Corona-Pandemie: Warum jetzt die Stunde der Quali­täts­me­dien schlägt

Soni’s /​ Shut­ter­stock

In der Coro­na­krise sind akku­rate, ver­ständ­li­che, fak­ten­treue Medien ent­schei­dend dafür, wie Ein­zelne handeln und damit wie Gesell­schaft und Wirt­schaft funk­tio­nie­ren. Nur Qua­li­täts­me­dien mit ihrer Reich­weite quer durch alle sozia­len Schich­ten können diese Aufgabe über­neh­men, argu­men­tiert Alex­an­dra Borchardt. 

Krisen­zeiten sind keine Zeiten für Besser­wisser. Es sind die Stunden derje­nigen, die es besser wissen. Dies sollten sich alle zu Herzen nehmen in diesen Tagen, Wochen und absehbar Monaten, in denen das Corona-Virus die Gesund­heit von Menschen rund um den Globus und in der Folge die Welt­wirt­schaft bedroht. Gefühls­aus­brüche auch von Experten sind in dieser ange­spannten Lage zwar verständ­lich. Aber vor allem dieje­nigen, die dies als Gele­gen­heit betrachten, mit „den Medien“ im Allge­meinen und den öffent­lich-recht­li­chen Sendern im Beson­deren abzu­rechnen, sollten sich diese Emotionen verkneifen. Denn im Zweifel gefährden sie damit Leben. 

Portrait von Alexandra Borchardt

Alexandra Borchardt ist Jour­na­listin und Autorin von ‚Mehr Wahrheit wagen – Warum die Demo­kratie einen starken Jour­na­lismus braucht‘

In der Krise ist eine verläss­liche, akkurate, verständ­liche, unab­hän­gige und ebenso tief­ge­hende wie reak­ti­ons­schnelle Infor­ma­tion entschei­dend dafür, wie Einzelne Handeln und damit wie Gesell­schaft und Wirt­schaft funk­tio­nieren. Nur Quali­täts­me­dien mit ihrer Reich­weite quer durch alle sozialen Schichten können sie liefern.

Zum Glück ist die allge­meine Öffent­lich­keit in den meisten Ländern klüger als so manch eine Chat-Runde in den sozialen Medien. Die etablierten Medi­en­häuser berichten davon, wie Ihnen das Publikum sämtliche Angebote zum Thema Covid-19 förmlich aus dem Netz saugt. News­letter werden so stark geöffnet wie nie, Beiträge abgerufen, Links geklickt. Manch eine Publi­ka­tion öffnet ihre Bezahl­schranke für Corona-Berichte oder nutzt den Infor­ma­ti­ons­hunger fürs Abo-Marketing. Die Menschen wissen, wohin sie sich in unsi­cheren Zeiten wenden müssen: zu den Medien ihres Vertrauens. Und auch die Entschei­dungs­träger infor­mieren sich dort. So manch eine kluge Info­grafik über verschie­dene Szenarien zur Ausbrei­tung der Pandemie hat auch Zauderer in Politik und Unter­nehmen davon überzeugt, dass jetzt dras­ti­sche Einschnitte nötig sind, um das Gesund­heits­system am Laufen zu halten.

Ein Problem entsteht überall dort, wo der Medi­en­konsum entlang poli­ti­scher Über­zeu­gungen hoch pola­ri­siert ist und es die Angebote nicht oder nicht mehr flächen­de­ckend gibt, denen die Menschen allen Studien zufolge am meisten vertrauen: Lokal­zei­tungen und öffent­lich-recht­liche Sender. Dies ist zum Beispiel in den USA der Fall. Lokal­zei­tungen gibt es an einigen Orten nicht mehr, das National Public Radio fristet ein Nischen­da­sein. Weil viele Bürger, vor allem aus dem Lager der Trump-Wähler, den großen über­re­gio­nalen Quali­täts­me­dien nicht vertrauen, sind sie besonders anfällig für Verschwö­rungs­theo­rien aller Art. In Frank­reich, wo die Gelb­westen-Bewegung ein tiefes Miss­trauen gegen „die Presse“ hegt und sie auf Seiten der Elite verortet, gab es sogar eine Protest-Demons­tra­tion gegen die Einschrän­kungen des öffent­li­chen Lebens. Beides ist brandgefährlich.

So manch ein Experte, der in den sozialen Medien schimpft, auf Twitter finde er oder sie viel bessere Infor­ma­tionen als in den Quali­täts­me­dien, mag damit punktuell recht haben. Aller­dings liegt ein großes Problem dieser Zeit in der Asym­me­trie der öffent­li­chen Infor­ma­tion. Während Gebildete keine Mühe damit haben, die sozialen Netzwerke zu navi­gieren und darin schneller mehr und bessere Auskünfte zu finden, als dies beispiels­weise noch vor 20 Jahren der Fall gewesen wäre, zirku­lieren andere in weniger aufge­klärten Kreisen. Sie sehen dann über­wie­gend Bilder von leeren Regalen und stürmen die Droge­rie­märkte auf der Suche nach Klopapier, wenn sie nicht gleich seltsamen, gerne über geschlos­sene WhatsApp-Gruppen geteilten Tipps und Speku­la­tionen anheim­fallen. Jour­na­listen sind dieje­nigen, die all diese Infor­ma­tionen sichten, sortieren, über­prüfen, die entspre­chenden Experten ausfragen und damit verständ­lich für alle machen. Ohne Qualitäts-Jour­na­lismus würde sich die Infor­ma­tions-Ungleich­heit massiv verschärfen. Den Schaden hätten alle.

Wer aber sind nun dieje­nigen, die es besser wissen, und wie iden­ti­fi­ziert man sie? Tatsäch­lich lässt sich das nur in der Koope­ra­tion und im Austausch von Ideen heraus­finden, denn die Lage kann sich schnell ändern. Es ist deshalb wenig hilfreich, einzelne Profes­soren (seltener: Profes­so­rinnen) zu Medi­en­helden zu stili­sieren, so brillant sie auch sein mögen. Erstens können sie nur gut bleiben, wenn sie sich ständig über neueste Entwick­lungen infor­mieren und mit Kolle­ginnen und Kollegen austau­schen. Dazu brauchen sie Zeit. Und zweitens führt solch ein Star-Dasein schnell zu einer Hybris, die der ehrlichen Suche nach dem neuesten Stand des Wissens abträg­lich ist. Wissen­schaft ist ein ständiger Prozess, sie liefert nur selten letzt­gül­tige Antworten.

Recht­haber sollten es sich deshalb auch verkneifen, ältere Aussagen endlos hervor­zu­kramen und die Botschafter vorzu­führen. Für die Medien gilt: Der Reflex des Politik-Jour­na­lismus, nach Schul­digen zu suchen, ist hier weniger gefragt als die ergeb­nis­of­fene Suche des Wissenschaftsjournalismus.

Noch stärker als sonst ist in Krisen­zeiten Lernen bei laufendem Betrieb ein 24-Stunden-Geschäft. Und Lernen können bei so einer Großkrise nur alle gemeinsam: Experten, Politiker und Jour­na­listen ebenso wie die Bürger – und das weltweit über Länder­grenzen hinweg.

Alexandra Borchardt ist Autorin von „Mehr Wahrheit wagen – Warum die Demo­kratie einen starken Jour­na­lismus braucht“, im März 2020 erschienen im Dudenverlag. 

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