China will in Israel Erfah­rungen für den europäi­schen Markt sammeln

Foto: Imago Images

In Israel werden chine­sische Inves­ti­tionen zunehmend kritisch gesehen, auch wegen der Bezie­hungen Chinas zum Iran. Anderer­seits bietet China enorme
ökono­mische Chancen, so Galia Lavi vom Institute for National Security Studies
in Tel Aviv.

Das Interview führte Till Schmidt für LibMod.

Wie würden Sie die israe­lisch-chine­si­schen Bezie­hungen charakterisieren?

Es gibt drei Phasen. Mit dem Beginn der offizi­ellen diplo­ma­ti­schen Bezie­hungen im Jahr 1992 kam vor allem in die ökono­mi­schen Bezie­hungen neues Leben. Dazu kamen damals aber auch militä­rische Bezie­hungen, diese endeten jedoch um 2005. Durch ihr Veto hatten die USA damals Verkäufe von Phalcon-Radar­sys­temen und Harpy-Drohnen an China untersagt. Das war ein großes Thema hier in Israel und es hat uns viel Zeit gekostet, wieder back on track mit China zu kommen. Dennoch: Mit der Etablierung der Export­kon­troll­be­hörde im Wirtschafts- und Indus­trie­mi­nis­terium 2006 hat der Export von militä­ri­schen Gütern nach China aufgehört.

2013 besuchte der damalige Premier­mi­nister Benjamin Netanjahu Bejing und läutete damit die Honeymoon-Phase der israe­lisch-chine­si­schen Bezie­hungen ein. Sie beinhaltete ein größeres Ausmaß an Handel, chine­si­schen Inves­ti­tionen in Israel, Tourismus und akade­mi­scher Koope­ration. Unter US-Präsident Donald Trump endete diese Phase aller­dings wieder. Die US-Adminis­tration setzte Israel unter Druck, die Bezie­hungen zu China herun­ter­zu­fahren. Netanjahu hat darauf jedoch vor allem mit rheto­ri­schen Gesten reagiert. Die chine­si­schen Inves­ti­tionen in israe­lische Infra­struktur sowie im High-Tech-Sektor sind dennoch stark zurückgegangen.

Liegt das ausschließlich am Druck aus den USA?

Der spielt eine große Rolle, auch unter Joe Biden. Dazu kommt jedoch auch die Entscheidung des chine­si­schen Staats­prä­si­denten Xi Jinping, Inves­ti­tionen außerhalb Chinas nicht einfach zu machen. Das beschränkt sich aber nicht auf Israel, sondern ist ein globaler Trend. Zudem hat Israel 2020 einen Screening-Mecha­nismus für auslän­dische Inves­ti­tionen in Infra­struk­tur­pro­jekte etabliert. Wie genau das Komitee seine Entschei­dungen begründet, ob es etwa stets Sicher­heits­be­denken sind, die den Ausschlag geben, ist jedoch unklar, da das Gremium seine Begrün­dungen nicht veröf­fent­licht. Die Zahlen machen aber deutlich: Seitdem das Komitee seine Arbeit aufge­nommen hat, gibt es einen Rückgang chine­si­scher Investitionen.

Wie hat sich die US-Strategie seit dem Amtsan­tritt von Joe Biden verändert?

Trump war der Elefant im chine­si­schen Porzel­lan­laden, es blieb unklar, was genau gemeint war mit nun nicht mehr zu tätigenden Geschäften. Darf man noch T‑Shirts kaufen? Tunnel graben und Straßen bauen lassen? Und warum eigentlich dürfen die USA selbst noch Geschäfte mit China machen? Biden kommu­ni­ziert klarer und vertritt eine Haltung, die mehr auf das gemeinsame Anpacken und Zusam­men­halten zielt. Es herrscht eine andere Atmosphäre, eine Art Commander‘s Spirit. Auch wenn es keine entspre­chenden Gesetze gibt, ist klar, worum es geht.

Was versprechen sich Israel und China von den gemein­samen Beziehungen?

Für Israel ist China eine enorme ökono­mische Chance. Immerhin handelt es sich um den größten Markt der Welt, den Israel nicht einfach ignorieren kann. China sieht Israel auch als politi­schen Vermittler im Verhältnis zu  den USA. So baten chine­sische Regie­rungs­ver­treter Israel immer wieder, den USA die chine­sische Haltung näherzubringen.

China geht es aber ebenfalls und vor allem um wirtschaft­liche Bezie­hungen, konkret darum, in Israel Erfahrung zu sammeln. Denn um in Europa in großem Stil Geschäfte machen zu können, braucht es quali­fi­zierte Erfahrung in einem Indus­trie­staat. Vertreter Chinas sagen das ganz deutlich, so etwa Miao Qiang, CEO der Shangai Inter­na­tional Port Group, die inzwi­schen den Haifa BayPort betreibt. Chine­si­schen Unter­nehmen gilt Israel als klein und unbedeutend genug, um ein mögliches Scheitern nicht zählen zu lassen. Umgekehrt ist Israel aber wichtig genug, um Erfolge in das Unter­nehmens-Portfolio aufnehmen zu können.

Wo sehen Sie die zentralen Inter­es­sens­kon­flikte zwischen Israel und China?

China ist bekannt dafür, seine massive ökono­mische Expansion auch für politische Einfluss­nahme zu nutzen. Das ist ein großes Risiko. Alle Firmen sind mit der Kommu­nis­ti­schen Partei Chinas verbunden. Zudem sehen die USA,  Israels wichtigster Verbün­deter, die Koope­ration im Hightech-Sektor als Gefahr für die eigene Sicherheit. Doch im Gegensatz zum militä­ri­schen Bereich existiert hier keine Regulierung in Form eines Gesetzes oder eines Screening-Mecha­nismus. Die USA setzen Israel daher unter Druck, etwas ähnliches wie CFIUS (Committee on Foreign Investment in the United States) zu etablieren. Doch Israel will seinen enorm wichtigen und innova­tiven Hightech-Sektor nicht regulieren.

Sind Dual-Use-Exporte ein Problem?

Dual-Use lässt sich natürlich schwer definieren. Eine zunächst unschuldige Kamera kann morgen militä­rische Verwendung finden. Im israe­li­schen Wirtschafts­mi­nis­terium gibt es aller­dings seit einigen Jahren eine kleine Einheit, die für ein Screening von Dual-Use-Gütern sorgen soll. Die Stelle ist jedoch klein und nicht gut finan­ziert. Indes: Im Hightech-Sektor lässt sich gut beobachten, was ich vorhin den Commander‘s Spirit nannte: Es ist klar, dass für Firmen, die Geschäfte mit China machen, der US-ameri­ka­ni­schen Markt verloren ist. Gerade die Hightech-Firmen verstehen das. Es gibt also eine Art infor­mellen Screening-Mechanismus.

China pflegt auch Bezie­hungen zum Iran, Israels größtem Feind, der dem jüdischen Staat keine Existenz­be­rech­tigung zusteht, Terro­rismus vor allem in der Region unter­stützt und an einem eigenen Nukle­ar­pro­gramm arbeitet. Ist das Thema in den israe­lisch-chine­si­schen Beziehungen?

Längere Zeit hatten israe­lische Regie­rungen gehofft, vertiefte ökono­mische Bezie­hungen mit China würden die chine­sische Haltung verändern. Man hoffte etwa auf mehr Unter­stützung der UN, unter anderem in Bezug auf den Iran. Das ist aller­dings nicht geschehen, was schließlich auch die israe­lische Seite einge­sehen hat. Bei Gesprächen betonen israe­lische Regierungsvertreter:innen oder auch wir vom Institute for National Security Studies (INSS) stets, dass Geschäfte mit dem Iran auch die Unter­stützung von Terror beinhalten. Die Chinesen nehmen das zur Kenntnis – lassen es aber an sich abprallen. Sie machen in der Regel nüchtern deutlich: Wir sehen die die Dinge einfach anders, unsere Bezie­hungen und Geschäfte mit dem Iran gehen euch nichts an. Politik und Wirtschaft werden hier getrennt.

Regt sich demge­genüber auch Wider­spruch, etwa in der Knesset oder in den israe­li­schen Medien?

Ja, hier gibt es immer wieder Kritik, vor allem in den Medien. So haben etwa Efraim Halevi, ehema­liger Direktor des Auslands­ge­heim­dienstes Mossad, und auch der frühere Leiter des Inlands­ge­heim­dienstes Shin Bet, Nadav Argaman, mehrere, zum Teil auch englisch­spra­chige Artikel publi­ziert. Doch es ist klar: Ein Abbruch der Bezie­hungen durch Israel würde die Chinesen nicht von weiteren Geschäften mit dem Iran abhalten. China ist einfach zu mächtig. Darüber hinaus verschwänden nicht nur enorme ökono­mische Poten­tiale für Israel, sondern auch die Möglichkeit, mit einem irgendwann mögli­cher­weise anders positio­nierten China zu kommu­ni­zieren. Es geht darum, Gesprächs­kanäle offen zu halten.

Wie positio­niert sich die chine­sische Führung zum irani­schen Atompro­gramm und zur Neuver­handlung der Wiener Nukle­ar­ver­ein­ba­rung, dem Joint Com­pre­hen­sive Plan of Action (JCPoA)?

