Europäische Antworten im Systemkonflikt

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Die grüne, digitale und soziale Trans­for­mation muss auch den inneren Zusam­menhalt der Gesell­schaft und die Rolle Europas in der Welt stärken, schreibt Daniela Schwarzer im Sammelband „Libera­lismus neu denken“.

Wir haben Daniela Schwarzer gebeten, eine Kernaussage ihres Beitrags zu erläutern: „Der System­kon­flikt und die zuneh­mende Spaltung der Welt und der Weltwirt­schaft in Demokratien auf der einen und autoritäre Regimes auf der anderen Seite sind ein weiteres starkes Argument dafür, die EU als Gemein­schaft zu stärken, damit sie die Inter­essen ihrer Bürge­rinnen und Bürger besser schützt.“ 

„Liberale Demokratien vs. totalitäre Autokratien: Europäische Antworten im Systemkonflikt“

Daniela Schwarzer

Der Krieg Vladimir Putins erschüttert seit dem 24. Februar 2022 nicht nur die Ukraine, er erschüttert Europa und die Welt. Ihm fallen Tausende von Zivilisten zum Opfer, er schlägt Millionen in die Flucht. Es ist ein Krieg gegen Engagement und Fortschritt in einem demokra­ti­schen Staat, der sich der westlich-liberalen Welt zugewandt hat.

Russlands Präsident versucht, dieses Land als souve­ränen Staat mit Recht auf Selbst­be­stimmung, auf Vertei­digung und auf die Unver­letz­lichkeit seines Terri­to­riums auszu­lö­schen, begründet durch einen ethno-natio­na­lis­ti­schen Identi­täts­diskurs, der die Ukraine und Belarus als Teil Russlands sieht. Für Vladimir Putin ist die Existenz dieser funktio­nie­renden Demokratie, mit all den Schwächen, die das System noch hat, ein Problem. Im Inneren Russlands nämlich, wo er sich an die Macht klammert und es in einer gleich­ge­schal­teten Öffent­lichkeit nur noch seine Wahrheit geben darf. Alter­native Sicht­weisen, Meinungs­vielfalt und Debatten haben längst keinen Platz in einem mittler­weile totali­tären System, das neben der Putin­schen keine alter­na­tiven Öffent­lich­keiten zulässt.

Der Krieg in der Ukraine reicht in seiner Bedeutung weit über das Land hinaus. Es geht um Frieden und Demokratie auf dem europäi­schen Kontinent. Es ist ein Angriff auf Europa als Teil einer inter­na­tio­nalen Ordnung, die nationale Souve­rä­nität und Grenzen respek­tiert ebenso wie multi­la­terale Insti­tu­tionen und in der Krieg kein politisch legitimes Mittel ist. Insofern verteidigt die Ukraine zutiefst europäische Werte und Ordnungs­vor­stel­lungen – und in dem Maße, in dem der politische Westen nicht schnell und entschieden mit dafür kämpft, gefährdet er nicht nur die Ukraine, sondern Europa und die regel­ba­sierte inter­na­tionale Ordnung.

Der System­kon­flikt ist vielschichtig

Russlands Krieg in der Ukraine kann auch als die jüngste und brutalste Form eines immer schärfer werdenden System­kon­flikts zwischen liberalen Demokratien und autori­tären Regimes gesehen werden. So ist auch Chinas vorder­gründig neutrale Haltung gegenüber dem Konflikt zu bewerten.

Seit Jahren zeigt sich dieser System­kon­flikt in weniger auffäl­ligen, aber auch folgen­reichen Formen der politi­schen Ausein­an­der­setzung. So spielt er sich zwischen liberal-demokra­ti­schen und autori­tären Positionen im Ringen um die Zukunft unserer inter­na­tio­nalen Ordnung ab, die nach dem Zweiten Weltkrieg maßgeblich von den USA geschaffen wurde und lange Zeit weitgehend westlichen Ordnungs­vor­stel­lungen entsprach. China versucht seit Jahren, durch Geld- und Perso­nal­po­litik, durch politische Einfluss­nahme auf Entschei­dungen, durch die Blockade derselben oder auch durch die Schaffung von alter­na­tiven Regio­nal­or­ga­ni­sa­tionen wie der Asian Infra­structure Invest­mentbank (AIIB), die inter­na­tionale Ordnung von ihren lange als universal geltenden Normen und Prinzipien wie inter­na­tio­nales Recht und Menschen­rechte abzukehren.

