Warum ein Verbot für die antizio­nis­tische PFLP gefordert wird

Flagge der PFLP 2016 in Mailand. Foto: Tinxi, Shutterstock

Die Volks­front zur Befreiung Paläs­tinas (PFLP) wurde 2019 von der EU als Terror­or­ga­ni­sation einge­stuft. Stimmen in Deutschland fordern ein Betäti­gungs­verbot für die Organi­sation, deren Ziel die Besei­tigung Israels ist. Die PFLP verbreitet ihre antizio­nis­tische Politik auch „unter dem Deckmantel der Humanität“. Zu ihrem Netzwerk gehören Organi­sa­tionen wie das Demokra­tische Komitee Palästina (DKP) und der in Israel beriets verbotene Solida­ri­täts­verein für paläs­ti­nen­sische Gefangene „Samidoun“.

Auf hiesigen antise­mi­ti­schen Demons­tra­tionen trifft sich stets eine breite Allianz verschie­dener politi­scher Akteure. Auf den jährlichen Al-Quds-Märschen etwa wurden stets vor allem Fahnen der Islami­schen Republik Iran oder der libane­si­schen Terror­or­ga­ni­sation Hisbollah gezeigt. Aber auch Symbole der säkularen Volks­front zur Befreiung Paläs­tinas (PFLP) waren dort regel­mäßig zu sehen.[1] Ein Palästina ohne Israel befindet sich darauf. Antizio­nismus und der bewaffnete Kampf sind ebenfalls zentrale Bestand­teile der Ideologie und Praxis der PFLP.

Im Mai 2021 forderte des Leiter der Verfas­sungs­schutzes Thüringen, Stefan Kramer, ein Verbot der PFLP in Deutschland.[2] Kramers Vorstoß war auch eine Reaktion auf die antise­mi­ti­schen Ausschrei­tungen und Proteste im selben Monat, an denen sich auch PFLP-Anhänger und ihr Umfeld beteiligt hatten.[3] Bereits Monate zuvor waren mit der Hisbollah und den Grauen Wölfen andere antise­mi­tische Gruppie­rungen abseits des klassi­schen Rechts­extre­mismus stärker ins politische und mediale Blickfeld geraten.[4] Die PFLP ist aktuell Beobach­tungs­objekt des Bundes­ver­fas­sungs­schutz, der die Organi­sation als in Deutschland „nicht terro­ris­tisch aktiv“ charak­te­ri­siert.[5]

Ikonen des antizio­nis­ti­schen Antiimperialismus

Gegründet wurde die PFLP 1967, ideolo­gisch steht sie für einen Mischung aus Marxismus-Leninismus und arabi­schem Natio­na­lismus. Ihr zentrales Ziel ist die Besei­tigung Israels als jüdischer Staat, der durch einen sozia­lis­tisch-arabi­schen Staat ersetzt werden soll . Zu erreichen versucht die PFLP dies durch Entfüh­rungen, Anschläge, Selbst­mord­at­tentate und Raketen­an­griffe. Dabei kommt es auch zur Zusam­men­arbeit mit anderen paläs­ti­nen­si­schen Terror­or­ga­ni­sa­tionen wie der islamis­ti­schen Hamas.

Weltweite Bekanntheit erreichte die PFLP vor allem über spekta­kuläre Flugzeug­ent­füh­rungen in den 1960erund 70er Jahren. Ihre Kommandos entführten zunächst israe­lische, später dann auch Passa­gier­ma­schinen aus anderen Ländern. So etwa die „Kiel“ 1972, wodurch es der PFLP gelang, die drei überle­benden Geisel­nehmer des Münchener Olympia-Atten­tates aus der Haft freizu­pressen. 1977 hingegen schei­terte der Versuch, über die Entführung der Passa­gier­ma­schine „Landshut“ nach Mogadischu die Freilassung der in Stammheim inhaf­tierten RAF-Terro­ris­tInnen zu erwirken. Auch an der berühmten Entführung eines israe­li­schen Passagierflug­zeugs ins ugandische Entebbe 1976 war ein Kommando der PFLP beteiligt.