China ist für ein Abkommen und gegen den Rückzug der USA aus dem JCPoA im Jahr 2018. Aller­dings steckt China auch in einer Zwick­mühle: Denn einer­seits will es den Iran wieder in einem Abkommen sehen, anderer­seits weiß es das Fehlen eines Abkommens politisch für sich zu nutzen, um die USA als unver­ant­wort­lichen Akteur darzu­stellen. Insgesamt gilt den Chinesen das JCPoA zwar nicht als perfektes Abkommen, aber immerhin als eine Grundlage für weitere Gespräche. Nach einem neuen Abkommen könne dann über Israels Sicher­heits­be­denken verhandelt werden, so das Credo. Das aber zeigt, wie wenig die Chinesen verstanden haben von der Bedrohung Israels durch das iranische Regime im Allge­meinen und seinem Nukle­ar­pro­gramm im Besonderen!

Spielen Mensch­rechts­fragen in China – etwa die Unter­drü­ckung der Uiguren in der Provinz Xinjang oder die Konflikte um Taiwan und Hongkong – eine Rolle in den diplo­ma­ti­schen Bezie­hungen zwischen Israel und China?

Von den israe­li­schen Regie­rungen wurde das bisher nicht wirklich thema­ti­siert. Israel wird ja selbst häufig in Menschen­rechts­fragen kriti­siert, so dass sich die Regie­rungen nicht in der Position sehen, andere zu belehren. Kleinere Ausnahmen gab es, so etwa im Zuge der israe­li­schen Militär­ope­ration „Guardian of the Walls“ im Mai 2021 (gegen die Terror­or­ga­ni­sa­tionen Hamas und den Islami­schen Djihad in Gaza, Anm. d. Red.). China hat damals im UN-Sicher­heitsrat Stimmung gegen Israel gemacht und es als Sündenbock im Konflikt mit den USA benutzt. Israel wiederum hat darauf reagiert, indem es bei den Vereinten Nationen den Versuch Kanadas unter­stützt hat, die Menschen­rechts­si­tuation in Xinjang von unabhän­gigen Beobachter:innen unter­suchen zu lassen.

In europäi­schen Medien ist die Unter­drü­ckung der Uiguren immer wieder Thema. Aktuell erschienen in den großen Verlagen zudem regel­mäßig Augen­zeu­gen­be­richte von geflüch­teten Lager­über­le­benden. Gibt es Vergleich­bares in israe­li­schen Medien?

Veröf­fent­li­chungen zu diesem Thema gibt es nur wenige, und wenn, dann meist in auslän­di­schen und englisch­spra­chigen Medien. Es ist traurig, aber wahr: Hier in Israel sind wir hier so mit unseren eigenen Problemen beschäftigt, dass wir nicht auf Länder am anderen Ende der Welt zu schauen. Nach der größten Bedrohung gefragt würden die meisten Israelis antworten: Iran, Syrien oder der Libanon. China ist sehr weit weg für uns.

Welches Bild von China herrscht in Israel vor?

Der allge­meinen Öffent­lichkeit war bis zu Netan­jahus Reise nach Bejing kaum etwas über China bekannt. Das hat sich inzwi­schen deutlich verändert. Es kommen nun mehr Chines:innen nach Israel und in den hiesigen Zeitungen ist viel über chine­sische Inves­ti­tionen wie etwa am Hafen in Haifa zu lesen. Manch ein Israeli dürfte beein­druckt davon sein, wie China in Wuhan binnen weniger Tage zwei Krank­häuser für Covid-Patient:innen gebaut hat. Andere wiederum kriti­sieren die dikta­to­rische Staatsform oder auch die Unter­drü­ckung der Uiguren. Umfragen gibt aller­dings kaum, in jedem Fall aber keine detail­lierten. So hat eine Pew-Unter­su­chung heraus­ge­funden, dass 2019 70 Prozent der Israelis positiv über China dachten, 2022 waren das nur noch 48 Prozent.

Und umgekehrt: Was denken Chinesen über Israel?

Umfragen scheint es hier nicht zu geben. Aber was ich weiß: In der allge­meinen Öffent­lichkeit gelten Israelis häufig stereotyp als „klug“ und Israel als „gutes Land“. Ich bin immer wieder überrascht, dass die Chinesen von unserem kleinen, unbedeu­tenden Land überhaupt gehört haben (lacht).

 

Galia Lavi ist China-Expertin am Institute for National Security Studies an der Tel Aviv University. Ihre Forschungs­schwer­punkte sind die israe­lisch-chine­si­schen Bezie­hungen, vor allem im Bereich Infra­struktur und Chinas Außenpolitik.

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