Umweltschutz braucht Menschenrechte
Die Meldung über die vielen Morde an Menschen im Jahr 2020, die sich für den Schutz der Umwelt eingesetzt haben sowie die Verleihung des „alternativen Nobelpreises“ an Umweltaktivistinnen und ‑aktivisten waren Anlass für Lukas Daubner, sich Gedanken über den Zusammenhang von Menschenrechten, Rechtsstaatsprinzipien und Umweltschutz zu machen. In liberalen Demokratien führen Umweltproteste – bei individuellen Entbehrungen der Protestierenden – langfristig zu einer Verbesserung der Situation. In autokratischen Staaten führen Proteste meist zu Repressionen oder gar in den Tod. Der Schutz der Umwelt und des Klimas sollten daher noch stärker mit der Einhaltung von Menschenrechten verknüpft werden.
Umweltschutz braucht Menschenrechte
Wenn Menschen sich an Castor-Behälter ketten, auf Baumhäusern verbarrikadieren oder Felder besetzen, dauert es meist nicht lange, bis die Polizei die Szene betritt. Oft überlagern danach dann gegenseitige Gewaltvorwürfe das eigentliche Thema. In Deutschland haben etwa die Besetzung des Hambacher Forstes durch Umweltaktivistinnen und ‑aktivisten sowie dessen Räumung durch die Polizei und privater Sicherheitsfirmen Schlagzeilen gemacht. Grundsätzlich tragen Proteste sozialer Bewegungen dazu bei, auf Probleme von Gesellschaften hinzuweisen. In liberalen Gesellschaften sind sie – neben Wahlen – Möglichkeiten, Themen in den politischen Betrieb einzubringen. Protestgruppen, NGOs oder Parteien kanalisieren Umweltproteste und bringen sie nach und nach in bearbeitbare Formen.
Anderswo bringen Umweltproteste Repression und Tod
Ein anderes Bild ergibt sich dort, wo Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit und eine diverse Medienlandschaft schwach ausgeprägt sind. In solchen Gesellschaften führen Proteste für sauberes Wasser, gegen illegale Mülldeponien oder die Abholzung von Wäldern nicht in den policy cycle oder die Tagesschau, sondern ins Gefängnis oder schlimmer, in den Tod. In Russland etwa drohen Umweltaktivistinnen und ‑aktivisten Repressalien, wenn sie zu vehement auf Umweltverschmutzungen hinweisen und damit lokalen Machthabern in die Quere kommen. Noch gravierender sind die Fälle, die die NGO Global Witness zusammengetragen hat: 2020 sind weltweit mindestens 227 Umweltschützerinnen und ‑schützer ermordet worden. Das sind mehr als jemals zuvor. In Kolumbien, Mexiko, Honduras, den Philippinen, Nicaragua, der Demokratischen Republik Kongo und weiteren Staaten sind dutzende Menschen für ihren Protest gegen illegale Abholzung, Mega-Staudammbauprojekte oder die Ausweitung landwirtschaftlicher Monokulturen getötet worden, ins Gefängnis gekommen oder mussten um ihre Lebensgrundlage fürchten.
Was all diese Länder eint, sind ihre niedrigen Werten bei Demokratie-Indizes. Zum Teil werden sie autoritär regiert und haben erhebliche Probleme mit Korruption und dem lokalen Verlust des Gewaltmonopols an Banden und paramilitärische Gruppen. In den seltensten Fällen kommt es zur Strafverfolgung oder zur erfolgreichen Verurteilung der Täter. Dort, wo keine Medien berichten und Staatsanwaltschaften politisch beeinflusst sind, werden Gewalttaten gegen Protestierende ebenso wenig verfolgt wie Ökozide.
Wo Menschenrechte fehlen, leidet die Umwelt
(Umwelt-)Proteste können auch in autokratischen Staaten erfolgreich sein. Beispiele hierfür sind die Proteste gegen gravierende Umweltschäden in China, in der DDR der 1980er Jahre oder in Russland – wie der mit dem „alternativen Nobelpreis“ ausgezeichnete Vladimir Slivyak mit der Organisation Ecodefense zeigen. Auch autokratische Regime sind darauf angewiesen, dass die Unzufriedenheit in der Bevölkerung nicht zu groß wird oder sie im globalen Wettbewerb nicht zu sehr ins Abseits geraten. Daher gehen sie punktuell gegen einzelne Misstände vor oder engagieren sich, wie China, beim Ausbau von erneuerbaren Energien oder der Reduktion von Luftverschmutzung.
Das Fehlen rechtsstaatlicher Prinzipien und verbreitete Korruption sowie Aktuere, die rücksichtslos ökonomische und politische Partikularinteressen durchsetzen, bedingen, dass der Einsatz für Klima- und Umweltschutz in den genannten Ländern mit großen individuellen Risiken einhergeht. Friedlich Protestierende werden willkürlich verhaftet, mit geheimdienstlichen Maßnahmen verfolgt, ihre Familien bedroht.
Erst die Prinzipien der liberalen Demokratie ermöglichen es, dass die Anliegen und Forderungen von Prostesten öffentlich diskutiert sowie in instituionalisierte Bahnen gelenkt werden und somit einen langfristigen Effekt auf Politik haben können. Zwar waren und sind die Auseinandersetzungen zwischen Umwelt- und Klimabewegung und Staat teils heftig. Aber die Möglichkeit der freien Versammlung und politischer Teilhabe, der Gründung von Vereinen und Parteien sowie einer offenen medialen Diskussion bedingen langfristig, dass die klima- und umweltpolitischen Forderungen ernstgenommen und im politischen Betrieb behandelt werden. Beispielsweise haben die Klimaproteste der vergangenen zwei Jahre dazu beigetragen, dass das Thema heute oben auf der gesellschaftlichen Agenda steht und Klimaziele verschärft und entsprechende Gesetze verabschieded wurden.
Institutionalisierter Interessenausgleich statt Recht des Stärkeren
Insbesondere dort, wo die Folgen von Umweltzerstörung und Klimawandel besonders dramatisch sind, haben Betroffene vielfach nicht die Möglichkeit, ihre Anliegen zu artikulieren. Die arme Landbevölkerung und indigene Gruppen sind dort, wo Wildwest-Manieren herrschen, massiv bedroht. Die Konflikte und Zusammenstöße zwischen Interessensgruppen werden sich durch die zunehmende Wasserknappheit, Vernappung von biobasierten und fossilen Ressourcen sowie die sich verschärfende Flächenkonkurrenz zwischen Wald, Ackerböden, Energie- und anderen Infrastrukturprojekten weiter verstärken. Statt dem Recht des Stärkeren wäre ein institutionalisierter und langfristiger Interessenausgleich sowie Einrichtungen zur Findung von Kompromissen nötig.
Die Beispiele zeigen, dass der Schutz von Mensch und Natur – d. h. Menschenrechte und Naturschutz – zusammengedacht werden müssen. Nur dort, wo Menschenrechte gewahrt werden, ist es beispielsweise sozialen Bewegungen möglich, fortwährend auf Probleme hinzuweisen und damit langfristig Verbesserungen zu erstreiten.
Natürlich passiert es auch in liberalen Demokratien, dass Protestierenden Unrecht angetan wird. Im Zuge der Räumung des Hambacher Forsts ist es gar zu einem tödlichen Unfall gekommen. Allerdings gibt es zum einen eine Medienöffentlichkeit, die solche Fälle begleitet. Zum anderen besteht die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen. Unlängst hat das Verwaltungsgericht Köln den Polizeieinsatz im Zusammenhang mit der Räumung des Hambacher Forsts für rechtswidrig erklärt. Betroffene können nun Schadenersatzforderungen geltend machen. Ähnliches ist für Aktivistinnen und Aktivisten in vielen Staaten Lateinamerikas, Afrikas sowie Asiens nicht denkbar.
Hat Ihnen unser Beitrag gefallen? Dann spenden Sie doch einfach und bequem über unser Spendentool. Sie unterstützen damit die publizistische Arbeit von LibMod.
Spenden mit Bankeinzug
Spenden mit PayPal
Wir sind als gemeinnützig anerkannt, entsprechend sind Spenden steuerlich absetzbar. Für eine Spendenbescheinigung (nötig bei einem Betrag über 200 EUR), senden Sie Ihre Adressdaten bitte an finanzen@libmod.de
Verwandte Themen
Newsletter bestellen
Mit dem LibMod-Newsletter erhalten Sie regelmäßig Neuigkeiten zu unseren Themen in Ihr Postfach.