In der damaligen extremen Linken war es durchaus verbreitet, in Wort und Tat Partei für antise­mi­tische Organi­sa­tionen wie der PFLP zu ergreifen. Über geschickte Selbst­in­sze­nie­rungen konnten die PFLP-Kämpfe­rInnen damals zu Ikonen des antizio­nis­ti­schen Antiim­pe­ria­lismus werden, die zum Teil bis heute verehrt werden. So wie etwa Leyla Khaled, die 1969 und 1970 Passa­gier­ma­schinen entführte und anschließend im Austausch gegen PFLP-Geiseln freige­lassen wurde. 2007 verglich sie bei einem Auftritt im EU-Parlament Handlungen Israels gegen Paläs­ti­nenser mit dem Holocaust.[6]

PFLP-Netzwerke in Deutschland

Dem aktuellem Bericht des Bundes­ver­fas­sungs­schutz zufolge leben in Deutschland etwa 100 PFLP-Anhän­ge­rinnen und ‑Anhänger. Diese würden vor allem israel­feind­liche Propa­ganda verbreiten und versuchen, politische Unter­stützung zu generieren. Die Organi­sation sammele zudem „Spenden­gelder zur Unter­stützung ihrer Struk­turen und des bewaff­neten Kampfes in Nahost“ und arbeite daran, „neue, vermehrt junge Anhänger unter den hier lebenden Paläs­ti­nensern zu gewinnen“. Ehemalige PFLP-Kämpfe­rinnen „genießen bei der Anhän­ger­schaft große Anerkennung“ und werden, so der Verfas­sungs­schutz­be­richt weiter, „gezielt zur Indok­tri­nierung nach Deutschland einge­laden“.[7] Die EU stufte die PFLP 2019 als Terror­or­ga­ni­sation ein.[8]

Der Verein „Werte­initiative – jüdisch-deutsche Positionen“ kriti­siert, dass die PFLP ihr politi­sches Anliegen auch „unter dem Deckmantel der Humanität“ verbreiten würde. Das Demokra­tische Komitee Palästina (DKP) und ein Solida­ri­täts­verein für paläs­ti­nen­sische Gefangene namens „Samidoun“ würde als Teil des PFLP-Netzwerkes in Deutschland fungieren, sagt Elio Adler, Vorstands­vor­sit­zender der Werte­initiative. In beiden Fällen sei der „positive Bezug der Gruppen und ihrer Anhänger auf Ideologie und Militanz der PFLP unbestreitbar und zentraler Bestandteil ihrer Tätigkeit“, so Adler mit Verweis auf ein ausführ­liches, internes Dossier, das dem Autor vorliegt.

Die Frage nach Struk­turen und Netzwerken der PFLP in Deutschland war auch Gegen­stand einer Kleinen Anfrage der FDP-Bundes­tag­frak­tionen im September 2021. In zahlreichen Antworten aller­dings hielt sich die Bundes­re­gierung mit Verweis auf das „Staatswohl“ äußert bedeckt. So auch hinsichtlich der Verbin­dungen der PFLP zu Samidoun und DKP. [9]

Remko Leemhuis vom American Jewish Committee (AJC) Berlin kann diese Zurück­haltung aufgrund des Quellen­schutzes „zum Teil nachvoll­ziehen“. Vor allem in Bezug auf Samidoun jedoch kriti­siert Leemhuis „mangelnde Trans­parenz“ und verweist auf ein Verbot der Organi­sation wegen Verbin­dungen zur PFLP durch Israel im Februar vergan­genen Jahres.[10] „Es wäre wünschenswert, wenn die Erkennt­nisse der israe­li­schen Regierung, die zum Verbot von Samidoun führten, auch in eine Bewertung hierzu­lande einfließen würden“, so Leemhuis.

Mobili­sierung für Demonstrationen

Leemhuis kriti­siert darüber hinaus, dass die Frage nach „offen­kun­digen Bezügen und Überschnei­dungen“ von PFLP und Samidoun zur anti-israe­li­schen Boykott-Kampagne BDS in der Kleinen Anfrage außer Acht gelassen wird. Insgesamt fordert das AJC Berlin – genauso wie die Werte­initiative – die Prüfung eines Betäti­gungs­verbots für die PFLP durch die Bundes­re­gierung. Zudem müsse sicher­ge­stellt werden, dass PFLP-Mitglieder keine Einrei­se­ge­neh­mi­gungen in den Schen­genraum erhalten und in Deutschland nicht mehr öffentlich auftreten dürfen.

