Russland: Putin zemen­tiert seine Macht – und stärkt Chinas Masterplan

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Xi Jinping will die globalen Macht­dy­na­miken zu seinen eigenen Gunsten kippen. Dafür braucht er Russland als wichtigen Verbün­deten – die Partner­schaft hat jedoch Grenzen. Christina zur Nedden über das chine­sische Dilemma.

Die Nachricht von Wladimir Putins Sieg in der insze­nierten russi­schen Präsi­dent­schaftswahl hat nicht nur im Kreml, sondern auch in Peking für Feier­laune gesorgt. China war unter den ersten Staaten, die Russlands Macht­haber nach Bekanntgabe des Ergeb­nisses zur Wiederwahl gratu­lierten. Dabei betonte Außen­amts­sprecher Lin Jian die „langan­hal­tende Freund­schaft“ beider Länder und die Zusam­men­arbeit als „strate­gische Kooperationspartner“.

Auch beim Volks­kon­gress in Peking Anfang März hatte Chinas Außen­mi­nister Wang Yi warme Worte für Russland gefunden. Die Zusam­men­arbeit mit dem Nachbarn sei „für beide Seiten vorteilhaft“. Das zeige sich etwa darin, dass „russi­sches Erdgas Einzug in Tausende Haushalte in China erhalten habe“ und „chine­sische Auto auf russi­schen Straßen fahren“, sagte Wang bei einer Presse­kon­ferenz am Rande der Tagung.

Die öffent­lichen Lobreden machen unmiss­ver­ständlich deutlich, was sich hinter den Kulissen schon lange zeigt: Für Xis Ziel, die globalen Macht­dy­na­miken zu seinen eigenen Gunsten zu kippen, ist Russland ein wichtiger Verbün­deter. Nach dem russi­schen Überfall auf die Ukraine vor zwei Jahren stellte sich China zwar nicht offiziell auf Russlands Seite und hat sich immer wieder als „neutraler Vermittler“ zwischen Moskau und Kiew angeboten. Doch tatsächlich haben sich die Bezie­hungen zwischen den beiden Ländern seit Beginn des Krieges vertieft.

Chinas Draht­seilakt der letzten Jahre

Russland und China eint ein gemein­sames Feindbild: Ihre Ablehnung einer liberal-demokra­ti­schen Weltordnung. In den vergan­genen zehn Jahren trafen sich Putin und Xi 42-mal persönlich, zuletzt im Oktober 2023 in Peking. Dabei sagte Xi zu Putin, dass die Bezie­hungen nicht auf Zweck­mä­ßigkeit beruhten, sondern auf einer „langfris­tigen Verpflichtung“. China werde mit Russland zusam­men­ar­beiten, um den diplo­ma­ti­schen Bezie­hungen im Jahr 2024 „neue Dimen­sionen zu verleihen“.

Beim Gipfel der BRICS-Staaten in Johan­nesburg im August warben China und Russland gemeinsam mit anderen Mitgliedern für eine alter­native, „multi­polare“ Weltordnung jenseits westlicher Dominanz. Vor diesem Hinter­grund passt es ins Bild, dass China den russi­schen Einmarsch in die Ukraine vor zwei Jahren nicht verur­teilte und sich bei den Abstim­mungen der UN zu diesem Thema stets enthält.

Nur wenige Tage vor Russlands Überfall beteu­erten beide Länder ihre „grenzenlose Freund­schaft“. Peking setzte da noch auf einen schnellen Sieg Moskaus: Xis Überzeugung, dass „der Westen untergeht und der Osten aufsteigt“, sollte mit Putin an seiner Seite verwirk­licht werden. Der erhoffte Erfolg Russlands blieb jedoch aus. China war gezwungen, seine Position im Ukrai­ne­krieg anzupassen, um nicht selbst Ziel westlicher Sanktionen zu werden. Obwohl der Handel mit Russland florierte, beharrte Peking darauf, „neutral“ zu sein. Dies mündete ein Jahr nach Kriegs­beginn in einen Vorschlag für Friedens­ge­spräche unter chine­si­scher Vermittlung.

China wollte den Westen nicht verprellen und gleich­zeitig die Partner­schaft mit Russland ausbauen. Doch Chinas Vermitt­ler­rolle wirkt aufgrund seiner Nähe zu Russland unglaub­würdig. Kürzlich ging der Sonder­be­auf­tragten für eurasische Angele­gen­heiten, Li Hui, auf Europa­reise, um Chinas Vermitt­ler­rolle im Krieg anzupreisen. Dabei besuchte er aller­dings zunächst Russland. Li war ehemals Chinas Botschafter in Moskau. In Brüssel sagte Li anschließend, europäische Staaten sollten keine Waffen mehr an Kiew liefern – eine Aussage, wie sie auch aus Moskau kommen könnte.

Chine­sisch-russi­scher Handel auf Rekordwert

Laut Experten ist China keineswegs neutral. „Xi Jinping ist an einem Ende des Krieges inter­es­siert, aber nur unter der Bedingung, dass Putin zufrieden ist. Auf keinen Fall will er ein zusam­men­ge­bro­chenes Russland sehen“, sagt Zhang Junhua vom European Institute for Asian Studies. China teile eine tausende Kilometer lange Grenze mit Russland und habe kein Interesse an einem insta­bilen Nachbarn.

