Die simulierte Stärke des Xi Jinping
Angesichts innerer Probleme versucht Xi Jinping, vor dem Parteitag im Herbst militärisch Stärke zu zeigen, schließlich möchte er sich im Herbst wieder zum Präsidenten ausrufen lassen. Dieses Spiel ist nicht nur für die Hightech-Demokratie Taiwan gefährlich.
Die chinesische Marine hält Taiwan eingekesselt. Gleich an sechs Stellen blockiert die Armee die wichtigen Zufahrtsrouten zu den Häfen. Raketen wurden gezündet, die vor der Küste ins Wasser schlugen. Fünf Raketen erreichten sogar japanische Hoheitsgewässer und provozieren so auch Tokyo. Chinas Machthaber sucht die Konfrontation mit den Vereinigten Staaten über die Inseldemokratie Taiwan.
Wie seine Vorgänger auch behauptet Xi Jinping, dass die Insel Teil der Volksrepublik sei. Tatsächlich aber hat die Kommunistische Partei niemals über die Insel geherrscht. Xi hat den nationalistischen Kurs seiner Vorgänger derart radikalisiert, dass eine „Verjüngung der chinesischen Nation” wie er das nennt, nur dann vollendet sein wird, wenn Taiwan der Volksrepublik angeschlossen werden wird. Dies will Xi „zu unseren Lebzeiten” realisieren. Da Taiwan allerdings selbstständig bleiben will, hat Xi mehrfach mit Waffengewalt, Annexion und Besatzung gedroht. Die jetzigen Militärmanöver werten Beobachter als Generalprobe für einen Angriffskrieg.
Als Vorlage dient ihm dabei ein ähnlicher Konflikt aus den Jahren 1995/96. Damals reiste der amtierende taiwanesische Präsident in die USA, um an der Universität, an der er studiert hatte, einen Vortrag zu halten. Peking schäumte und blockierte die Insel, für ganze acht Monate. Auch damals schlugen Raketen ein. US-Präsident Clinton beendete den Spuk dann, indem er einen Flugzeugträger durch die Straße von Taiwan schickte. Peking musste aufgeben. Diese Scharte will Xi nun auswetzen. Seine Armee ist mittlerweile viel stärker als vor einem Vierteljahrhundert. Dass China damals einlenken musste, sieht er als Erniedrigung, die sich nicht mehr wiederholen darf.
Gleichzeitig weiß Xi auch, dass er derzeit die Insel nicht einnehmen kann. Zu gefährlich ist eine Seelandung für seine Marine. Das Anlegen ist schwierig, zudem können taiwanische und amerikanische U‑Boote chinesische Schiffe versenken. Diese können Torpedos, die amerikanische U‑Boote absetzen, nicht orten. Im chinesischen Internet fordern die Hardliner, Xi solle seinen vollmundigen Ankündigungen aus der Vergangenheit, Taiwan einnehmen, nun endlich Taten folgen lassen. Etliche fordern Flächenbombardements und damit das Auslöschen der taiwanesischen Bevölkerung.
Der chinesische Botschafter in Frankreich wiederum ergeht sich darin zu sagen, dass nach der Eroberung Taiwans die Bevölkerung „umerzogen” werden muss. Wie chinesische „Umerziehungslager” aussehen, sieht man an den Konzentrationslagern, die der Unrechtsstaat in der Provinz Xinjiang hochgezogen hat. Dort sitzen über eine Million Menschen aufgrund ihrer Ethnie ein, die Peking für minderwertig hält. Taiwaner würden aufgrund ihrer demokratischen Gesinnung eingesperrt werden, ginge es nach Chinas Mann in Frankreich.
Peking wird Taiwan und die Weltwirtschaft anders schwächen als durch eine Invasion. Schon jetzt warten Schiffe, die be- und entladen werden sollen, abseits des militärischen Geschehens. Sie rechnen damit, dass sie am 8. August wieder ihre Taiwanesischen Zielhäfen anlaufen können. Doch dazu wird es, aller Wahrscheinlichkeit nach, nicht kommen. Wie 1995/95 auch wird die Volksrepublik die Blockade verlängern. Dann können die für die gesamte Weltwirtschaft (auch für die deutsche Automobilindustrie) wichtigen Chips das Land nicht mehr verlassen.
Peking hat gleichzeitig Sanktionen erlassen: am härtesten dürfte Taiwan dabei treffen, dass wichtiger Sand für die Bauindustrie nicht mehr auf die Insel geliefert werden wird. Wenn die Häfen blockiert beziehungsweise nur unter Risiko, von einer Rakete getroffen zu werden, angelaufen werden können, werden andere Länder nicht sofort als Ersatzlieferanten einspringen können. In einem nächsten Schritt könnte Peking versuchen, sich eine der kleineren Inseln, Kinmen, vor seiner Küste, die zu Taiwan gehören, einzuverleiben. Diese sind zwar gesichert von der taiwanesischen Armee, so nahe vor der Küste aber hätte China keine Probleme, genügend Nachschub und Truppen aufzubieten.
In jedem Fall muss am Ende ein Szenario stehen, dass es Machthaber Xi erlaubt, seine Seeblockade als einen Erfolg zu verkaufen. Xi möchte sich im Herbst ein drittes Mal zum Präsidenten ausrufen lassen und so das Tor zu lebenslanger Herrschaft öffnen. Doch zu Hause läuft es schlecht: die Wirtschaft ist am Boden, die höchste Jugendarbeitslosigkeit seit Langem, Spareinlagen vernichtet, die Immobilienbranche bankrott. Dazu kommt eine verfehlte Covid-Politik. Im Land gibt es Proteste, eine Seltenheit. In dieser Situation kommt Xi recht, den Konflikt um Taiwan eskalieren lassen zu können. Käme es zum Krieg, könnte er die Reihen nach innen schließen und sich so seine dritte Amtszeit sichern. Sollte es dieses Mal noch nicht zum Krieg kommen, dann wird die Seeblockade erst dann enden, wenn die Bedingungen so sind, dass Peking den Ausgang als Erfolg verkaufen kann.
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