestagfraktionen im September 2021. In zahlreichen Antworten allerdings hielt sich die Bundesregierung mit Verweis auf das „Staatswohl“ äußert bedeckt. So auch hinsichtlich der Verbindungen der PFLP zu Samidoun und DKP. [9]
Remko Leemhuis vom American Jewish Committee (AJC) Berlin kann diese Zurückhaltung aufgrund des Quellenschutzes „zum Teil nachvollziehen“. Vor allem in Bezug auf Samidoun jedoch kritisiert Leemhuis „mangelnde Transparenz“ und verweist auf ein Verbot der Organisation wegen Verbindungen zur PFLP durch Israel im Februar vergangenen Jahres.[10] „Es wäre wünschenswert, wenn die Erkenntnisse der israelischen Regierung, die zum Verbot von Samidoun führten, auch in eine Bewertung hierzulande einfließen würden“, so Leemhuis.
Mobilisierung für Demonstrationen
Leemhuis kritisiert darüber hinaus, dass die Frage nach „offenkundigen Bezügen und Überschneidungen“ von PFLP und Samidoun zur anti-israelischen Boykott-Kampagne BDS in der Kleinen Anfrage außer Acht gelassen wird. Insgesamt fordert das AJC Berlin – genauso wie die Werteinitiative – die Prüfung eines Betätigungsverbots für die PFLP durch die Bundesregierung. Zudem müsse sichergestellt werden, dass PFLP-Mitglieder keine Einreisegenehmigungen in den Schengenraum erhalten und in Deutschland nicht mehr öffentlich auftreten dürfen.
Grischa Stanjek vom Verein Zentrum demokratischer Widerspruch (Democ) hebt ein „nicht zu unterschätzendes Mobilisierungspotential“ von PFLP und Samidoun hervor. Gezeigt habe sich dies zuletzt in Berlin im Mai vergangenen Jahres. Anlass für mehrere Veranstaltungen boten das militärische Vorgehen Israels gegen massiven Raketenbeschuss aus dem Gaza-Streifen sowie der alljährliche „Nakba-Tag“. Auf T‑Shirts, Plakaten oder über Sprechchöre vor allem in arabischer Sprache wurden massenweise offen antisemitische Parolen und brutale Gewaltfantasien geäußert, die unter anderem auf die militärische Zerstörung Israels abzielten.
An einer Demonstration in der Nähe des Hermannplatz in Neukölln, zu der Samidoun aufgerufen hatte, nahmen schätzungsweise 3.500 Personen teil. Als die Polizei die Veranstaltung wegen Nicht-Einhaltung der Corona-Auflagen auflösen wollte, kam es zu heftigen Auseinandersetzungen mit den Demonstrierenden, aus deren Reihen Steine und Flaschen geworfen und Feuerwerkskörper gezündet wurden. Unter den Demonstrierenden befanden sich Democ zufolge jedoch nicht nur Anhängerinnen und Anhänger der PFLP, sondern auch der Fatah, der Hamas und von BDS. Zudem zeigten Demonstrierende deutlich erkennbar Symbole der türkisch-rechtsextremen Grauen Wölfe.[11]
Anmerkungen
[1] https://www.tagesspiegel.de/berlin/antisemitische-demo-in-berlin-wer-steckt-hinter-dem-al-quds-marsch/22653804.html
[2] https://www.zeit.de/news/2021–05/13/zeitung-kramer-fuer-verbot-von-organisation-pflp
[3] https://dserver.bundestag.de/btd/19/326/1932616.pdf
[4] So gilt seit März 2021 ein Betätigungsverbot für die islamistische Terrororganisation Hisbollah. Im November 2020 forderte der Bundestag die Bundesregierung auf, Organisationsverbote in Bezug auf die türkischen Rechtsextremen der Grauen Wölfe zu prüfen. (Siehe hierzu: https://libmod.de/aufgedeckt-deutsche-netzwerk-hisbollah-schmidt/; https://libmod.de/groesste-rechtsextreme-bewegung-deutschlands-graue-woelfe-schmidt/ )
[5] https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/2021/verfassungsschutzbericht-2020.pdf;jsessionid=99988528958FB0E0C6A39F5CB2A6899D.intranet372?__blob=publicationFile&v=6 (S. 303)
[6] https://transatlanticinstitute.org/videos/anti-semitism-eu-parliament-palestinian-terrorist-leila-khaled-compares-israel-nazis?page=1; https://www.theguardian.com/world/2001/jan/26/israel
[7] https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/2021/verfassungsschutzbericht-2020.pdf;jsessionid=99988528958FB0E0C6A39F5CB2A6899D.intranet372?__blob=publicationFile&v=6
[8] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/TXT/HTML/?uri=CELEX:32019D0025
[9] https://dserver.bundestag.de/btd/19/326/1932616.pdf
[10] https://nbctf.mod.gov.il/en/Pages/SamidounEN.aspx
[11]https://democ.de/artikel/massive-gewalt-und-offener-judenhass-bei-palaestina-demos-in-berlin/; https://www.jfda.de/post/hass-und-gewalt-auf-pro-palaestinensischen-demonstrationen-in-berlin; https://taz.de/Pro-Palaestina-Demos-weltweit/!5772473/
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