Veran­stal­tungs­be­richt: Russlands Krieg
gegen die Ukraine und seine eigene Zukunft

Foto: Imago Images

Das Ergebnis der Abschluss­dis­kussion unseres Projekts über die ökolo­gische Moder­ni­sierung Russlands war eindeutig. Für jegliche Zusam­men­arbeit mit Russland müssen drei Bedin­gungen erfüllt sein: Der Krieg muss beendet, die Ukraine frei und Putin weg sein. Weitere Ergeb­nisse der Diskussion fasst Lukas Daubner zusammen.

Die hochak­tuelle Diskussion über den russi­schen Angriffs­krieg gegen die Ukraine und das künftige Verhältnis zu Russland bildete am 15. Dezember 2022 den Schluss­punkt des 2020 initi­ierten Projekts zur ökolo­gi­schen Moder­ni­sierung Russlands. Dessen Ziel war, Poten­tiale und Wege einer ökolo­gi­schen Moder­ni­sierung Russlands aufzu­zeigen. Damals gab es noch Hoffnung, dass sich Russland für eine ökolo­gische Moder­ni­sierung öffnet. Mit dem 24. Februar 2022 haben sich die Prämissen dieses Projekts funda­mental verändert und Strategien einer ökolo­gi­schen Moder­ni­sierung Russlands zumindest einst­weilen den Boden entzogen.

Der Westen hat Russland unterschätzt

Olivia Lazard von Carnegie Europe betonte, dass der Westen Russlands Einfluss in vielen afrika­ni­schen sowie asiati­schen Ländern unter­schätzt hat. Hier befeuere Moskau syste­ma­tisch anti-westliche Narrative. Hinzu komme der skrupellose Einsatz von Lebens­mitteln als Waffe. Durch Falsch­in­for­ma­tionen glauben viele Menschen in afrika­ni­schen Ländern, dass Inflation und hohe Lebens­mit­tel­preise eine direkte Folge der westlichen Sanktionen gegen Russland sei – und nicht vom Angriff Russlands auf die Ukraine ausgelöst wurden.

Als Konse­quenz müssten die EU und der Westen ihre Rolle in der Welt überdenken. Nora Löhle vom Referat „Klima und Sicherheit“ im Auswär­tigen Amt unter­strich, dass das auch die Art sowie die Pflege von Partner­schaften betrifft. Der Ansatz der Bundes­re­gierung, langfristige Energie- und Klima­part­ner­schaften anzustreben, sei sinnvoll. Aller­dings wiege das koloniale Erbe schwer und der Westen müsse seine Hybris – etwa was Gasein­käufe in Afrika betrifft – reflek­tieren. Darüber hinaus sei wichtig, dass bei Koope­ra­tionen nicht nur die Eliten, sondern auch die Zivil­ge­sell­schaft mit in den Blick genommen werden.

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Mehr Infor­ma­tionen

Partner­schaften stärken und eigene Schwächen reflektieren

LibMod-Geschäfts­führer Ralf Fücks betonte, dass der Westen – und hier vor allem auch Deutschland – bereit sein müsse, sich global stärker zu engagieren. Neben dem Aus- und Aufbau strate­gi­scher Partner­schaften und entspre­chender militä­ri­scher Kapazi­täten betreffe das auch die Art und Weise, wie wir unsere Wirtschaft aufstellen. Länder des globalen Südens würden sich einer klima­neu­tralen Trans­for­mation nur anschließen, wenn sie andernorts erfolg­reich verlaufe. Ein schrump­fendes Europa, wie es von Befür­wortern von Postwachstums-Konzepten propa­giert wird, sei kein verlo­ckendes Beispiel für diese Länder.

Zugleich müssten Schwächen im eigenen System angesprochen und Lösungen dafür gefunden werden, da autokra­tische Herrscher wie Putin solche Schwächen des Westens gezielt ausnutzen. Westliche Überheb­lichkeit und Doppel­moral gegenüber Entwick­lungs- und Schwel­len­ländern sei dabei nicht hilfreich. Konkret seien Doppel­stan­dards, etwa beim Einkauf fossiler Rohstoffe in Afrika, zuletzt bei der COP27 thema­ti­siert worden, wie die Umwelt­jour­na­listin Angelina Davydova bemerkte.

