Afgha­ni­stan ist verloren – wir müssen Litauen beistehen!

Foto: Shut­ter­stock, Birute Vijeikiene

Showdown in Vilnius: Litauen hat Taiwan einge­laden, eine Botschaft zu eröffnen, die nicht den von Fest­land­china gewünschten Namen Taipeh führen soll. China droht mit Sank­tionen, die Litauen ein Prozent seiner Wirt­schafts­leis­tung kosten würden. Der Westen muss dem Land beistehen.

In diesem Monat vor dreißig Jahren tri­um­phierte Litauen ent­ge­gen aller Wahr­schein­lich­keit. Sein Wider­stand gegen eine sowje­ti­sche Wirt­schafts­blo­ckade, die durch töd­li­che Gewalt unter­stützt wurde, beschleu­nigte den Zusam­men­bruch des „Evil Empire“.

Jetzt wird der Mut Litau­ens erneut auf die Probe gestellt, und zwar von der Kom­mu­nis­ti­schen Partei Chinas. Aus Protest gegen Litau­ens Ein­la­dung an Taiwan, ein Büro in Vilnius zu eröff­nen, hat sie ihren Bot­schaf­ter zurück­ge­zo­gen. Das kom­mu­nis­ti­sche Regime in Peking besteht darauf, dass die vor der Küste gele­gene Demo­kra­tie ledig­lich eine rebel­li­sche Provinz ist, die auf eine baldige Wie­der­ver­ei­ni­gung mit dem Fest­land wartet.

Wirt­schaft­li­cher Druck als Hebel

Doch der Druck auf Litauen ist viel größer als bisher berich­tet. Dem US-Konzern Thermo Fisher Sci­en­ti­fic, einer der wich­tigs­ten Inves­toren in Litauen, wurde mit­ge­teilt, dass seine Akti­vi­tä­ten auf dem chi­ne­si­schen Fest­land gefähr­det sind, wenn die Regie­rung in Vilnius nicht nach­gibt. Zusam­men mit anderen chi­ne­si­schen Sank­tio­nen könnte dies Litauen 1 % des BIP oder mehr als 2,5 Mil­li­ar­den Euro (fast 3 Mil­li­ar­den Dollar) kosten.

Litau­ens Regie­rung hat schon genug zu tun, vor allem mit dem brutalen Regime im benach­bar­ten Belarus. Muss sie wirk­lich auch noch einen Kampf mit einem Land aus­tra­gen, das mehr als 500 Mal so groß ist wie sie? Ja, das sollte sie. Litau­ens prin­zi­pi­en­feste Außen­po­li­tik hat dem Land bereits inter­na­tio­na­le Aner­ken­nung ein­ge­bracht. Das wird sich über Jahre hinweg aus­zah­len – kul­tu­rell, diplo­ma­tisch, wirt­schaft­lich und militärisch.

Papier­ti­ger China

Die Erfah­run­gen der Tsche­chi­schen Repu­blik im ver­gan­ge­nen Jahr zeigen, dass die chi­ne­si­sche Schi­ka­nen in Bezug auf Taiwan – um es mit den Worten des Vor­sit­zen­den Mao zu sagen – ein Papier­ti­ger sind. Je mehr Länder sich China ent­ge­gen­stel­len, desto schwä­cher werden seine Dro­hun­gen. Ein Sieg Litau­ens wäre ein ent­schei­den­der Schlag gegen das Image der angeb­li­chen Unbe­sieg­bar­keit des chi­ne­si­schen Festlandes.

Kleiner Finger, ganze Hand

Der Preis des Ein­kni­ckens hin­ge­gen wäre enorm, und zwar nicht nur für Litauen. Jedes andere Land, das daran denkt, sich dem chi­ne­si­schen Druck zu wider­set­zen – in Bezug auf die Men­schen­rechte, die aka­de­mi­sche und mediale Frei­heit, die Tech­no­lo­gie­po­li­tik, Hong­kong, Tibet oder Taiwan – wird sich daran erin­nern, wie es Litauen ergan­gen ist. Daher gibt es für jeden west­li­chen Ent­schei­dungs­trä­ger, der nach dem Debakel in Afgha­ni­stan Pres­tige und Glaub­wür­dig­keit zurück­ge­win­nen will, keine Alter­na­tive dazu, Litauen zu unterstützen.

Der erste Schritt sollte darin bestehen, dass jeder Kunde, Lie­fe­rant und Aktio­när von Thermo Fisher Sci­en­ti­fic deut­lich macht, dass er von der Unter­neh­mens­lei­tung erwar­tet, sich gegen chi­ne­si­sche Schi­ka­nen zur Wehr zu setzen und sich nicht zu deren Kom­pli­zen zu machen. Das Unter­neh­men ris­kiert viel­leicht, Geschäfte in China zu ver­lie­ren. Aber es kann noch viel mehr ver­lie­ren, wenn west­li­che Regie­run­gen und andere Kunden es von Beschaf­fungs­ver­trä­gen aus­schlie­ßen, wenn Mit­ar­bei­ter sich ent­schei­den, den Arbeit­ge­ber zu wech­seln, und wenn Inves­to­ren die Aktien ver­kau­fen (ich selbst habe gerade ein paar wenige gekauft, um not­falls einen Auf­stand zu veranstalten).

Ich habe das Unter­neh­men um eine Stel­lung­nahme gebeten: keine Antwort.

Was getan werden muss

West­li­che Regie­run­gen –und Unter­nehmen sollten Taiwans Bemü­hun­gen ver­stär­ken, die Wirkung der chine­si­schen Sank­tionen für den litaui­schen Außen­han­del und Inves­ti­tio­nen im Land abzu­fe­dern. Die Kosten sind im Ver­gleich zum BIP des Westens von 40 Bil­lio­nen Dollar vernach­läs­sigbar. Litauen braucht ökono­mi­sche und poli­ti­sche Solidarität.

Im nächs­ten Schritt sollten weitere Länder dem Bei­spiel Litau­ens folgen und aus der 17+1‑Gruppe (einem von Peking gesteu­er­ten regio­na­len Schön­heits­wett­be­werb) aus­stei­gen, Anhö­run­gen über Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen in China abhal­ten, Men­schen, die aus Hong­kong fliehen, Bei­stand leisten und die Bezie­hun­gen zu Taiwan stärken.

Dies wird Peking die Bot­schaft über­mit­teln, dass Schi­ka­nen kon­tra­pro­duk­tiv sind. Litauen ist nicht klein oder iso­liert. Es befin­det sich im Herzen der mäch­tigs­ten mili­tä­ri­schen und wirt­schaft­li­chen Struk­tu­ren der Welt. Wer sich mit ihm anlegt, tut dies auf eigene Gefahr.

Auch wenn diese Unter­stüt­zung lang­sa­mer und weniger geschlos­sen erfolgt, als ich es mir wünsche, sollte Litauen dennoch unbeug­sam sein. Ein Zuge­ständ­nis in der schein­bar tri­via­len Frage des genauen Namens des tai­wa­ne­si­schen Büros wäre nur der Anfang: Wenn der Westen einknickt, werden die Tyran­nen aus Peking immer mehr ver­lan­gen. Davon hängt eine Menge ab. Als Freund Litau­ens seit mehr als drei Jahr­zehn­ten hoffe ich, dass andere Staaten dem Land zu Hilfe kommen. Aber ich erin­nere mich an 1990–91, als sie das nicht taten. Und Litauen trotz­dem gewann.


Der Text ist im engli­schen Original ist bei CEPA erschienen.

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