Umwelt­schutz braucht Menschenrechte

Foto: Shut­ter­stock, Frederic Sapart

Die Meldung über die vielen Morde an Menschen im Jahr 2020, die sich für den Schutz der Umwelt einge­setzt haben sowie die Verlei­hung des „alter­na­tiven Nobel­preises“ an Umwelt­ak­ti­vis­tinnen und ‑akti­visten waren Anlass für Lukas Daubner, sich Gedanken über den Zusam­men­hang von Menschen­rechten, Rechts­staats­prin­zi­pien und Umwelt­schutz zu machen. In liberalen Demo­kra­tien führen Umwelt­pro­teste – bei indi­vi­du­ellen Entbeh­rungen der Protes­tie­renden – lang­fristig zu einer Verbes­se­rung der Situation. In auto­kra­ti­schen Staaten führen Proteste meist zu Repres­sionen oder gar in den Tod. Der Schutz der Umwelt und des Klimas sollten daher noch stärker mit der Einhal­tung von Menschen­rechten verknüpft werden.

Umwelt­schutz braucht Menschenrechte

Wenn Menschen sich an Castor-Behälter ketten, auf Baum­häu­sern verbar­ri­ka­dieren oder Felder besetzen, dauert es meist nicht lange, bis die Polizei die Szene betritt. Oft über­la­gern danach dann gegen­sei­tige Gewalt­vor­würfe das eigent­liche Thema. In Deutsch­land haben etwa die Besetzung des Hambacher Forstes durch Umwelt­ak­ti­vis­tinnen und ‑akti­visten sowie dessen Räumung durch die Polizei und privater Sicher­heits­firmen Schlag­zeilen gemacht. Grund­sätz­lich tragen Proteste sozialer Bewe­gungen dazu bei, auf Probleme von Gesell­schaften hinzu­weisen. In liberalen Gesell­schaften sind sie – neben Wahlen – Möglich­keiten, Themen in den poli­ti­schen Betrieb einzu­bringen. Protest­gruppen, NGOs oder Parteien kana­li­sieren Umwelt­pro­teste und bringen sie nach und nach in bear­beit­bare Formen.

Anderswo bringen Umwelt­pro­teste Repres­sion und Tod

Ein anderes Bild ergibt sich dort, wo Gewal­ten­tei­lung, Rechts­staat­lich­keit und eine diverse Medi­en­land­schaft schwach ausge­prägt sind. In solchen Gesell­schaften führen Proteste für sauberes Wasser, gegen illegale Müll­de­po­nien oder die Abholzung von Wäldern nicht in den policy cycle oder die Tages­schau, sondern ins Gefängnis oder schlimmer, in den Tod. In Russland etwa drohen Umwelt­ak­ti­vis­tinnen und ‑akti­visten Repres­sa­lien, wenn sie zu vehement auf Umwelt­ver­schmut­zungen hinweisen und damit lokalen Macht­ha­bern in die Quere kommen. Noch gravie­render sind die Fälle, die die NGO Global Witness zusam­men­ge­tragen hat: 2020 sind weltweit mindes­tens 227 Umwelt­schüt­ze­rinnen und ‑schützer ermordet worden. Das sind mehr als jemals zuvor. In Kolumbien, Mexiko, Honduras, den Phil­ip­pinen, Nicaragua, der Demo­kra­ti­schen Republik Kongo und weiteren Staaten sind dutzende Menschen für ihren Protest gegen illegale Abholzung, Mega-Stau­damm­bau­pro­jekte oder die Auswei­tung land­wirt­schaft­li­cher Mono­kul­turen getötet worden, ins Gefängnis gekommen oder mussten um ihre Lebens­grund­lage fürchten.

Was all diese Länder eint, sind ihre niedrigen Werten bei Demo­kratie-Indizes. Zum Teil werden sie autoritär regiert und haben erheb­liche Probleme mit Korrup­tion und dem lokalen Verlust des Gewalt­mo­no­pols an Banden und para­mi­li­tä­ri­sche Gruppen. In den seltensten Fällen kommt es zur Straf­ver­fol­gung oder zur erfolg­rei­chen Verur­tei­lung der Täter. Dort, wo keine Medien berichten und Staats­an­walt­schaften politisch beein­flusst sind, werden Gewalt­taten gegen Protes­tie­rende ebenso wenig verfolgt wie Ökozide.

Wo Menschen­rechte fehlen, leidet die Umwelt

(Umwelt-)Proteste können auch in auto­kra­ti­schen Staaten erfolg­reich sein. Beispiele hierfür sind die Proteste gegen gravie­rende Umwelt­schäden in China, in der DDR der 1980er Jahre oder in Russland – wie der mit dem „alter­na­tiven Nobel­preis“ ausge­zeich­nete Vladimir Slivyak mit der Orga­ni­sa­tion Ecode­fense zeigen. Auch auto­kra­ti­sche Regime sind darauf ange­wiesen, dass die Unzu­frie­den­heit in der Bevöl­ke­rung nicht zu groß wird oder sie im globalen Wett­be­werb nicht zu sehr ins Abseits geraten. Daher gehen sie punktuell gegen einzelne Misstände vor oder enga­gieren sich, wie China, beim Ausbau von erneu­er­baren Energien oder der Reduktion von Luftverschmutzung.

Das Fehlen rechts­staat­li­cher Prin­zi­pien und verbrei­tete Korrup­tion sowie Aktuere, die rück­sichtslos ökono­mi­sche und poli­ti­sche Parti­ku­lar­in­ter­essen durch­setzen, bedingen, dass der Einsatz für Klima- und Umwelt­schutz in den genannten Ländern mit großen indi­vi­du­ellen Risiken einher­geht. Friedlich Protes­tie­rende werden will­kür­lich verhaftet, mit geheim­dienst­li­chen Maßnahmen verfolgt, ihre Familien bedroht.

Erst die Prin­zi­pien der liberalen Demo­kratie ermög­li­chen es, dass die Anliegen und Forde­rungen von Pros­testen öffent­lich disku­tiert sowie in insti­tuio­na­li­sierte Bahnen gelenkt werden und somit einen lang­fris­tigen Effekt auf Politik haben können. Zwar waren und sind die Ausein­an­der­set­zungen zwischen Umwelt- und Klima­be­we­gung und Staat teils heftig. Aber die Möglich­keit der freien Versamm­lung und poli­ti­scher Teilhabe, der Gründung von Vereinen und Parteien sowie einer offenen medialen Diskus­sion bedingen lang­fristig, dass die klima- und umwelt­po­li­ti­schen Forde­rungen ernst­ge­nommen und im poli­ti­schen Betrieb behandelt werden. Beispiels­weise haben die Klima­pro­teste der vergan­genen zwei Jahre dazu beigetragen, dass das Thema heute oben auf der gesell­schaft­li­chen Agenda steht und Klima­ziele verschärft und entspre­chende Gesetze verab­schieded wurden.

Insti­tu­tio­na­li­sierter Inter­es­sen­aus­gleich statt Recht des Stärkeren

Insbe­son­dere dort, wo die Folgen von Umwelt­zer­stö­rung und Klima­wandel besonders drama­tisch sind, haben Betrof­fene vielfach nicht die Möglich­keit, ihre Anliegen zu arti­ku­lieren. Die arme Land­be­völ­ke­rung und indigene Gruppen sind dort, wo Wildwest-Manieren herrschen, massiv bedroht. Die Konflikte und Zusam­men­stöße zwischen Inter­es­sens­gruppen werden sich durch die zuneh­mende Wasser­knapp­heit, Vernap­pung von bioba­sierten und fossilen Ressourcen sowie die sich verschär­fende Flächen­kon­kur­renz zwischen Wald, Acker­böden, Energie- und anderen Infra­struk­tur­pro­jekten weiter verstärken. Statt dem Recht des Stärkeren wäre ein insti­tu­tio­na­li­sierter und lang­fris­tiger Inter­es­sen­aus­gleich sowie Einrich­tungen zur Findung von Kompro­missen nötig.

Die Beispiele zeigen, dass der Schutz von Mensch und Natur – d. h. Menschen­rechte und Natur­schutz – zusam­men­ge­dacht werden müssen. Nur dort, wo Menschen­rechte gewahrt werden, ist es beispiels­weise sozialen Bewe­gungen möglich, fort­wäh­rend auf Probleme hinzu­weisen und damit lang­fristig Verbes­se­rungen zu erstreiten.

Natürlich passiert es auch in liberalen Demo­kra­tien, dass Protes­tie­renden Unrecht angetan wird. Im Zuge der Räumung des Hambacher Forsts ist es gar zu einem tödlichen Unfall gekommen. Aller­dings gibt es zum einen eine Medi­en­öf­fent­lich­keit, die solche Fälle begleitet. Zum anderen besteht die Möglich­keit, Rechts­mittel einzu­legen. Unlängst hat das Verwal­tungs­ge­richt Köln den Poli­zei­ein­satz im Zusam­men­hang mit der Räumung des Hambacher Forsts für rechts­widrig erklärt. Betrof­fene können nun Scha­den­er­satz­for­de­rungen geltend machen. Ähnliches ist für Akti­vis­tinnen und Akti­visten in vielen Staaten Latein­ame­rikas, Afrikas sowie Asiens nicht denkbar.

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