„Georgien hat die Wahl: Europa oder Russland?“ – Teil III unserer Diskussionsreihe „Georgien im Fokus“
Sechs Wochen bevor in Georgien bei den Parlamentswahlen darüber entschieden wird, ob das Land zukünftig einen pro-europäischen Kurs verfolgen oder sich an Russland orientieren wird, haben Politiker und Vertreter der Zivilgesellschaft diskutiert: „Georgien hat die Wahl: Europa oder Russland?“.
Welche Bedeutung haben die Wahlen für Georgien, für die EU und für Georgiens Beziehungen zu seinen östlichen Nachbarn? Wie ist der russische Einfluss einzuschätzen? Welche Szenarien sind nach den Wahlen möglich? Darüber diskutierten:
- Peter Fischer, Botschafter der Republik Deutschland in Georgien
- Knut Abraham, MdB (CDU)
- Julia Langbein, Principal Investigator bei SCRIPTS
- Ana Natsvlishvili, Mitglied des Ausschusses für EU-Integration im georgischen Parlament (Lelo)
- Eka Tkeshelashvili, Leiterin des USAID Anti-Corruption-Program in der Ukraine.
Die Moderation übernahm Stephan Malerius, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung Südkaukasus.
Im Dezember 2023 gewährte die Europäische Union Georgien den EU-Kandidatenstaus und stellte der georgischen Regierung konkrete Bedingungen für die künftigen Beitritts-verhandlungen. Statt sich auf diese Reformen zu konzentrieren, verschärfte die Regierungspartei „Georgischer Traum“ ihre antiwestliche Rhetorik und verabschiedete trotz scharfer Kritik das Gesetz „über die Transparenz ausländischer Einflussnahme“ mit seiner ideologischen Nähe zu Russland.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenKhatia Kikalishvili, Programmleiterin der Östlichen Partnerschaft bei LibMod, wies in ihrem Grußwort darauf hin, dass die Europäische Union die EU-Verhandlungen aufgrund der anti-europäischen Handlungen der regierenden Partei auf Eis gelegt hat. Das werde auch in Zukunft so bleiben, solange Georgien keine Regierung hat, die auf die europäische Werte achtet und die Bedingungen der EU für die künftigen Beitrittsverhandlungen erfüllt. Die bevorstehenden Wahlen am 26. Oktober seien daher entscheidend.
Georgien sei Teil einer großen Herausforderung, die sich nicht auf das Land allein beschränke, betonte der Botschafter der Republik Deutschland in Georgien, Peter Fischer, in seiner Keynote: Es ginge um einen Wettstreit der Systeme, einen Wettstreit zwischen liberaler Demokratie und autoritärem System. Bei den Parlamentswahlen im Oktober wird sich entscheiden, ob Georgien weiter in die EU und Nato integriert werde oder ob es sich in einer Art Grauzone und in enger Zusammenarbeit mit Russland, China, Aserbaidschan sowie mit anderen autoritären Ländern bewegen werde.
Seit 1992 gibt es eine tiefgehende und breit aufgestellte politische, wirtschaftliche und kulturelle Partnerschaft zwischen Deutschland und Georgien. Diese basierte mit den bisherigen Regierungen immer auf einem demokratischen und marktwirtschaftlichen Konsens sowie einem Bekenntnis zur Euroatlantischen Integration. „Die radikale Wende passierte im Frühling 2024, als das Gesetz über die Transparenz der ausländischen Einflussnahme von der Regierungspartei injiziert wurde. Wenn man ein Gesetz verabschiedet, das contraire zu dem demokratischen Kernbereich der EU ist, dann wird die Tür in die EU geschlossen. Deutschland unterstützt die EU-Erweiterung, aber jedes Kandidatenland soll seine Gesetzgebung an die EU-Rechtsordnung angleichen. Es ist sehr schade, dass diese 30-jährige Partnerschaft wegen des anti-europäischen Kurses der jetzigen Regierung gefährdet wird,“ so Peter Fischer.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenDie Regierungspartei „Georgischer Traum“ täusche ihre eigene Bevölkerung, indem sie vorgebe, das Land in die EU zu führen, so der deutsche Botschafter für Georgien: „Sie täuschen der eigenen Bevölkerung vor, dass die georgische Regierung entscheidet, dass das Land in die EU kommt und sie deswegen die Regierungspartei wählen sollten“. Botschafter Peter Fischer sieht die Rolle Deutschlands darin, dazu beizutragen, dass Georgierinnen und Georgier faire und freie Wahlen haben. Die Bevölkerung müsse informiert zu den Wahlurnen gehen können. Das „Agentengesetz“ dieser Regierung versperrt Georgiens Weg in die EU.
