Big Tech und der Aufstieg einer neuen Machtelite – Der neue Geist im Silicon Valley
Hinter vielen der großen Big-Tech-Unternehmen, die unsere digitale Infrastruktur besitzen und nach ihren Vorstellungen gestalten, steht eine Gruppe einflussreicher Unternehmer und Investoren. Welches Demokratieverständnis haben diese neuen Tech-Oligarchen des Silicon-Valley? Das erörterten wir zusammen mit Prof. Martin Andree, Ines Pohl, Markus Beckedahl und Ralf Fücks.
Die Veranstaltung „Big Tech und Demokratie – Der neue Geist im Silicon Valley“ fand im Rahmen unserer Projektreihe „Sicher durch die Transformation“ und in Zusammenarbeit mit der nordrhein-westfälischen Landesregierung statt. Unsere Gäste, Prof. Martin Andree (Universität Köln), Markus Beckedahl (Zentrum für Digitalrechte und Demokratie/re:publica) und Ines Pohl (Deutsche Welle Washington) analysierten die Situation und diskutierten im Anschluss mit dem Publikum.
Der Aufstieg einer neuen Machtelite
Im Zentrum stand dabei die Frage, welches Politik- und Gesellschaftsverständnis in den Denkströmungen von Akteuren wie Peter Thiel und Elon Musk zum Ausdruck kommt – und ob diese Ideen potenziell demokratiegefährdend sind.
Ralf Fücks, der die Veranstaltung moderierte, machte zu Beginn klar: Es ging hier nicht um eine weitere Debatte über Filterblasen und Desinformation, sondern um die ideologischen Grundlagen und politischen Ambitionen der einflussreichen Tech-Unternehmer.
Tech-Libertarismus als ideologisches Fundament
Prof. Martin Andree legte in seinem Impulsvortrag dar, dass viele führende Köpfe im Silicon Valley einer Ideologie anhängten, die man als Tech-Libertarismus bezeichnen könne. Diese verknüpfe ökonomische Macht mit einem apokalyptischen Weltbild: Der demokratische Staat sei überholt, Unternehmer seien die wahren Souveräne, so das Narrativ. Andree referierte aus zentralen Schriften wie „The Sovereign Individual“ und „The Network State“, die zur Blaupause einer digitalen Parallelgesellschaft ohne staatliche Regulierung werden könnten.
Der Appell von Andree: „Wir sollten das Netz nicht den Oligarchen überlassen, sondern es von ihrer monopolistischen Kontrolle befreien.“ Die technolibertäre Selbsterzählung als „Befreiung von Tyrannei“ entpuppe sich bei näherem Hinsehen als Deckmantel für Machtakkumulation und die Abschaffung von beziehungsweise den Exit aus der Demokratie. Dafür müssten wir die Narrative der Tech-Giganten entlarven und eigene Geschichten der Befreiung entwickeln und erzählen.
Die Rolle von Religion und kultureller Identität
Ines Pohl, zugeschaltet aus Washington, betonte die Rolle von religiösem Konservatismus und nationalistischen Identitätskonzepten. Für sie ist die Allianz aus religiösem Eifer, libertärer Ideologie und wirtschaftlicher Macht besonders gefährlich. „Mit Religionsfreiheit meinen viele hier nicht Toleranz, sondern Abgrenzung – gegen alles, was nicht weiß und männlich ist.“ Sie warnte vor einem kulturellen Rückschritt und einem ideologischen Schulterschluss zwischen den einflussreichen Mega-Churches und den Techgiganten – eine illiberale und undemokratische Mischung.
Der Widerspruch zwischen Befreiungsrhetorik und Monopolherrschaft
In der gemeinsamen Diskussion relativierte Markus Beckedahl die These von einem einheitlichen autoritären Block, dem Liberale gegenüberstehen, wies jedoch ebenfalls auf gefährliche Dynamiken hin. Er betonte dabei, dass Plattformen und die technische Infrastruktur, die sie bereitstellten, zunächst Befreiung ermöglichten – freie Publikation, Partizipation – dann aber zunehmend zu kontrollierten, primär wirtschaftlich motivierten Machtinstrumenten mutierten. Vom Befreiungsgeist des Internets der Nullerjahre bliebe in der Rückschau nur ein Kopfschütteln über die eigene Naivität: „Was als Befreiung begann, ist in einem System aus Überwachung und ökonomischer Manipulation geendet.“ Besonders kritisierte er die regulatorische Untätigkeit Europas angesichts der Vermachtungsprozesse und forderte einen Bruch mit dem aktuellen werbebasierten Geschäftsmodellen der Big-Tech-Unternehmen.
Politik der Ohnmacht und die Frage der Gegenmacht
Ein zentrales Fazit war die Notwendigkeit, eigene, positive Erzählungen zu entwickeln. Bausteine dafür könnten eine öffentlich finanzierte digitale Infrastruktur sein sowie neue Beteiligungsformen und technologische Souveränität.
Es reiche nicht aus, nur gegen die demokratiegefährdende Machtakkumulation zu sein, man müsse die Menschen mit einem glaubwürdigen demokratischen Narrativ zurückgewinnen. Dafür sei eine Repolitisierung der digitalen Infrastruktur von Nöten. Einigkeit herrschte darüber, dass es darum gehen müsse, die demokratische Kontrolle zurückzugewinnen, um entscheiden zu können, wie wir im digitalen Raum leben wollen.
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