Dekar­bo­ni­sie­rung: Düstere Perspek­tiven für ein Russland nach dem Krieg

„Wenn der Krieg weiter­geht, wird Russland bei der globalen Ener­gie­wende noch weiter zurück­fallen.“ Welche Auswir­kungen der Krieg gegen die Ukraine auf Wirt­schaft, Absatz­märkte und die ökolo­gi­sche Moder­ni­sie­rung in Russland hat, analy­siert Yana Zabanova.

Der scho­ckie­rende Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 hat die geopo­li­ti­schen Gege­ben­heiten in Europa verändert und das Ende der Stellung Russlands als wich­tigster Ener­gie­lie­fe­rant Europas einge­läutet. Die west­li­chen Länder haben eine noch nie dage­we­sene Anzahl von Sank­tionen gegen Russland verhängt, wobei der Ener­gie­sektor eines der Haupt­ziele ist.

Darüber hinaus hat sich die EU verpflichtet, die Einfuhr aller russi­schen fossilen Brenn­stoffe bis 2027 voll­ständig einzu­stellen. Mehr als tausend inter­na­tio­nale Unter­nehmen haben ihre Akti­vi­täten in Russland stark einge­schränkt, und die G7, die EU sowie Austra­lien haben kürzlich eine Preis­ober­grenze von 60 US-Dollar für russi­sches Rohöl einge­führt, das an Dritt­länder verkauft wird.

Rückgang der russi­schen Haushaltseinnahmen

Im Jahr 2022 haben die hohen Öl- und Gaspreise die Auswir­kungen der Sank­tionen auf die russische Wirt­schaft vorüber­ge­hend abge­mil­dert. Wenn der Krieg jedoch anhält, werden der russische Ener­gie­sektor und die gesamte russische Wirt­schaft zunehmend unter dem fehlenden Zugang zu Tech­no­logie und inter­na­tio­nalem Kapital sowie dem allmäh­li­chen Verlust der lukra­tiven euro­päi­schen Märkte leiden, was wiederum zu einem Rückgang der Haus­halts­ein­nahmen führt.

Moder­ni­sie­rung der Öl- und Gasin­dus­trie verschoben

Trotz der Bemü­hungen, Tech­no­lo­gien durch Paral­lel­im­porte zu beschaffen oder alter­na­tive Liefe­ranten zu finden, musste Russland bereits Moder­ni­sie­rungs­pläne im Öl- und Gasver­ar­bei­tungs­sektor verschieben, seine Ambi­tionen bei der Entwick­lung von Flüs­siggas und Wasser­stoff zurück­schrauben und nach Alter­na­tiven zu den Gastur­binen west­li­cher Hersteller suchen – von denen der russische Strom- und Wärme­sektor stark abhängig ist.

Warum die Aussichten für die russische Wirt­schaft düster sind

Die russische Regierung setzt ihre Hoff­nungen auf Import­sub­sti­tu­ti­ons­pro­jekte im Ener­gie­sektor, die einigen einhei­mi­schen Unter­nehmen wie Rosatom zugu­te­kommen werden. Deren Umsetzung wird jedoch schwierig sein – und gleich­zeitig ein hohes Risiko von Korrup­tion und Miss­ma­nage­ment bergen. Die Abwan­de­rung Hundert­tau­sender quali­fi­zierter Arbeits­kräfte, der Verlust des Inno­va­ti­ons­po­ten­zials und der sich abzeich­nende Übergang zur „Kriegs­wirt­schaft“ unter­graben die Entwick­lungs­aus­sichten der russi­schen Wirt­schaft zusätzlich.

Klima­krise und Dekarbonisierung

Der Abbruch der Bezie­hungen zum Westen hat auch die wich­tigste Trieb­kraft der noch jungen russi­schen Klima- und Dekar­bo­ni­sie­rungs­po­litik geschwächt, die im Jahr 2021 von einer Flut von Regu­lie­rungs- und Geschäfts­ak­ti­vi­täten geprägt war. Zwar bekennt sich Russland offiziell weiterhin zu seinen Klima­ver­pflich­tungen – auch als Teil seiner Strategie, sich neuen Märkten in Asien und der MENA-Region zuzu­wenden, die ihre eigenen Klima­re­ge­lungen entwi­ckeln. Doch wird es kaum möglich sein, den Schwung der Vorkriegs­zeit aufrechtzuerhalten.

In dem Maße, wie sich die wirt­schaft­liche und poli­ti­sche Lage im Lande verschlech­tert und Ressourcen in den Vertei­di­gungs­sektor verlagert werden, werden die Themen Klima und Dekar­bo­ni­sie­rung unwei­ger­lich auf der Prio­ri­tä­ten­liste nach unten rutschen. Russlands ESG-Spit­zen­reiter – haupt­säch­lich große export­ori­en­tierte Unter­nehmen, deren Haupt­märkte in Europa liegen oder einst lagen – werden wahr­schein­lich Anstren­gungen in dieser Richtung fort­setzen, kapi­tal­in­ten­sive Inves­ti­tionen in saubere Tech­no­lo­gien jedoch redu­zieren müssen.

Der Krieg gegen die Ukraine verschärft Russlands „carbon lock-in“

Unter­nehmen, die den russi­schen Markt bedienen, werden hingegen andere Prio­ri­täten setzen. Russland hofft, seine Ener­gie­ströme auf neue Märkte in Asien ausrichten zu können. Dies ist jedoch aufgrund infra­struk­tu­reller Einschrän­kungen schwierig – Russland musste seinen Kunden in China und Indien bereits Energie mit einem erheb­li­chen Preis­nach­lass verkaufen. Infol­ge­dessen steigert Russland den Inlands­ver­brauch von Erdgas und Kohle, was den „carbon lock-in“ weiter verschärft. Wenn der Krieg weiter­geht, wird Russland – ohnehin schon ein Nach­zügler bei der globalen Ener­gie­wende – noch weiter zurück­fallen. Und selbst im Falle eines künftigen Regime­wech­sels wird es schwierig sein, diese Lücke zu schließen.

Yana Zabanova präsen­tierte ihre Ergeb­nisse auch auf unserer Veran­stal­tung „Russlands Krieg gegen die Ukraine und seine eigene Zukunft“. Mehr zum Thema gibt es in unserem Veran­stal­tungs­rück­blick.

 

Den voll­stän­digen Text zum download finden Sie hier (auf Englisch).

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