Grischa Stanjek vom Verein Zentrum demokra­ti­scher Wider­spruch (Democ) hebt ein „nicht zu unter­schät­zendes Mobili­sie­rungs­po­tential“ von PFLP und Samidoun hervor. Gezeigt habe sich dies zuletzt in Berlin im Mai vergan­genen Jahres. Anlass für mehrere Veran­stal­tungen boten das militä­rische Vorgehen Israels gegen massiven Raketen­be­schuss aus dem Gaza-Streifen sowie der alljähr­liche „Nakba-Tag“. Auf T‑Shirts, Plakaten oder über Sprech­chöre vor allem in arabi­scher Sprache wurden massen­weise offen antise­mi­tische Parolen und brutale Gewalt­fan­tasien geäußert, die unter anderem auf die militä­rische Zerstörung Israels abzielten.

An einer Demons­tration in der Nähe des Hermann­platz in Neukölln, zu der Samidoun aufge­rufen hatte, nahmen schät­zungs­weise 3.500 Personen teil. Als die Polizei die Veran­staltung wegen Nicht-Einhaltung der Corona-Auflagen auflösen wollte, kam es zu heftigen Ausein­an­der­set­zungen mit den Demons­trie­renden, aus deren Reihen Steine und Flaschen geworfen und Feuer­werks­körper gezündet wurden. Unter den Demons­trie­renden befanden sich Democ zufolge jedoch nicht nur Anhän­ge­rinnen und Anhänger der PFLP, sondern auch der Fatah, der Hamas und von BDS. Zudem zeigten Demons­trie­rende deutlich erkennbar Symbole der türkisch-rechts­extremen Grauen Wölfe.[11]

Anmer­kungen

[1] https://www.tagesspiegel.de/berlin/antisemitische-demo-in-berlin-wer-steckt-hinter-dem-al-quds-marsch/22653804.html

[2] https://www.zeit.de/news/2021–05/13/zeitung-kramer-fuer-verbot-von-organisation-pflp

[3] https://dserver.bundestag.de/btd/19/326/1932616.pdf

[4] So gilt seit März 2021 ein Betäti­gungs­verbot für die islamis­tische Terror­or­ga­ni­sation Hisbollah. Im November 2020 forderte der Bundestag die Bundes­re­gierung auf, Orga­ni­sa­ti­ons­ver­bote in Bezug auf die türki­schen Rechts­extremen der Grauen Wölfe zu prüfen. (Siehe hierzu: https://libmod.de/aufgedeckt-deutsche-netzwerk-hisbollah-schmidt/; https://libmod.de/groesste-rechtsextreme-bewegung-deutschlands-graue-woelfe-schmidt/ )

[5] https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/2021/verfassungsschutzbericht-2020.pdf;jsessionid=99988528958FB0E0C6A39F5CB2A6899D.intranet372?__blob=publicationFile&v=6 (S. 303)

[6] https://transatlanticinstitute.org/videos/anti-semitism-eu-parliament-palestinian-terrorist-leila-khaled-compares-israel-nazis?page=1; https://www.theguardian.com/world/2001/jan/26/israel

[7] https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/2021/verfassungsschutzbericht-2020.pdf;jsessionid=99988528958FB0E0C6A39F5CB2A6899D.intranet372?__blob=publicationFile&v=6

[8] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/TXT/HTML/?uri=CELEX:32019D0025

[9] https://dserver.bundestag.de/btd/19/326/1932616.pdf

[10] https://nbctf.mod.gov.il/en/Pages/SamidounEN.aspx

[11]https://democ.de/artikel/massive-gewalt-und-offener-judenhass-bei-palaestina-demos-in-berlin/; https://www.jfda.de/post/hass-und-gewalt-auf-pro-palaestinensischen-demonstrationen-in-berlin; https://taz.de/Pro-Palaestina-Demos-weltweit/!5772473/

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