Corona-Krise als Chance?
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenAus der Not keine Tugend machen. Die Pandemie taugt nicht als Weckruf für ein entschleunigtes Leben – und der Ausnahmezustand ist kein Modell für die Klimapolitik.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich schalte inzwischen sofort ab, wenn wieder jemand erzählt, dass der Coronavirus doch eine großartige Gelegenheit ist, aus dem Hamsterrad des Kapitalismus auszusteigen und ins Nirwana eines beschaulichen, entschleunigten Lebens einzutreten.
Nein, ich will wieder in meinen Betrieb mit meinen Kolleginnen, ich will zu meiner Tochter und ihrer Familie nach Israel fliegen, ich will wieder ins Stadion, ins Konzert und Freunde aus aller Welt treffen – kurz: ich will zurück ins pralle moderne Leben.
Diese Seuche ist weder die Strafe für unser sündhaftes Leben noch ein Aufruf, auf den Pfad eines tugendhaften, bescheidenen Lebens einzuschwenken.
Schon klar, dass wir ein paar Lehren aus dieser Erfahrung ziehen müssen. Covid19 erinnert uns daran, dass wir die biologische Welt nie ganz im Griff haben und bessere Vorsorge für künftige Krisen treffen müssen.
Seuchen sind die Begleiter der menschlichen Zivilisation seit ihren frühen Anfängen. Sie haben in früheren Zeiten noch viel verheerender gewütet – erst die Errungenschaften der modernen Medizin, bessere Hygiene und Aufklärung der Bevölkerung konnten das periodische Massensterben eindämmen.
Wenn diese Plage was Gutes hat, dann dass wir den Wert öffentlicher Institutionen wieder schätzen gelernt haben: ein leistungsfähiges Gesundheitssystem, Forschungsinstitute, Kindergärten, Schulen – und handlungsfähige, solide Regierungen.
Wir werden künftig auch die Produktion krisenrelevanter Güter – wie medizinische Schutzausrüstung – stärker nach Europa zurückholen, ohne das Kind mit dem Bad auszuschütten und aus der Globalisierung auszusteigen. Die ist besser als ihr Ruf.
Vor allem sollten wir uns hüten, aus der Not eine Tugend zu machen und den Ausnahmezustand der letzten Wochen zum Modell zu erklären. Was soll vorbildlich daran sein, elementare Grundrechte außer Kraft zu setzen, das öffentliche Leben lahmzulegen, uns zuhause einzusperren und die Grenzen dicht zu machen?
Besonders gefährlich – und irreführend – ist es, das Corona-Notstandsregime zum Modell für die Klimapolitik zu erheben nach dem Motto: jetzt seht ihr, was geht, wenn man nur will!
Einen solchen Ausnahmezustand akzeptieren die Bürger nur befristet, nicht dauerhaft. Der ökologische Umbau der Industriegesellschaft ist aber eine Aufgabe für Jahrzehnte – kein Sprint, sondern ein Marathonlauf.
Die Ausbreitung des Virus konnten wir durch die Stilllegung des gesellschaftlichen Lebens bremsen – den Klimawandel nicht. Änderungen in unserem Lebensstil sind gut und schön, aber eine Reduktion von Treibhausgasen gegen Null erreichen wir damit nicht. Das geht nur durch beschleunigte ökologische Innovation und massive Investitionen in die Erneuerung unseres Energiesystems, des Verkehrs und der Industrie, also durch mehr Dynamik statt Stillstand.
Es geht um nichts weniger als eine grüne industrielle Revolution, den großen Aufbruch in die ökologische Moderne. Unsere wichtigste Ressource ist die Kreativität einer offenen Gesellschaft. Darauf sollten wir bauen, statt mit einem ökologischen Notstandsregime zu flirten.
Hat Ihnen unser Beitrag gefallen? Dann spenden Sie doch einfach und bequem über unser Spendentool. Sie unterstützen damit die publizistische Arbeit von LibMod.
Wir sind als gemeinnützig anerkannt, entsprechend sind Spenden steuerlich absetzbar. Für eine Spendenbescheinigung (nötig bei einem Betrag über 200 EUR), senden Sie Ihre Adressdaten bitte an finanzen@libmod.de
Verwandte Themen
Newsletter bestellen
Mit dem LibMod-Newsletter erhalten Sie regelmäßig Neuigkeiten zu unseren Themen in Ihr Postfach.