Trumps Kabinett – Showbiz statt Sachverstand?

Foto: Imago

Es sind Ernen­nungen, die einen schwin­delig machen und die auch unter US-Republi­kanern zum Teil heftig umstritten sind. Wie lange Trumps neue Regie­rungs­mann­schaft diesmal hält? Unklar, meint unsere Autorin Eva Schweitzer und versucht, ein wenig Licht in die verschie­denen Perso­nalien zu bringen.

In erstaunlich kurzer Zeit hat Trump sein neues Kabinett zusam­men­ge­stellt, aber viele Kandi­daten lösen große Kontro­versen aus. Eine der jüngsten Ernen­nungen: Kash Patel, ein Trump-Getreuer der ersten Stunde. Ausge­rechnet er soll die zentrale Sicher­heits­be­hörde der USA, das FBI, künftig leiten. Patel hat bereits angekündigt, wie er sich das vorstellt: Er wolle das FBI-Haupt­quartier in Washington D.C. zum Museum für den „Deep State“ umbaue, sagte er und zitierte damit eine jener Verschwö­rungs­theorien, an die viele Republi­kaner glauben: Jene Erzählung vom geheimen Staat im Staat, der alle Fäden lenkt. Da passt es, dass Patel außerdem ankün­digte, Journa­listen verfolgen zu wollen.

Doch Patel ist nicht der einzige Umstrittene: Unter den designierten Kabinetts­mit­gliedern befindet sich auch Pete Hegseth, er soll Vertei­di­gungs­mi­nister werden. Gegen Hegseth werden nicht nur Verge­wal­ti­gungs­vor­würfe erhoben, er gilt auch als Putinversteher.

Und es gibt zahlreiche weitere Beispiele, die derzeit heftige Diskus­sionen auslösen und Beobachter erschrecken lassen. Was können Kritiker tun? Und: Gibt es überhaupt genügend kritische Stimmen, die befähigt sind, Veto einzulegen?

Theore­tisch könnten die von Trump aufge­stellten Kabinetts­mit­glieder vom Senat blockiert werden — das hatten der Aufstieg und Fall von Matt Gaetz gezeigt. Gaetz, einst als General­staats­anwalt vorge­sehen, war über eine Affäre mit einer minder­jäh­rigen Prosti­tu­ierten gestolpert und wurde inzwi­schen durch Pam Bondi ersetzt. Doch wie wahrscheinlich ist es, dass noch weitere Kandi­daten gehen müssen?

Trumps „Clown Car“ – verspottet aber ohne großen Widerspruch

Im Senat haben die Republi­kaner eine solide Mehrheit, deshalb liegt es an den Senatoren zu entscheiden, ob sie Einspruch erheben und blockieren. An Senatoren wir Eric Schmitt, der zudem General­staats­anwalt seines Bundes­landes Missouri war. Doch dass er entspre­chend handelt, ist unwahr­scheinlich. Denn Schmitt ist erzkon­ser­vativ – und vor allem ein Trump-Loyalist. Einer, der glaubt, dass Trump bei der vorhe­rigen Wahl um den Sieg betrogen wurde. Einer, der während der Corona-Krise Schulen unter­sagte, eine Masken­pflicht zu erlassen. Einer, der– ebenfalls wegen Corona– die chine­sische Regierung und die kommu­nis­tische Partei verklagte. Schaut man auf Senatoren wie Eric Schmitt ist es also höchst unwahr­scheinlich, dass Trump Paroli geboten und seine unkon­ven­tio­nellen und exzen­tri­schen Ernen­nungen infrage gestellt oder gar blockiert werden. Und Senatoren mit ähnlicher Überzeugung wie Schmitt sind zahlreich.

Doch nicht jeder ist auf dieser Linie. Es gibt auch einige – wenige – Abweichler, darunter der frühere Senats­sprecher Mitch McConnell. Denn Trumps Ernen­nungen sind für viele ein bisschen zu exzen­trisch, manche verspotten das künftige Kabinett gar als „Clown Car“.

Allein persön­liche Loyalität entscheidet

Welches Kalkül also steckt hinter den Ernen­nungen und an welchen Kriterien macht Trump seine Kandi­da­ten­auswahl fest? Das Wichtigste ist für ihn nicht die politische Linie der Ernannten, es ist ihre absolute Loyalität – nicht die zu seiner Partei, sondern die zu ihm, Trump. Für Gaetz, der allzu viel Kontro­versen auslöste, kommt nun also Bondi, sie ist wie Gaetz eine enge Vertraute: Bondi ist die frühere General­staats­an­wältin von Florida und war Teil von Trumps Team, als es um dessen Klagen wegen Wahlfäl­schung ging. Ihr künftiger Stell­ver­treter, Todd Blanche, ist ebenfalls ein alter Bekannter: Blanche hat Trump in seinem Gerichts­ver­fahren gegen die ehemalige Porno­dar­stel­lerin Stormy Daniels vertreten. Und dann ist da noch die zukünftige Bildungs­mi­nis­terin, Linda McMahon. Dass sie gar nicht erst vorgibt, für ihr Amt geeignet zu sein, sondern offen verkündet, davon keine Ahnung zu haben, macht deutlich, mit welcher Selbst­ver­ständ­lichkeit die Trump-Regierung agiert und offen persön­liche Nähe und loyale Ergebenheit zu Trump fachlicher und politi­scher Eignung vorzieht.

Rechte evange­likale Wählerschaft

Ein weiterer, höchst umstrit­tener Kandidat, der dem Inner Circle um Donald Trump entstammt, ist Pete Hegseth. Der ehemalige Soldat ist Anchor des rechts­kon­ser­va­tiven Nachrich­ten­kanals Fox News und hatte Trump oft inter­viewt. Ob ihn das für das Amt des künftigen Pentagon-Chefs befähigt? Egal, Haupt­sache, er steht Trump nahe. Und Hegseth verkörpert, wie fast alle Trump-Ernannten die für viele Trump-Wähler so wichtige Treue zu Israel:  Der zukünf­tigen Vertei­di­gungs­mi­nister ist Autor mehrerer Bücher, darunter American Crusade. Dort prokla­miert er nicht nur, dass sich die Außen­po­litik der USA darauf zu konzen­trieren habe, Israel zu unter­stützen, auch in einem Konflikt mit dem Iran.

Inter­essant ist dabei die Begründung, denn Hegseth stellt Verbindung zu den mittel­al­ter­lichen Kreuz­zügen her. Das reflek­tiert die Denkweise der rechten Evange­li­kalen, die Trump ebenfalls bedienen muss. Für ihn, Hegseth, gibt es im Falle eines Krieges keine Notwen­digkeit der USA dafür, die Genfer Konven­tionen zu beachten oder sich an inter­na­tio­nales Recht zu halten. Und er fragt sich, warum die „islamis­tische Türkei“, wie er in seinem Buch schreibt, überhaupt NATO-Mitglied sei. Ohnehin sei die NATO keine trans­at­lan­tische Allianz, sondern eine von den USA bezahlte Vertei­di­gungs­truppe für ein sterbendes Europa, heißt es in American Crusade weiter. Während Europa eine Invasion von Muslimen zugelassen habe, seien die USA die einzigen, die kämpften, so der künftige Pentagon-Chef. Aussagen wie diese, schreibt der Guardian, machen Sorgen, was die Zukunft der NATO angeht.

Putin bitte nicht provozieren!

Im Ukrai­ne­krieg vertritt er die gleiche Haltung wie sein Herr und Meister, Donald Trump: Kein Geld mehr für diesen unnützen Krieg. Schließlich dürfe der russische Staatschef Wladimir Putin nicht provo­ziert werden. Dass ein Fall der Ukraine eine Invasion innerhalb europäi­schen NATO-Gebietes nach sich zieht, glaubt er nicht. Putin würde wohl kaum viel weiter gehen als bis zur polni­schen Grenze, glaubt er. Bis zur Grenze jenes Landes, Polen also, das für Hegseth laut seines Buches zu den „guten“ Ländern gehört, die verteidigt werden sollten: mit dabei sind auch Ungarn oder Post-Brexit-England. Kohärent ist das nicht, schließlich hatte derselbe Hegseth 2022 auf Fox News noch das genaue Gegenteil davon vertreten. Aber egal – eine politische Linie muss gar nicht erst erkennbar sein, Trump mag seine Leute biegbar.

Ob es Hegseth durch den Senat schafft, ist nicht sicher, aber nicht wegen seiner Ansichten zu NATO, sondern weil der frühere aktive Soldat eine Mitar­bei­terin verge­waltigt haben und finan­zielle Unregel­mä­ßig­keiten begangen haben soll. Er soll deshalb, schreibt der New Yorker, aus zwei Vetera­nen­ver­einen geflogen sein. Bei dem Fall, der sich in einem Hotel in Kalifornien abgespielt hat, gab es eine außer­ge­richt­liche Einigung, Hegseth behauptet, der Sex sei einver­nehmlich gewesen und die Frau habe ihn danach erpressen wollen. Inzwi­schen aller­dings wird Ron DeSantis, der Gouverneur von Florida, als Hegseth-Ersatz gehandelt.

Russlands „Super­woman“ als Chefin des US-Geheimdienstes

Ähnlich umstritten ist Tulsi Gabbard. Die frühere Demokratin und ebenfalls aktive Soldatin soll dem Natio­nalen Sicher­heitsrat vorstehen. Gabbard hat einst gefordert, die USA sollten den in Moskau unter­ge­tauchten früheren NSA-Mitar­beiter Ed Snowden nicht weiter­ver­folgen. Sie wurde daraufhin von Demokraten wie Hillary Clinton als „russische Spionin“ und „russische Einfluss­agentin“ beschimpft. Das sieht die Washington Post anders – aber nicht besser: Gabbard sei nicht russi­schem Einfluss erlegen, nein, sie glaube das alles selbst! So sei sie nach Syrien gereist und habe danach abgestritten, dass der syrische Diktator Bashar al-Assad dort chemische Waffen einge­setzt habe – und sie habe die USA beschuldigt, syrische Islamisten unter­stützt zu haben. Wohl auch aufgrund der Verbreitung solcher Putin‘schen Narrative bezeichnete sie ein russi­sches Staats­medium gar als „Super­woman“.

Verschwö­rungs­theorien zum Ukrainekrieg

Putins Fake News verbreitet sie auch in Sachen Ukrai­ne­krieg, dort ist sie auf einer auf einer Linie mit dem frisch­ge­wen­deten Hegseth: Gabbard behauptet, Putin sei provo­ziert worden und die Ukraine sei eine korrupte Autokratie. Damit stelle sie sich gegen den US-Sicher­heits­ap­parat, den sie letztlich kontrol­lieren wolle, meint die Post, und sie werde überdies dafür sorgen, dass diese Verschwö­rungs­theorien weiter in den Regie­rungs­appart Trumps einsi­ckern. Auch unter republi­ka­ni­schen Senatoren grummelt es ihret­wegen. Dem designierten Präsi­denten Trump hingegen gefällt es, dass Gabbard keine Washing­toner Insiderin ist. Und außerdem bedient die Ernennung von Gabbard die Liber­tären bei den Republi­kanern, die er nicht verprellen will. Nicht zuletzt: Schlauer als er selbst wirken, das soll bitte niemand.

Erratische Auswahl mit ein paar Zugeständ­nissen ans konser­vative Establishment

Doch das sind nicht die einzigen unortho­doxen Nominie­rungen: So soll Lori Chavez-DeRemer, Abgeordnete aus Oregon, Sozial­mi­nis­terin werden, auf Vorschlag der Gewerk­schaft der Teamster. Brendan Carr soll die Federal Commu­ni­ca­tions Commission, die Aufsichts­be­hörde über die Medien, leiten. Er ist ein Konser­va­tiver, der findet, die Medien seien von Demokraten unter­wandert und nicht ausge­wogen. Carr wendet sich explizit insbe­sondere gegen DEI – Diversity, Equity and Inclusion – er will also nicht, dass es Quoten­er­nen­nungen für Afro-Ameri­kaner und Latinos gibt. Und dann ist da noch Scott Turner, ein profes­sio­neller – schwarzer – Football­spieler. Er soll künftig das Baumi­nis­terium leiten.

Trump macht aller­dings auch Zugeständ­nisse an das republi­ka­nische Estab­lishment. So soll Marco Rubio Außen­mi­nister werden. Rubio ist Exilku­baner, über den sich Trump früher oft als „Little Marco“ lustig gemacht hat. Rubio war aller­dings lange für eine Unter­stützung der Ukraine und hat Gesetze mitge­tragen, die es dem Präsi­denten unmöglich machen, ohne die Zustimmung des Kongresses aus der NATO auszu­treten. Ob er daran festhalten wird? Was die Ukraine angeht, beginnt er bereits jetzt, zurück­zu­rudern, um sich an die Trump-Linie anzupassen.

Ebenfalls herkömmlich konser­vativ ist Doug Burgum, Gouverneur von North Dakota. Er soll Innen­mi­nister werden soll. Sein Plan: Nach mehr Öl und Gas zu bohren und Fracking zuzulassen – und das auch in Natur­schutz­ge­bieten und India­ner­re­ser­va­tionen. Damit sollen die Benzin­preise sinken, ebenfalls ein Wahlver­sprechen. Auf der gleichen Linie liegt Chris Wright, künftiger Energie­se­kretär. Seine Befähigung: Wright leitet ein Fracking-Unternehmen.

