Veran­stal­tungs­be­richt: „Desin­for­mation als politische Herausforderung“

Foto: Kevin Fuchs

Am 21. November fand in der nordrhein-westfä­li­schen Landes­ver­tretung eine Diskus­si­ons­ver­an­staltung statt, die sich mit den Auswir­kungen gezielter Desin­for­mation und der Stärkung der Resilienz einer demokra­ti­schen Öffent­lichkeit befasste. Es handelte sich um die dritte Veran­staltung unserer Reihe „Sicher durch die Trans­for­mation“, die wir in Zusam­men­arbeit mit der nordrhein-westfä­li­schen Landes­re­gierung ausrichten.

Der Schwer­punkt der Diskussion lag auf der zuneh­menden Bedrohung durch russische Desin­for­ma­ti­ons­kam­pagnen. Diese haben seit dem Angriff auf die Ukraine deutlich zugenommen.

Zu den Redner/​innen zählten

  • Nathanael Liminski, Minister für Bundes- und Europa­an­ge­le­gen­heiten, Inter­na­tio­nales sowie Medien in Nordrhein-Westfalen,
  • die Berliner Senatorin für Justiz und Verbrau­cher­schutz Felor Badenberg,
  • der tsche­chische Botschafter S.E. Jiří Čistecký und
  • der ehemalige deutsche Botschafter Arndt Freytag von Loringhoven.

Moderiert wurde die Veran­staltung von Ralf Fücks, Geschäfts­führer des Zentrum Liberale Moderne. Er stellte in seiner Eröffnung heraus, dass die syste­ma­tische Verwi­schung von Lüge und Wahrheit und das Schüren von Misstrauen gegenüber demokra­ti­schen Insti­tu­tionen und Medien Teil eines Infor­ma­ti­ons­kriegs gegen die liberalen Demokratien ist, der insbe­sondere von Russland betrieben wird. Die zentrale Heraus­for­derung liege darin, robuste Antworten auf Desin­for­ma­ti­ons­kam­pagnen zu finden, ohne auf die schiefe Ebene einer Einschränkung der Meinungs­freiheit zu geraten.

Keynote von Minister Nathanael Liminski: Vertrauen als Schlüsselressource

In seiner Keynote stellte Minister Nathanael Liminski das Thema „Vertrauen“ ins Zentrum. Vertrauen, so Liminski, sei die Grundlage für kollek­tives Handeln und gesell­schaft­lichen Zusam­menhalt. In liberalen Gesell­schaften fungiere Vertrauen als „Kitt“, der ein funktio­nie­rendes Mitein­ander ermög­liche. Dagegen schürten autoritäre Regimes gezielt Misstrauen, um Herrschaft durch Angst und Zersplit­terung zu sichern. Er warnte eindringlich vor den Auswir­kungen von Desin­for­mation im Vorfeld von Wahlen und betonte, dass Medien­kom­petenz, recht­liche Regulierung und Prävention drei zentrale Säulen im Kampf gegen Desin­for­mation seien. Die Bekämpfung von Desin­for­mation und die Stärkung der Abwehr­kräfte innerhalb der Bevöl­kerung seien ein großes Anliegen für ihn und die gesamte nordrhein-westfä­li­schen Landes­re­gierung. Sie fördert Projekte und Strategien, um die Autoim­mun­kräfte der Gesell­schaft gegen Desin­for­mation und Propa­ganda zu stärken.

Podiums­dis­kussion: Die Vielschich­tigkeit von Desinformation

Die anschlie­ßende Podiums­dis­kussion beleuchtete diverse Facetten des Phänomens: Senatorin Felor Badenberg definierte Desin­for­mation als „bewusste Verbreitung von Falsch­in­for­ma­tionen“ mit dem Ziel, gesell­schaft­liche Prozesse zu desta­bi­li­sieren. Sie verwies auf promi­nente Fälle wie den Hacker­an­griff auf den Bundestag und die Beein­flussung der US-Wahlen 2016. Besonders betont wurde die Rolle von sozialen Medien. Hier verbrei­teten viele Nutzer unwis­sentlich Desin­for­ma­tionen und verschärften somit die Herausforderung.

Russlands strate­gische Einflussnahme

Arndt Freytag von Loring­hoven verdeut­lichte, wie Russland Desin­for­mation als gezieltes Instrument zur Desta­bi­li­sierung westlicher Demokratien einsetzt. Durch staatlich kontrol­lierte Medien und automa­ti­sierte Bots würden insbe­sondere solche Desin­for­ma­tionen verbreitet, die politische Extreme stärken und gesell­schaft­liche Polari­sierung förderten. Botschafter Jiří Čistecký berichtete aus tsche­chi­scher Perspektive und stellte vor, wie spezia­li­sierte Einheiten im Innen­mi­nis­terium seines Landes Desin­for­mation analy­sieren und bekämpfen. In Deutschland fehlt es bislang an einer ähnlich profes­sio­na­li­sierten und spezia­li­sierten Einheit.