Die Folgen der Sanktionen gegen Russland

Die zwischen­zeit­liche Bilanz der westlichen Sanktionen für die russische Wirtschaft fällt insgesamt durch­wachsen aus. Hoffnungen auf einen direkten Einfluss auf Kampf­kraft und Moral haben sich nicht bewahr­heitet. Yana Zabanova vom Institut für trans­for­mative Nachhal­tig­keits­for­schung führte aus, dass die Sanktionen insbe­sondere von den hohen Weltmarkt­preisen für Öl und Gas ausge­bremst würden. Aller­dings werde der Verlust von Arbeits­kräften durch die Mobili­sierung und die resul­tie­rende Abwan­derung vieler gut ausge­bil­deter Russinnen und Russen sowie der fehlende Zugang zu westlichen Techno­logien der russi­schen Wirtschaft mittel­fristig große Probleme bereiten. Der Export fossiler Rohstoffe nach Asien könne zwar das wegge­bro­chene Europa­ge­schäft teilweise kompen­sieren, aber nicht vollständig ersetzen. Das liege auch an den hohen Abschlägen, die Russland etwa Indien und China gewähren müsse.

Zwar könne Russland einige Techno­logien oder Ersatz­teile über Umwege Impor­tieren – etwa über Belarus oder die Türkei, aber dieser Weg sei umständlich und teuer. Langfristig werde Russland daher von zentralen Zukunfts­tech­no­logien abgeschnitten sein. Der damit einher­ge­hende wirtschaft­liche Niedergang habe auch zur Folge, dass die Treib­haus­gas­emis­sionen sinken. Eine nachhaltige Senkung sei das aber nicht, zumal auch deutliche Einbußen bei der Lebens­qua­lität vieler Russinnen und Russen zu erwarten seien.

Drei Bedin­gungen für eine Wieder­auf­nahme der Zusammenarbeit

Für den Russland­ex­perten Jens Siegert müssen für eine irgendwie geartete Wieder­auf­nahme von Zusam­men­arbeit mit Russland folgende Bedin­gungen gelten:

  • Der Krieg muss zu Ende sein.
  • Die Ukraine muss frei sein.
  • Putin muss weg sein.

Zugleich dürfe nicht vergessen werden, dass es seitens der EU und insbe­sondere Deutsch­lands weiterhin Koope­ra­tionen mit Russland gibt, allen voran der Import von Öl und Gas, wie der russische Klima­ak­tivist Arschak Makitschjan mahnte. Diese über Jahrzehnte aufge­baute Verbindung seien teilweise gekappt. Trotz Warnungen der russi­schen Zivil­ge­sell­schaft seien Koope­ra­tionen etwa durch die Gas-Pipeline Nord Stream II vertieft worden.

Klima­po­li­tisch war Russland schon immer ein schwie­riger Partner. Jetzt ist Russland ein Gegner der EU und der liberalen Demokratie. Der einzig verbliebene Raum, wo Debatten und Austausch zu Themen wie Klima weiterhin möglich und sinnhaft sind, sind die Vereinten Nationen. Eine bilaterale Zusam­men­arbeit ist undenkbar, solange die drei genannten Bedin­gungen nicht erfüllt sind. So sieht es auch die deutsche Wirtschaft, wie Michael Harms vom Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft betonte.

Punktuell ist der Austausch mit den wenigen verblie­benen und nicht inhaf­tierten russi­schen Opposi­tio­nellen wichtig. Die opposi­tio­nellen Kräfte im Exil dürfen nicht sich selbst überlassen werden. Einig waren sich alle Panel­listen, dass Kriegs­geg­ne­rinnen und Aktivisten die Unter­stützung Europas verdient haben. Etwa sollte die Visavergabe möglichst einfach sein. Aber: Aus dem Exil heraus ist der Einfluss auf das, was in Russland geschieht, klein. Siegert unter­streicht: Was in Russland passiert, wird in Russland entschieden.

Ein Sieg der Ukraine hat den größten Einfluss auf Russland

Da die russische Bevöl­kerung jahrelang ideolo­gisch auf einen Konflikt mit dem Westen vorbe­reitet worden ist und mehrheitlich das Narrativ eines aggres­siven Westens teilt, gegen den sich Russland vertei­digen müsse, ist aktuell kein aktiver Wider­stand gegen den Krieg und Putin zu erwarten.

Der Westen kann vor allem Einfluss auf die Zukunft Russlands ausüben, indem er die Ukraine dazu befähigt, den Krieg zu gewinnen. In diesem Fall ist die Abkehr vom tiefver­an­kerten imperialen Denken vorstellbar. Erst dann wäre eine demokra­tische Entwicklung Russlands denkbar, wie Ralf Fücks zum Abschluss hervorhob.

 

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