Wenn es nach Peking ginge, müsste Russland den Krieg gewinnen. Solange dies nicht geschieht, sei das Ziel, den Westen durch den anhal­tenden Krieg zu schwächen. Tatsächlich bekräf­tigte China sein Bündnis mit Russland in der dritten Phase des Krieges wieder. Nachdem Xi daran gescheitert war, mit seinem „Friedensplan“ den Westen zu beschwich­tigen und gleich­zeitig Moskau zu unter­stützen, setzte er fortan auf einen Zermür­bungs­krieg, um den Westen langfristig zu schwächen.

Das ist auch an den jüngsten Handels­daten erkennbar. Im vergan­genen Jahr habe das Handels­vo­lumen zwischen China und Russland einen Rekordwert von 240 Milli­arden Dollar erreicht, sagte Wang beim Volks­kon­gress. Seit Kriegs­aus­bruch kauft China vermehrt russi­sches Öl und Gas zu vergüns­tigten Preisen. Es gibt Pläne zum Bau einer Pipeline, die jährlich 50 Milli­arden Kubik­meter Gas von Nordrussland über die Mongolei nach China trans­por­tieren soll – fast so viel wie die inzwi­schen still­ge­legte Nord-Stream-1-Pipeline durch die Ostsee, die 2022 beschädigt wurde. Der Bau hat aller­dings noch nicht begonnen. Trotzdem löste Russland Saudi-Arabien 2023 als Chinas größter Öllie­ferant ab. Im Gegenzug kauft Moskau mehr chine­sische Produkte, wie Autos, Smart­phones und andere elektro­nische Geräte. Chinas Handels­vo­lumen sowohl mit den USA als auch mit Europa ist hingegen so gering wie seit Jahren nicht mehr.

Nato ist Teil des Feinbildes

Die westlichen Sanktionen gegen Russland kriti­siert China derweil immer wieder als „einseitig“ – vielleicht auch, weil Peking im Zusam­menhang mit dem Krieg selbst Ziel von Sanktionen geworden ist. Die Europäi­schen Union ließ kürzlich erstmals auch drei chine­sische und ein Hongkonger Unter­nehmen wegen der Lieferung elektro­ni­scher Bauteile an Russland, die sich in Waffen verbauen lassen, auf eine schwarze Liste setzen. China kriti­sierte dies scharf, änderte sein Verhalten jedoch bisher nicht. Das dürfte auch daran liegen, dass es sich bei den drei Firmen nicht um wirtschaft­liche Schwer­ge­wichte handelt. Derweil hilft Peking Moskau dabei, die westlichen Sanktionen zu umgehen. Die Europäische Union schätzt, dass bis zu 70 Prozent sensibler Hightech-Produkte, die das russische Militär erreichen, über China geliefert werden.

Auch militä­risch haben Russland und China in den vergan­genen zwei Jahren verstärkt koope­riert. Es gab mehrere gemeinsame Übungen und Patrouillen im Japani­schen Meer, in der Straße von Taiwan und im Südchi­ne­si­schen Meer. Auch die Nato wird als Teil des westlichen Feind­bilds immer offener von China kriti­siert. Zhang Jun, Chinas ständiger Vertreter bei den Vereinten Nationen, richtete im Februar auf einer Sitzung des UN-Sicher­heitsrats deutliche Worte gegen die Militär­al­lianz. „Wir ermutigen die Nato, in sich zu gehen, aus dem Käfig der Menta­lität des Kalten Krieges heraus­zu­kommen und nicht mehr als Unruhe­stifter zu agieren, der eine Block­kon­fron­tation herauf­be­schwört“, so Zhang. Nato-General­se­kretär Jens Stoltenberg kriti­sierte die Annäherung bei der Veröf­fent­li­chung des jährlichen Nato-Berichtes am Donnerstag deutlich. China „teilt nicht unsere Werte“ und „stellt sich unseren Inter­essen entgegen“, sagte er.

Partner­schaft mit Grenzen

Chinas Unter­stützung für Russland hat jedoch ihre Grenzen. Das liegt auch daran, dass China mit seiner Position im Ukraine-Krieg weiterhin einen Draht­seilakt vollzieht. „Peking ist nicht bereit, alle Verbin­dungen zu westlichem Kapital, westlicher Techno­logie und westlichen Märkten zu kappen, um Moskaus Erwar­tungen zu erfüllen“, sagt Experte Zhang. Die chine­sische Wirtschaft sei angeschlagen und brauche Inves­ti­tionen aus dem Westen und europäische Absatz­märkte, um sich davon zu erholen. „China hat Russland geholfen, die westlichen Finanz­sank­tionen zu umgehen. Doch nun stellen chine­sische Banken ihre Geschäfte mit Russland ein, aus Angst vor sekun­dären Sanktionen“, so Zhang.

Um dem Westen Zugeständ­nisse im Krieg zu machen, warnte Xi Putin bei einem Besuch in Moskau davor, Atomwaffen einzu­setzen. Der Grund­ge­danke, der Chinas Politik im Krieg zugrunde liegt, ist jedoch unver­ändert: China formt ein Bündnis mit Russland, um die vom Westen dominierte Weltordnung zu kippen. Das chine­sische Dilemma bleibt – einer­seits Putin zu stärken und sich anderer­seits auf ihr eigenes Überleben vorbe­reiten. Für den Fall, dass Russland in der Ukraine scheitert und China wieder mehr auf den Westen angewiesen sein wird.

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