Nicht vergessen werden sollte der künftige Wirtschafts­se­kretär Howard Lutnick, er ist ein Wall Street Milli­ardär, ebenso wie der designierte Chef der Federal Reserve, Scott Bessent.

Trumps Kabinett: Wieder ein Karussell mit wechselndem Personal?

Trotz vieler umstrit­tener Kandi­daten ist es gut möglich, dass Trump alle Nominie­rungen durch­bringt. Doch auch dann ist es wahrscheinlich, dass er selbst einige davon rasch auswechselt, so wie in seiner ersten Wahlpe­riode. Zu den Gefähr­deten zählt Robert Kennedy Jr., der Sohn von Robert Kennedy und Neffe von JFK, den Trump an Bord geholt hat, um den Demokraten Stimmen abzunehmen. Kennedy, ein Kritiker der Pharma-Industrie, ist umstritten, weil er Fluor aus dem Trink­wasser verbannen will und den Verkauf von roher Milch erlauben, aber mehr noch wegen seiner Haltung zu Corona. Er ist gegen eine Impfpflicht vor allem für Kinder, denn die könnte, glaubt er, Autismus auslösen – eine jener Verschwö­rungs­theorien, die sich mit Covid verbreitete. Kennedy hat, wie Trump, China dafür attackiert, den Virus in die Welt gesetzt zu haben. Doch für Trump ist der Anwalt, der für eine saubere Umwelt kämpft, wegen seiner stets kriti­schen Haltung zur Ölindustrie umstritten. Trump hat Kennedy in einer seiner Wahlkampf­reden dazu aufge­rufen, die Finger von der Ölindustrie zu lassen und nicht selbst den Präsi­denten zu spielen.

Elon Musk: freiflie­gender Berater mit dem größten Megafon der Welt?

Ähnlich gefährdet ist der Silicon-Valley-Entre­preneur Elon Musk. „Trump hat nun seinen eigenen Trump“, lästert der Late-Night-TV-Comedian Seth Meyer. „Trump will bestimmt niemanden, der ihn an Exzen­tri­zität übertrifft“, meinen andere. Aber könnte Musk überhaupt gefeuert werden? Hat er wirklich einen Job bei der Regierung oder ist er nur ein freiflie­gender Berater mit dem größten Megafon der Welt?

Musk zur Seite steht der Pharma­un­ter­nehmer Vivek Ramaswamy. Die beiden sollen die Verwaltung refor­mieren, was heißt, möglichst viele Bedienstete feuern. Damit bedient Trump den neoli­be­ralen Flügel und die Strömung um die konser­vative Stiftung Heritage Foundation, die den Einfluss der Regierung überall zurück­drängen will. Grover Norquist, ein Anti-Steuer-Aktivist sagte einmal, er wolle eine Regierung haben, die so klein ist, dass man sie in der Badewanne ertränken könne.

Steckt eine Strategie hinter der Ernennung dieser Clownstruppe?

Die Blaupause für diese Politik ist das „Projekt 2025“, Leitlinien zum Abbau des Sozial­staates. Trump behauptete im Wahlkampf, er kenne das Projekt 2025 nicht. Nun hat er dessen Autor, Russell Vought als Direktor für die Budget­be­hörde engagiert. Vielleicht, so mutmaßen Kritiker, ist der Einsatz des Clowns­truppe sogar beabsichtigt und folgt einer Strategie – weil damit der Regie­rungs­ap­parat unbrauchbar gemacht wird.

Eine mitnichten klein­ge­schrumpfte, aber dennoch schlag­fertige Regierung wollen die Republi­kaner hingegen, wenn es um die Grenz­si­cherung geht. Hier sollen Tom Homan und Kristi Noem verant­wortlich sein. Homan will das Militär gegen Migranten einsetzen, Noem, die Gouver­neurin von South Dakota, soll Heimat­schutz­mi­nis­terin werden. Sie machte einst Schlag­zeilen, weil sie ihren eigenen Hund erschoss. Immerhin passt das zu dem Fernseharzt Dr. Mehmet Oz, der nun für die Kranken­kassen Medicare und Medicaid zuständig sein wird. Ihm wird nicht nur vorge­worfen, dass er das bei Corona nutzlose Mittel Hydro­xychlo­roquin angepriesen hat, sondern auch, dass er bei medizi­ni­schen Experi­menten hunderte von Hunden getötet hat. Was hat Trump von ihm überzeugt? Nun, der Fernseh­doktor habe neun Daytime Emmies, Fernseh­tro­phäen, gewonnen, sagt Trump. Na, wenn das mal kein überzeu­gendes Argument ist…

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