Die Diskussion zeigte auf, wie die Funkti­ons­weise sozialer Medien die Verbreitung von Desin­for­mation begünstigt. Ihre Algorithmen prämieren Emotio­na­li­sierung, polari­sie­rende Aussagen und Feind­bilder. Junge Menschen beziehen ihre Infor­ma­tionen zunehmend aus Platt­formen ohne journa­lis­tische Gatekeeper-Funktion. Automa­ti­sierte Kampagnen und der Einsatz von Künst­licher Intel­ligenz verstärken die Proble­matik. Senatorin Badenberg kriti­sierte, dass Deutschland im inter­na­tio­nalen Vergleich schlecht aufge­stellt sei, um diesen Heraus­for­de­rungen zu begegnen. Als Beispiel nannte sie eine Desin­for­ma­ti­ons­kam­pagne auf der Plattform X (ehemals Twitter), bei der über 50.000 gefälschte Accounts einge­setzt wurden, um die Unter­stützung für die Ukraine zu unter­graben. Dies sei nur ein Bespiel für viele Kampagnen die lange unent­deckt blieben. Wir kratzten bisher nur an der Spitze des Eisbergs.

Regulierung und Gegenmaßnahmen

Ein zentraler Punkt der Diskussion war die Frage, wie Desin­for­mation bekämpft werden kann, ohne in die Zensur­falle zu tappen. Minister Liminski betonte, dass freie Meinungs­äu­ßerung in einer Demokratie nicht als Deckmantel für gezielte Falsch­in­for­ma­tionen missbraucht werden dürfe. Es wurde über die Einführung einer zentralen Behörde disku­tiert, die Maßnahmen gegen Desin­for­mation bündelt und koordi­niert. Ebenso kamen Vorschläge wie die Identi­fi­zierung von  IP-Adressen und die Vorrats­da­ten­spei­cherung zur Sprache. Beide Vorschläge werden aus Bürger­rechts­per­spektive kontrovers diskutiert.

Einigkeit herrschte über die Bedeutung von Quali­täts­jour­na­lismus im Kampf gegen Desin­for­mation. Journa­lis­tische Sorgfalt und ein starker öffentlich-recht­licher Rundfunk wurden als zentrale Säulen der Demokratie hervor­ge­hoben. Gleich­zeitig wurde kritisch angemerkt, dass nicht in „Haltungs­jour­na­lismus“ verfallen werden sollte, der selbst zur Polari­sierung beiträgt. Statt­dessen müsse eine nüchterne, an Tatsachen orien­tierte Bericht­erstattung und eine Fehler­kultur in den Medien gestärkt werden, um ihre Glaub­wür­digkeit zu bewahren.

Eine gesamt­ge­sell­schaft­liche Aufgabe

Die Veran­staltung machte deutlich, dass Desin­for­mation eine ernst­hafte Gefahr für demokra­tische Gesell­schaften darstellt. Sie sind mit einem hybriden Angriff autori­tärer Staaten und extre­mis­ti­scher Kräfte konfron­tiert. Dagegen gilt es, das Vertrauen in demokra­tische Politik, die digitale Kompetenz der Bürge­rinnen und Bürger sowie eine plura­lis­tische Medien­land­schaft zu stärken. Gleich­zeitig bedarf es effek­tiver Strategien zur Regulierung sozialer Medien und Bekämpfung von Desin­for­mation. Sie muss auch unbequeme Meinungen aushalten  und gleich­zeitig entschlossen gegen gezielte Desin­for­mation vorgehen.

Hat Ihnen unser Beitrag gefallen? Dann spenden Sie doch einfach und bequem über unser Spendentool. Sie unter­stützen damit die publi­zis­tische Arbeit von LibMod.

Spenden mit Bankeinzug

Spenden mit PayPal


Wir sind als gemein­nützig anerkannt, entspre­chend sind Spenden steuerlich absetzbar. Für eine Spenden­be­schei­nigung (nötig bei einem Betrag über 200 EUR), senden Sie Ihre Adress­daten bitte an finanzen@libmod.de

Verwandte Themen

Newsletter bestellen

Mit dem LibMod-Newsletter erhalten Sie regel­mäßig Neuig­keiten zu unseren Themen in Ihr Postfach.

Mit unseren Daten­schutz­be­stim­mungen
erklären Sie sich einverstanden.