Darüber hinaus zeigt sich der Konflikt zwischen liberalen Demokratien und autori­tären Regimes an gezielten Inter­ven­tionen in anderen Staaten. Mit Desin­for­ma­ti­ons­kam­pagnen, Cyber­an­griffen, wirtschaft­lichem Druck und anderen Formen der hybriden Kriegs­führung versuchen China und Russland, aber auch andere Mitspieler wie die Türkei oder der Iran, in westlichen Staaten zu inter­ve­nieren. Im Gegenzug wird auch die Tätigkeit westlicher nicht-staat­licher Organi­sa­tionen, Stiftungen und anderer Akteure als Ausprägung des System­kon­flikts gewertet, sodass China oder Russland diese als »auslän­dische Agenten« aus den Ländern verbannen oder ihren Mitar­bei­te­rinnen und Mitar­beitern keine Einrei­se­er­laubnis mehr gewähren. In der Folge dünnen die Bezie­hungen zwischen Staaten, die in syste­mi­scher Konkurrenz zuein­an­der­stehen, immer weiter aus. Da der gesell­schaft­liche, wissen­schaft­liche und kultu­relle Austausch um ein Vielfaches schwie­riger geworden ist, bestehen oftmals nur noch Regie­rungs­be­zie­hungen und Unter­neh­mens­kon­takte, hinter denen auf Seiten der autori­tären Regimes aller­dings auch in erster oder zweiter Reihe der Staat steht.

Liberale Demokratien werden nicht mehr als alter­na­tivlos angesehen

Eine dritte Dimension des System­kon­flikts hat durch die COVID-19-Pandemie an beson­derer Bedeutung gewonnen: Die Performanz der jewei­ligen Systeme in der Bekämpfung des Virus und seiner umfas­senden Folgen für Wirtschaft und Gesell­schaft gewann Aufmerk­samkeit. Diskus­sionen darüber, dass autoritäre Regimes (wenn auch nur scheinbar) erfolg­reicher in der Pande­mie­be­kämpfung waren, haben auch im politi­schen Westen Kritiker geweckt, die die Handlungs­fä­higkeit der Demokratien anzweifeln. Immer wieder hört man, nur streng hierar­chische Systeme mit Durch­griffs­kraft seien in der Lage, Pandemien effektiv zu beenden. Auch in Bezug auf die Bekämpfung des Klima­wandels und seiner Folgen werden Stimmen laut, die demokra­tische Entschei­dungs­pro­zesse für zu langwierig, unfokus­siert und zu durch­griffs­schwach halten. Das liberale Credo, dass Demokratien am besten in der Lage sind, Krisen durch kreative Lösungen und Innova­tionen zu überwinden und in ihnen zusammen zu halten, wird damit in Frage gestellt.

Somit ist die Lage 2022 deutlich anders als 1989, als mit dem Kalten Krieg der System­wett­bewerb zwischen Sozia­lismus und Kapita­lismus zusam­men­brach: Es gibt heute Beispiele für politische Systeme, die grund­legend anders und trotzdem erfolg­reich sind. Liberale Demokratien und ihre einst als universell angenommene Werte­basis werden nicht mehr als alter­na­tivlos gesehen.

Demokra­tische Systeme – und auch die Europäische Union als supra­na­tionale Gemein­schaft mit 27 Mitgliedern – müssen sich neu begründen und an ihrer Leistungs­kraft arbeiten. Denn angesichts ihrer inneren und äußeren Offenheit werden sie durch trans­na­tionale Bedro­hungen und neue Formen der Ausein­an­der­setzung inklusive externer Inter­ven­tionen durch Mittel hybrider Kriegs­führung besonders leicht geschwächt.

Antworten auf neue Herausforderungen

Die Betrach­tungs­weise, dass politische Systeme für den Erhalt ihrer Legiti­mität »liefern müssen«, richtet den Fokus auf die Frage, an welchen Heraus­for­de­rungen sich unsere liberalen Demokratien in Zukunft messen lassen müssen, wenn der Prozess und die Betei­li­gungs­mög­lich­keiten nicht selbst ausrei­chend Legiti­mität garan­tieren. Die Liste der Themen ist lang zu Beginn der 2020er Jahre, denn Heraus­for­de­rungen in Inneren unserer politi­schen Systeme, unserer Gesell­schaften und unserer Wirtschafts­mo­delle fließen zusammen mit globalen, trans­na­tio­nalen Risiken und Aufgaben ungekannten Ausmaßes. So müssen liberale Demokratien Antworten auf den Klima­wandel und seine Folgen finden, die digitale Revolution gestalten, zuneh­mende trans­na­tionale Migration und die wachsenden Ungleich­heiten in unseren Gesell­schaften finden.

