„Schwere Zeiten” – für China oder den Westen?

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Auf dem Parteitag der Kommu­nis­ti­schen Partei warnte Xi Jinping vor „poten­zi­ellen Gefahren” und „immensen Risiken” – und schwört damit das Volk auf eine Konfron­tation mit dem Westen ein.

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hat vor schwie­rigen Zeiten und poten­zi­ellen Gefahren gewarnt. Zum Auftakt des Kongresses der Kommu­nis­ti­schen Partei in der Großen Halle des Volkes in Peking mit 2300 Delegierten rief der Präsident das Milli­ar­denvolk dazu auf, sich „auf die schlimmsten Fälle vorzu­be­reiten“. Inter­na­tional sah Xi „immense Risiken und Heraus­for­de­rungen“ sowie „globale Verän­de­rungen, wie sie in einem Jahrhundert nicht gesehen worden sind“.

Xi Jinping schwor in seiner zweistün­digen Rede seine Zuhörer auf schwierige Zeiten ein. Die Volks­re­publik solle sich, so der Macht­haber, in Zeiten des Friedens wappnen und vorbe­reiten, um auf stürmi­scher See nicht unter­zu­gehen, wenn das nächste Unwetter herauf­ziehe. Mit seinen unheil­schwan­geren Ahnungen möchte Xi vor allem eines heraus­stellen: Er ist der Einzige, der China durch diese unsicheren Zeiten navigieren kann. Der Haupt­anlass des nur alle fünf Jahre statt­fin­denden Partei­kon­gresses ist, eine neue Führung in ihr Amt zu bringen. Norma­ler­weise gibt es in der Volks­re­publik eine Alters­grenze von 68 Jahren und, im Falle des Präsi­denten, ein Limit von zwei Amtspe­rioden, auf zehn Jahre. Angesichts der massiven Heraus­for­de­rungen kommt das Land nun aber nicht umhin, so Xi über Xi, den Präsi­denten zu bitten, länger im Amt zu bleiben.

Xi Jinping hat bereits 2018 die Verfassung umschreiben und sich weitere Amtszeiten, wenn er will bis an sein Lebensende, zubil­ligen lassen. Seine Bestä­tigung und erneute Ausrufung zum chine­si­schen Oberbe­fehls­haber am Ende des Kongresses gilt als Formsache. In der Zwischenzeit werden in Pekinger Hinter­zimmern die weiteren Perso­nalien verhandelt, am wichtigsten dabei: Die Person des Premier­mi­nisters. Es steht zu erwarten, dass hier ein Zögling Xis das Rennen machen wird. Ihm spielt dabei in die Hände, dass nunmehr etliche Kader in den Ruhestand gehen, die mit seiner Politik der Abschottung und Aggression wenig anfangen konnten.

Jene Kader haben die Öffnung der Volks­re­publik nach dem Horror und den Morden der Kultur­evo­lution Maos als Rettung erlebt. Dass Xi Jinping sich als der neue Mao insze­niert und nunmehr eine Macht­fülle an sich gerissen hat, die jene Maos übertrifft, muss ihnen wie ein Rückschritt in finstere Zeiten vorge­kommen sein. Auch der eskor­tierte und augen­scheinlich unfrei­willige Abgang von Ex-Staats­prä­sident Hu Jintao beim Parteitag wird von einigen als „Berei­nigung“ einer libera­leren Zeit gesehen. Aller­dings war schon bei der ersten Amtsein­führung Xis im Jahr 2013 klar, wohin die Reise gehen würde. In einer groß angelegten Aktion entle­digte er sich seiner politi­schen Gegner. Offiziell lautete die Begründung für diese Säuberung Korruptionsbekämpfung.

In einem Dokument an die Mitglieder der Partei, das auf den schmuck­losen Namen „Nummer 9” hört, erklärte der damals neue Präsident im Jahr 2013, dass es unter ihm eine Öffnung zu Demokratie, Freiheit und Menschen­rechten nicht geben werde. Damals galt Xi noch als Hoffnungs­träger in den Haupt­städten des Westens. Zehn Jahre später ist man dort eines Besseren belehrt und hofft, noch recht­zeitig die Schäden, die die bis hierher geltende falsche China-Strategie angerichtet hat, in Grenzen zu halten.

Mit der Aussage, dass China schwierige Zeiten ins Haus stehen, hat Xi indessen nicht unrecht: Da gibt es zum Beispiel die Immobi­li­en­krise, die an Größe und Wucht die US-Krise aus dem Jahr 2008 in den Schatten stellen könnte. Oder die Banken­krise, in der Geldin­stitute diesen Sommer wochenlang keine Abhebungen mehr erlaubten. Oder die Wirtschafts­krise, die als Resultat einer verfehlten „Null Covid”-Strategie, Wachstum und Konsum ausge­bremst und zu einer Jugend­ar­beits­lo­sigkeit von zwanzig Prozent geführt hat. Und da ist letztlich noch die Kredit­krise, die „Neue Seiden­straße”, über die China Geld an Länder verleiht, von denen es sich dadurch politi­schen Gehorsam verspricht. Bereits elf Prozent der verlie­henen rund 900 Milli­arden sind abgeschrieben.

Doch Xi Jinping spricht keine dieser wirklichen Krisen an. Seine Aufmerk­samkeit gilt nur jenen vermeint­lichen Krisen, von denen er sich verspricht, dass sie die Chine­sinnen und Chinesen hinter ihm vereinen. Wenn er auf „schwere Zeiten” einschwört, dann meint er damit vor allem die Konfron­tation mit der freien, demokra­ti­schen Welt, die der durch eine dritte Amtszeit gestärkte Xi nicht scheuen wird.

Diese Botschaft fällt auf frucht­baren Boden, weil China sich in Xis zehn Jahren ideolo­gisch neu ausge­richtet und radika­li­siert hat. Die nächsten fünf Jahre müssen unwei­gerlich zu einer Art Ernte führen, damit der Führer auch wirklich etwas vorzu­weisen hat. Denn bislang hat er weder seinen „chine­si­schen Traum” eines „Sozia­lismus chine­si­scher Prägung” verwirk­licht noch die „Verjüngung der Nation” erreicht, die er, bizar­rer­weise, mit militä­ri­schen Zielen mehr verbindet als mit politi­schen Maßnahmen. Xi hält viele lose Fäden in seiner Hand, die er zusam­men­führen muss, um eigene Erfolge vorweisen zu können. Denn bislang hat sich Xi auf den Erfolgen seiner Vorgänger, einschließlich des von ihm so geschmähten Deng Xiao-ping, ausgeruht.

Wie Xi die ihm selbst gesteckten Ziele erreichen will, zeigt sich an seiner Haltung zur benach­barten Insel­re­publik Taiwan. Xi wiederholt, dass man die „Wieder­ver­ei­nigung” mit dem demokra­ti­schen Eiland mit Gewalt durch­setzen würde, sollte sich Taiwan dem Druck nicht zuvor beugen. Die „Verjüngung der Nation”, so Xi, ist erst dann verwirk­licht, wenn Taiwan unter­jocht ist. Dass Xi für diese Passage in seiner zweistün­digen Rede am meisten Applaus bekommt, zeigt, dass man sich auf dieses Ziel glasklar mitein­ander verstän­digen kann. „Schwierige Zeiten” meint in diesem Zusam­menhang eine bevor­ste­hende Vorbe­reitung des Landes auf einen möglichen Krieg gegen den mächtigen Alliierten des demokra­ti­schen Taiwan – die Verei­nigten Staaten von Amerika.

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