MdB Knut Abraham betonte, es sei nicht zu rütteln an der Tatsache, dass Georgien ein Bestandteil Europas ist und bleibt, das Land dürfe nicht aufgegeben werden. Visafreiheit und EU-Kandidatenstatus seien Errungenschaften, die nicht abgeschafft werden dürften. Nun sei es Aufgabe der Think Tank Community sowie der Fachausschüsse im Bundestag zu diskutieren, welche möglichen Szenarien es nach den Parlamentswahlen geben könne. Der CDU-Abgeordnete meinte mit Blick auf mögliche Zukunftsszenarien: Wenn die jetzige Regierung wiedergewählt werde, müsse sich der Westen auf eine Welle der Demonstrationen vorbereiten und darauf reagieren.
„Was steht bei den Parlamentswahlen auf dem Spiel?“, fragte die georgische Oppositionspolitikerin Ana Natsvlishvili und lieferte die Antwort gleich mit: „In erster Linie geht es um die Unabhängigkeit und Souveränität meines Landes. Wenn Georgien zurückkehrt in den russischen Hinterhof, dann werden wir unsere Unabhängigkeit verlieren. Die einzige Möglichkeit, dieses Gut zu bewahren, ist, Mitglied der Europäischen Union zu werden.
Wie der Ausgang der Wahlen auf ökonomischer Ebene in die Beziehungen zwischen Georgien und der EU wirkt, nahm Julia Langbein, Principal Investigator bei SCRIPTS, in den Fokus und nannte drei Aspekte: 1. Rechtsstaatlichkeit und die Qualität der Transparenz und der Regulierungsbehörden 2. Ausländische Investitionen 3. Auswirkungen auf die Handelsbeziehungen. Unabhängige Institutionen würden aus westlicher Sicht automatisch die wirtschaftliche Entwicklung befördern, so Julia Langbein. Eine Wiederwahl der aktuellen Regierungspartei „Georgischer Traum“ werde die Transparenz und Rechtsstaatlichkeit in Gefahr bringen und die wirtschaftliche Entwicklung untergraben. Offensichtlich sei, dass die regierende politische Elite in Georgien versuche, kritische NGOs mithilfe des „Agentengesetzes“ zu behindern und mundtot zu machen. Betroffen seien kritische Organisationen wie Transparency International, die Korruptionsfälle ermitteln und untersuchen. Sie warnte: Das Gesetz wirke auch auf Investitionen aus dem Ausland. Die Statistik zeigt, dass sich infolge große Inverstoren aus Europa und USA zurückziehen und somit die Handelsbilanz zwischen der EU und Georgien zurückgehen.
Eka Tkeshelashvili, Leiterin des USAID Anti-Corruption-Program in der Ukraine warnte: Russland verfüge bereits über Strategien entsprechend der Wahlergebnisse und werde versuchen, die regierende Partei an der Macht zu halten. Die EU sowie die USA müssten daher jetzt agieren, Gegenmaßnahmen entwerfen und entsprechend handeln: Jetzt ginge es darum, einen Raum für freie und faire Wahlen zu schaffen und die Botschaft zu senden, dass im Falle von Gewalt auch persönlichen Sanktionen vonseiten der EU denkbar seien.
Die Wahl am 26. Oktober werde eine Entscheidungswahl zwischen Europa und Russland sein, resümierte Stephan Malerius. Bereits in seiner Vergangenheit habe Georgien die Stimme gegen autokratische Regime erhoben. Nun komme es darauf an, dass der Westen klare Botschaften sende, damit die pro-europäische Bevölkerung gestärkt und unterstützt werde.
Did you like this article? If yes, you can support the independent editorial work and journalism of LibMod via a simple donation tool.
Donate via PayPal
We are recognized as a non-profit organization, accordingly donations are tax deductible. For a donation receipt (necessary for an amount over 200 EUR), please send your address data to finanzen@libmod.de
Related topics
order Newsletter
Stay tuned with our regular newsletter about all our relevant subjects.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen