Warum es falsch ist, die Produktion von deutschen Batteriezellen zu fördern
Elektromobilität gilt als Technologie der Zukunft – und hängt ganz entscheidend von Batteriezellen ab. Wirtschaftsminister Peter Altmaier will nun die Produktion von deutschen Batterien mit viel Geld fördern. Besser wäre es, Anreize zu setzen, die nicht vom Glauben getrieben sind, die Zukunft zu kennen.
Im vergangenen November stellte Wirtschaftsminister Peter Altmaier eine Förderung für die Produktion von Batteriezellen in Deutschland in Aussicht. Dabei geht es um einen Betrag von einer Milliarde Euro, der bis Ende 2021 bereitgestellt werden soll. Es sollen mehrere Standorte gefördert werden und es wird erwartet, dass sich verschiedene Konsortien von Unternehmen um die Mittel bewerben. Zu diesen Konsortien können Autohersteller gehören, in der Presse war aber auch von Interesse etwa der BASF oder von Varta die Rede. In einer im Dezember 2018 veröffentlichten gemeinsamen Erklärung Peter Altmaiers mit dem Wirtschaftsminister Frankreichs wird außerdem festgehalten, dass beide Regierungen gemeinsam die Bildung von Konsortien anstoßen und begleiten wollen.
Mit diesem Vorhaben kommt es zu einer Renaissance der diskretionären, strategischen Industriepolitik, die in der ordnungspolitischen Tradition der Bundesrepublik eigentlich meist eine eher untergeordnete Rolle spielte. Beim ordnungspolitischen Ansatz ging es vor allem darum, den Wettbewerb zwischen Unternehmen zu sichern, da man aus guten Gründen davon ausging, dass eine hohe Wettbewerbsintensität Anreize setzt, um sowohl in Innovationen zu investieren als auch das Angebot an den Präferenzen der Konsumenten auszurichten. Wirtschaftspolitik setzt dann idealerweise allgemeine Rahmenbedingungen, interveniert aber nicht in den Marktprozess selbst.
Bezüglich der Innovationsfreude der Autoindustrie kamen der Politik aber nun offenbar Zweifel. Sie schaut über den Atlantik und sieht mit Tesla ein Unternehmen, das eine Art Leuchtturm für Elektromobilität zu sein scheint. Dass Tesla vor allem sehr viel Geld verbrennt und bisher nur ganz selten einmal ein Quartal mit einem kleinen Gewinn abschloss, wird dabei wenig beachtet – die Politik sieht vor allem die durchaus schönen und schnellen Autos. Und sie sieht, dass im Angebot der deutschen Hersteller Elektrofahrzeuge bisher nur eine geringe Rolle zu spielen scheinen. Natürlich gibt es deutsche Elektroautos, und darunter sind auch Modelle, die sicher nicht weniger spektakulär sind als Teslas Sportwagen. Aber der Anteil an den verkauften Fahrzeugen ist immer noch extrem gering.
Dass die Zukunft der E‑Mobilität gehört, ist alles andere als klar
Was manchen Beobachtern als Innovationsdefizit erscheint, könnte von anderen als durchaus vernünftige, abwartende Haltung interpretiert werden. Ob die Zukunft tatsächlich der Elektromobilität gehören wird, ist nämlich alles andere als klar. So entwickeln beispielsweise Toyota und Mercedes weiterhin die Brennstoffzelle und bieten diese bereits in Serienmodellen auch in Deutschland an. Fahrzeuge mit einem solchen Wasserstoffantrieb sind genauso emissionsfrei wie es Elektromobile sind, aus einer klimapolitischen Perspektive also ebenso eine denkbare Lösung. Nicht zuletzt gibt es auch Ingenieure, die in synthetischen Kraftstoffen eine Chance sehen, den Verbrennungsmotor auf eine klimaschonende, emissionsarme Weise zu betreiben und ihn so in die Zukunft zu retten.
Aber selbst wenn man von der Elektromobilität als Technologie der Zukunft überzeugt ist, gibt es noch Unsicherheiten. Einige Autohersteller versuchen bereits, Feststoffbatterien zur Großserienreife zu bringen. Da diese neuen Batterien mit einigen Vorteilen verbunden sind, wie etwa deutlich geringeren Ladezeiten, könnten sie die aktuelle Generation von Batterien relativ schnell vom Markt verdrängen. Die milliardenschwere staatliche Förderung von großen Produktionsanlagen für Batterien der aktuellen Technologie würde sich dann rasch als Milliardengrab erweisen.
Es besteht in der aktuellen Situation für eine aktive Industriepolitik also die Gefahr einer Anmaßung von Wissen, wie es der Ökonom Friedrich von Hayek einmal genannt hat. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Milliarde in einer Technologie versenkt wird, die sich letztendlich nicht durchsetzt, ist nicht gering. Deutsche Autohersteller produzieren vor allem für das höherpreisige Marktsegment, da dort auch mit dem deutschen Lohnkostenniveau noch einträgliche Renditen zu erzielen sind. In diesem Marktsegment ist man aber besonders auf Produktinnovationen angewiesen, um die Kundschaft mit Technologievorsprüngen für teurere Autos zu begeistern. Wenn diese innovationsfreudigen Hersteller nur mit staatlichen Subventionen dazu gebracht werden können, Batteriefabriken zu betreiben, dann sollte das misstrauisch machen.
Es wäre besser, eine „Anmaßung von Wissen“ zu vermeiden
Hinzu kommen weitere Einwände. Wir wissen bisher noch nicht, wie sich die Konsortien zusammensetzen werden. Wenn sich Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette zusammenfinden, also beispielsweise ein Autohersteller mit einem Batteriespezialisten kooperiert, ist dies wettbewerbspolitisch noch relativ unproblematisch. Wenn dagegen mehrere Autoproduzenten gemeinsam den gleichen Batteriezulieferer betreiben, ist die Gefahr schon größer, dass eine enge Kooperation zwischen Unternehmen erleichtert wird, die eigentlich Konkurrenten sein sollten. Wenn es ganz ungünstig läuft, steht am Ende dieses industriepolitischen Experiments eine geringere Innovationsdynamik, weil der Wettbewerb geschwächt wird.
Auch die hohen Lohnkosten in Deutschland können ein Problem sein. Diese lassen sich nur durch hohe Produktivität rechtfertigen, oder durch Technologievorsprünge bei den Produkten. Bei einer Batteriefabrik für die ältere, bereits etablierte Batterietechnologie fällt der letztere Hebel wohl weg. Was spricht also dagegen, die Batterien bei Zulieferern aus dem Ausland preiswert zu kaufen und auf internationale Arbeitsteilung zu setzen? Aus streng ökonomischer Sicht erst einmal nichts. Die Politik befürchtet aber natürlich Arbeitsplatzverluste, die mit einem Strukturwandel in der Automobilindustrie verbunden sein könnten.
Tatsächlich sind von der Elektromobilität viele hoch qualifizierte Arbeitsplätze bedroht, da viele Teile, die heute noch in Deutschland produziert werden, nicht mehr gebraucht werden. Man denke etwa an qualitativ hochwertige Getriebe. Wenn man aber eine Batteriefabrik baut, in der Akkus produziert werden, die in ähnlicher Qualität auch in China und anderen Ländern hergestellt werden könnten, dann wird man vermutlich nur wettbewerbsfähig werden, wenn diese Fabrik wenig arbeitsintensiv produziert. Dann aber würde der von der Politik erwünschte große Arbeitsplatzeffekt nicht eintreten. Die heimische Batterieproduktion könnte nicht als arbeitsmarktpolitische Antwort auf den Strukturwandel in der Automobilindustrie herhalten.
Nun kann man erfahrungsgemäß erwarten, dass die Politik in einem solchen Fall nicht einfach resignieren und den Dingen ihren Lauf lassen wird. Möglicherweise wird man, um doch noch einen ordentlichen Arbeitsplatzeffekt zu erreichen, nach Wegen zur dauerhaften Subventionierung suchen. Das ist zwar im Rahmen des EU-Beihilfenrechts eigentlich nur schwer möglich, aber nicht unmöglich – vor allem, wenn man schon einmal Frankreich im Boot hat. Vielleicht wird man es auch mit regulatorischen, nicht-tarifären Handelshemmnissen für Batterien versuchen, die außerhalb der EU produziert werden. Der rhetorische Boden dafür ist schon bereitet, wenn das Wirtschaftsministerium etwas unbestimmt verkündet, die Batterieproduktion für heimische Autos müsse fair und nachhaltig sein.
Zwar ist klar, dass schon aus klimapolitischen Gründen den Verbrennungsmotoren in ihrer aktuellen Form nicht die Zukunft gehören kann. Aber die vom Bundeswirtschaftsministerium nun eingeschlagenen industriepolitischen Pfade sind dennoch ein Irrweg. Sinnvoller wäre es, die Anmaßung von Wissen zu vermeiden und technologieneutrale Anreize zu schaffen, klimafreundlichere Antriebe zu erforschen. Einen solchen Anreiz schafft beispielsweise ein CO2-Preis mit einem absehbaren, spürbaren Anstieg in der näheren Zukunft. Dann ist klar, dass die Produktion klimaschädlicher Emissionen bald teuer wird, aber es wird den Autoherstellern überlassen, jeweils die technologischen Alternativen zur Serienreife zu bringen, die sie für besonders vielversprechend halten. Bisher hat ein solcher offener Wettbewerb noch immer besser funktioniert als überhastete industriepolitische Eingriffe, die vom politischen Glauben getrieben sind, die Zukunft zu kennen.
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