Nicht nur Russlands Krieg in Europa, der Aufstieg des techno­lo­gie­ba­sierten autori­tären Chinas, das weltweit Autokraten und solche, die es werden wollen, unter­stützt, die Neuaus­richtung der USA auf Asien und der relative Gewichts­verlust der EU in wirtschaft­licher, vertei­di­gungs­po­li­ti­scher und demogra­fi­scher Hinsicht verändern die Art und Weise, wie die Europäer inter­na­tionale Chancen und Bedro­hungen wahrnehmen. Ihre Aufmerk­samkeit richtet sich zunehmend darauf, wie sie in einer krisen­ge­prägten, konflikt­rei­cheren Welt gemeinsam Handlungs­fä­higkeit entwi­ckeln können. Gerade bei so tief integrierten Staaten, wie dies in der EU Realität ist, muss die Trennung zwischen inneren und äußeren Heraus­for­de­rungen als überholt angesehen werden.

Es geht heute nicht mehr nur darum, Bedro­hungen zu antizi­pieren und abzuwehren. Da wir um unsere Verwund­barkeit wissen, muss es das Ziel sein, die Wider­stands­fä­higkeit von Infra­struktur, Wirtschaft und Gesell­schaft zu erhöhen, d. h. dafür zu sorgen, dass sich ein System, eine Organi­sation oder auch einzelne Menschen möglichst schnell von Schocks erholen und zu einem funktio­nie­renden Zustand zurück­kehren, statt zu kolla­bieren. Ungewissheit ist zur Norm geworden; mit Störungen und Katastrophen muss gerechnet werden. Insbe­sondere Cyber­an­griffe können massive Auswir­kungen auf die Sicherheit der Bevöl­kerung und die Funkti­ons­fä­higkeit ziviler Infra­struktur haben.

Die Debatten über die Frage, wie in einer zunehmend von Unsicherheit geprägten Welt eine Erneuerung des Libera­lismus möglich ist, beschränken sich häufig auf den natio­nalen Raum. Die EU gehört mit hinein – und dies nicht als Problem, sondern als möglicher Lösungsraum.

Europa als liberales Projekt 

Die Europäische Union und ihre Mitglied­staaten bauen seit ihrer Gründung auf liberalen Prinzipien auf: Der Libera­lismus hat Demokratie und Rechts­staat­lichkeit, Freihandel und eine aktive Zivil­ge­sell­schaft gefördert. Sein Kern ist das Postulat der gleichen Freiheit für alle, die normative Idee der Menschen­rechte und eine inter­na­tionale Rechts­ordnung. Kurz gesagt, der Libera­lismus hat die Demokratie, wie wir sie heute kennen, hervor­ge­bracht. Er ist so tief einge­drungen, dass wir in der EU lange die Begriffe »liberale Demokratie« und »Demokratie« fast synonym verwendet haben.

Dieses gemeinsame Werte­ver­ständnis ist durch den Lissa­boner Vertrag in der Union fest verankert: Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschen­würde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Recht­staat­lichkeit und die Wahrung der Menschen­rechte, einschließlich der Rechte der Personen, die Minder­heiten angehören. Diese Werte sind der Gesell­schaft gemeinsam, die sich durch Plura­lismus, Nicht­dis­kri­mi­nierung, Toleranz, Gerech­tigkeit, Solida­rität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.

Ebenso wie in der freiheit­lichen politi­schen Verfassung ist Libera­lismus fester Bestandteil der europäi­schen Markt­wirt­schaft als ökono­mi­sches Fundament der offenen Gesell­schaft. Die Europäische Union hat sich in beson­derer Weise liberaler Offenheit verschrieben: sie basiert auf Markt­in­te­gration, die nicht nur Wohlstand sichern soll, sondern zudem Freizü­gigkeit der Waren, Dienst­leis­tungen, Arbeits­kräfte und des Kapitals.

Die Gefährdung des europäi­schen Liberalismus

Heute ist der Libera­lismus, verstanden als eine breite, überpar­tei­liche Strömung des politi­schen Denkens, auch in der Europäi­schen Union in der Defensive. Besonders besorg­nis­er­regend ist die Rückent­wicklung von natio­nalen Demokratien. Der Rechts­po­pulist Viktor Orbán hat seit 2010 die Gewal­ten­teilung, die Unabhän­gigkeit der Justiz sowie die Freiheit von Medien und Wissen­schaft so weit einge­schränkt, dass die Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sation Freedom House den ungari­schen Staat nicht mehr als Demokratie katego­ri­siert. Seit 2018 ist Ungarn ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags anhängig, das die Einhaltung demokra­ti­scher und rechts­staat­licher Prinzipien überprüft.

Auch gegen Polen läuft ein derar­tiges Verfahren. Besonders proble­ma­tisch ist eine Justiz­reform, durch die die regie­rende Partei politisch Einfluss auf die beiden wichtigsten Einheiten des Justiz­systems, Richter und Staats­an­wälte, nehmen kann und wieder­holte Missach­tungen von Urteilen des Europäi­schen Gerichts­hofes. Auch Polen wird von Freedom House nicht mehr als funkti­ons­fähige Demokratie gesehen. Im Demokratie-Index V‑Dem rangiert es auf Platz 80, noch unter Kosovo, Kolumbien und Georgien. Ungarn steht mit Platz 91 noch schlechter da.

Von außen werden diese Entwick­lungen verstärkt. Der syste­mische Wettbewerb zwischen autori­tären Regimes und Demokratien reicht mittler­weile tief in die EU hinein. Durch gezielte Desin­for­mation und die Förderung demokra­tie­feind­licher Kräfte unter­graben etwa Russland und China die Stabi­lität unserer Systeme. Cyber­an­griffe und Datenklau werden strate­gisch vor Wahlen einge­setzt, um die Ergeb­nisse zu beein­flussen. Chinas langfristige Inves­ti­tionen in Einfluss­nahme, etwa über die Finan­zierung von univer­si­tären Lehrstühlen, Think-Tanks und NGOs in Europa werden zurecht zunehmend nachverfolgt.

Europäer sind jedoch bei weiten nicht nur passive Opfer undemo­kra­ti­scher Kräfte. Politi­ke­rinnen und Politiker und Parteien suchen gezielt die Zusam­men­arbeit. China wurde für viele Regie­rungen – oft mangels europäi­scher Alter­na­tiven – zum wichtigen Investor. Dass damit politische Einfluss­nahme einher geht, hat nur in manchen Ländern die Heran­ge­hens­weise verändert. Der hohe Preis der aus wirtschaft­licher Sicht inter­es­santen Koope­ra­tionen zeigt sich an den mittler­weile offen gelegten Methoden, mit denen sich die Kommu­nis­tische Partei Chinas Unter­stützung erarbeitet. Besonders erschre­ckend war für viele Europäer die Erkenntnis, dass der von 2016 bis 2020 amtie­rende US-Präsident Donald Trump und sein Team zum Partner anti-demokra­ti­scher und anti-europäi­scher Kräfte in der EU wurde.

Demokratie und Rechts­staat­lichkeit sind funda­mentale Prinzipien der EU, die jedes Mitglied bei seinem Beitritt unter­zeichnet hat. In den ersten 50 Jahren der Integration war kaum vollstellbar, dass ein Staat sich so weit davon entfernt, dass Sankti­ons­me­cha­nismen nötig sind, um ihre Einhaltung sicher zu stellen. Dass nationale Regie­rungen und auch die EU-Insti­tu­tionen zu der Unter­grabung dieser Prinzipien so lange geschwiegen haben, war ein großer Fehler. Denn die Antwort auf den Rückbau von Demokratie und Recht­staat­lichkeit muss auch eine politische sein. Mit Artikel 7 des EU-Vertrags und der Kondi­tio­na­lität der Finan­zierung durch EU-Mittel verfügt die EU mittler­weile über zwei Mecha­nismen zur Vertei­digung der Rechts­staat­lichkeit. Sie müssen konse­quent mit voller politi­scher Unter­stützung der Regie­rungen angewendet werden. Zudem muss mittler­weile leider auch in der EU darauf geachtet werden, dass nationale und regionale Wahlen ordnungs­gemäß durch­führt werden. Neben der Organi­sation für Sicherheit und Zusam­men­arbeit in Europa (OSZE) können hierbei zivil­ge­sell­schaft­liche Gruppen eine wichtige Rolle spielen.

Eine europäische Zukunftsagenda

Um die Grund­werte der Europäi­schen Union und die Demokratien, die sich in ihr zusam­men­ge­schlossen haben, zu schützen, muss die Union intern so weit wie möglich zusam­men­ge­führt, moder­ni­siert und gestärkt werden, denn nur größere Resilienz, Wettbe­werbs- und Handlungs­fä­higkeit können sicher­stellen, dass wir uns als Demokratien mit offenen Gesell­schaften im zuneh­menden System­kon­flikt behaupten können.

Als ganz eigener Zusam­men­schluss westlich-liberaler Demokratien, der es über sechs Jahrzehnte geschafft hat, Frieden, Freiheit und Wohlstand zu sichern, und eine erfolg­reiche integrierte Wirtschaft hat, die heute der wichtigste Export­markt für die USA, Russland oder China ist, kann und muss die EU ihre inter­na­tionale Rolle ausbauen. Gemeinsam mit gleich­ge­sinnten Partnern in der Welt, die unsere Werte teilen, sollten die Europäer eine Zukunfts­agenda definieren, um illibe­ralen und autori­tären Kräften entge­gen­zu­wirken. Für die EU sollte es dabei das Ziel sein, Frieden, Wohlstand, Demokratie und selbst­be­stimmten Handel zu schützen, kurz: unser westliches liberales Lebensmodell.

Die EU war die meiste Zeit des letzten Jahrzehnts im Krisen­be­kämp­fungs­modus und hat die globale Finanz­krise, die Eurokrise und die Flücht­lings­krise in den Jahren vor der globalen Pandemie überstanden. Die COVID-19-Pandemie hat die Europäische Union erschüttert, aber auch ein noch nie dagewe­senes Maß an Zusam­men­arbeit und – was vielleicht am wichtigsten ist – eine neue Art des gemein­samen Handelns ausgelöst. Auch auf Putins Krieg in der Ukraine hat die EU geeint reagiert.

Der Krieg auf unserem Kontinent, der Zerfall der europäi­schen Sicher­heits­ordnung und die Vertiefung des System­kon­flikts, stellt Europa vor neue, gemeinsame Aufgaben, die noch einmal deutlicher machen, was bereits die Finanz­krise oder auch die Pandemie gezeigt hatten: angesichts der neuen und multiplen Heraus­for­de­rungen gewinnt die europäische Zusam­men­arbeit eine neue Bedeutung.

Immer deutlicher wird, dass die EU öffent­liche Güter bereit­stellen muss, die die Mitglied­staaten allein nicht mehr leisten können – im Bereich der Sicherheit ebenso wie im Bereich der Wohlfahrt. Der System­kon­flikt und die zuneh­mende Spaltung der Welt und der Weltwirt­schaft in Demokratien auf der einen und autori­tären Regimes auf der anderen Seite sind ein weiteres starkes Argument dafür, die EU als Gemein­schaft zu stärken, damit sie die Inter­essen ihrer Bürge­rinnen und Bürger besser schützt. Dafür aller­dings müssen ihre Entschei­dungs­me­cha­nismen auf den Prüfstand gestellt werden: eine stärkere Demokra­ti­sierung, und ein neues Verständnis davon, was es heißt, EU-Bürgerin und Bürger zu sein, gehören dazu. Dabei müssen die Europäe­rinnen und Europäer auch eine zentrale Schwäche bearbeiten: Anders als etwa China oder Russland hat die Europäische Union keine starke und positive Zukunfts­vision für sich selbst, sondern definiert sich gerade im System­kon­flikt vor allem aus der Defensive heraus. Das kann und muss sie aber leisten, um die vor ihr liegenden Reform­auf­gaben zu bewäl­tigen: Es geht um einen dreifachen Wandel, nämlich die grüne, digitale und soziale Trans­for­mation, die einher­gehen muss mit einer Politik, die den inneren Zusam­menhalt verbessert, einer Stärkung von Europas Rolle in der Welt – und, um all dies zu leisten, um eine zweck­mä­ßigere Gestaltung der Gover­nance der Gemeinschaft.

„Libera­lismus neu denken“ – Autorinnen und Autoren erläutern ihre Kernaussagen

In dieser Reihe veröf­fent­licht LibMod  in regel­mä­ßiger Folge ausge­wählte Beiträge des Sammel­bandes „Libera­limus neu denken“. Den Anfang macht Daniela Schwarzer mit ihrem unten stehenden Beitrag „Liberale Demokratien vs. totalitäre Autokratien: Europäische Antworten im Systemkonflikt“.

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