Wie sich rechte Parteien in Skandinavien etabliert haben
In Nordeuropa sind rechtspopulistische Parteien zu einem festen Bestandteil der politischen Systeme geworden. Fast überall haben sie, ob aus der Regierung oder Opposition heraus, großen Einfluss auf die Politik.
Wie in vielen westlichen Staaten verändert sich auch in den Ländern Nordeuropas die politische Kultur. Mehr Konfrontation und Polarisierung erhielten Einzug in Länder, in denen Konsensbildung und Kompromissfindung traditionell großgeschrieben werden, insbesondere aufgrund der bis 2015 stark ansteigenden Immigration. Die Parlamentswahlen in Schweden im September 2018 bestätigten diesen Trend und verstärkten den Prozess der politischen Fragmentierung. Sozialdemokraten und Konservative verlieren kontinuierlich an Unterstützung, kleinere Parteien hingegen gewinnen dazu. Rechtspopulisten untermauern ihre Stärke und vermehren ihren politischen Einfluss. In Dänemark, Finnland, Norwegen und jetzt auch in Schweden sind sie zu einer festen politischen Größe geworden. Dort erzielten die Schwedendemokraten, eine rechtspopulistische Partei, die erst seit 2010 im schwedischen Parlament vertreten ist, mit 17,5 Prozent ihr bislang bestes Ergebnis. Auch bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai wird sich die Etablierung der Rechtspopulisten im Norden fortsetzen.
Die meisten der rechtspopulistischen Parteien Nordeuropas stammen aus einem konservativ-ländlich geprägten Milieu. Nur die Schwedendemokraten haben neonazistische Wurzeln. Waren alle anfangs radikale Protestparteien, treten sie inzwischen gemäßigter auf. Eine deutliche Reduzierung der Einwanderung gehört aber weiterhin zu ihren Hauptanliegen. Die Schwedendemokraten befürworten dabei explizit eine völkische Staatskonstruktion mit einer einheitlichen Sprache, Kultur und Identität. Gleichzeitig geben sich die nordischen Rechten als Verteidiger des nordischen Wohlfahrtsstaates und machen damit den Sozialdemokraten das Kernthema streitig. Dabei verknüpfen sie soziale Fragen mit Migrationspolitik mit dem Argument, dass die Aufnahme von Flüchtlingen zulasten des auf Solidarität gründenden Wohlfahrtsstaats gehe. Deswegen, so die Logik, sollten Leistungen des Wohlfahrtsstaates Landsleuten ohne Migrationshintergrund vorbehalten sein. Desweiteren sind alle nordischen rechtspopulistischen Parteien EU-skeptisch, allerdings mit unterschiedlicher Nuancierung. Während die Schwedendemokraten und die „Finnen“ für ein EU-Referendum und den Austritt werben, fordert die Dänische Volkspartei nur eine klare Begrenzung des Einflusses der EU auf die dänische Politik.
Der Umgang mit und die Stellung der rechtspopulistischen Parteien im politischen System der nordischen Länder weist Unterschiede auf. In Dänemark strebt die Dänische Volkspartei – seit den Wahlen 2015 mit 21,1 Prozent zweitstärkste politische Kraft – nicht nach Macht im Sinne einer Regierungsbeteiligung, sondern übt Einfluss durch die Hintertür aus. Indem sie, wie schon zwischen 2001 und 2011, eine bürgerliche Minderheitsregierung toleriert, unterstützt sie zum Beispiel sozio-ökonomische Reformen der Regierung im Gegenzug für ständige Verschärfungen in der Migrations- und Asylpolitik und lässt damit andere Parteien ihre restriktive Politik umsetzen. Das in Skandinavien gängige Modell der Minderheitsregierungen, die über keine eigene Mehrheit im Parlament verfügen und daher auf Unterstützung aus der Opposition angewiesen sind, ermöglicht diese Art der Einflussnahme. Eine Regierungsbeteiligung wird von vielen populistischen Parteien gefürchtet, da dies bedeutet, Verantwortung zu übernehmen, an Lösungen mitzuarbeiten, Kompromisse einzugehen und damit Teil der konsensorientierten Politelite zu werden, für deren Bekämpfung sie stehen. Allerdings hat die Dänische Volkspartei in Umfragen vor den Wahlen zum Europäischen Parlament sowie den nationalen Parlamentswahlen im Juni mit rund 18 Prozent etwas an Zuspruch eingebüßt. Dies ist unter anderem dem härteren Migrationskurs der regierenden Liberalkonservativen sowie der oppositionellen Sozialdemokraten zuzuschreiben. Bei den Europawahlen 2014 war die Volkspartei mit 26,7 Prozent sogar noch klar stärkste Partei in Dänemark geworden.
In Finnland hat die Regierungsbeteiligung den Rechtspopulisten geschadet
In Finnland und Norwegen sind die Rechten das Wagnis der Regierungsbeteiligung nach langjähriger Isolation eingegangen – mit unterschiedlichem Erfolg. Während die norwegische Fortschrittspartei bei den Parlamentswahlen 2017 nach vierjähriger Regierungsbeteiligung mit 15,3 Prozent nur wenig verlor, hat in Finnland die Regierungsbeteiligung der „Finnen“ seit 2015 (damals 17,7 Prozent) die Partei geschwächt und gespalten. Anders als ihr norwegisches Pendant konnten die „Finnen“ aufgrund fehlender ministerieller Zuständigkeiten nur wenig Einfluss auf die Migrationspolitik geltend machen. Dies und ihre Zustimmung zum dritten Bailout-Paket für Griechenland, nachdem sie als Oppositionspartei die früheren Pakete bekämpft hatten, beschädigten ihre Glaubwürdigkeit bei den Wählern. Nach der Spaltung ist der moderate, weiter an der Regierung beteiligte Teil „Blaue Zukunft“ in Umfragen kaum noch wahrnehmbar. Doch der andere, zu einer radikaleren Oppositionspolitik zurückgekehrte Teil hat sich wenige Monate vor der nationalenParlamentswahl am 14. April und den Europawahlen unter dem alten Namen bei etwa 12 Prozent eingependelt.
In Schweden schwebte den Schwedendemokraten ein dem dänischen ähnliches Modell vor, jedoch waren sie politisch auf nationaler Ebene bislang weitestgehend isoliert. Erst im Kontext der Regierungsbildung nach den letzten Wahlen signalisierte die konservative Moderate Sammlungspartei Bereitschaft, eine Minderheitsregierung von den Schwedendemokraten tolerieren zu lassen, scheiterte aber mit diesem Vorhaben. In jüngsten Umfragen stehen die Schwedendemokraten stabil bei 18 bis 20 Prozent und könnten weiter davon profitieren, dass die neugebildete rotgrüne Minderheitsregierung, die auf Unterstützung aus dem gespaltenen bürgerlichen Lager angewiesen ist, auf wackligen Füßen steht.
Folglich haben in Skandinavien keine der gängigen Methoden im Umgang mit Rechtspopulisten – Isolation, Ignorieren, Imitation und Integration – effektiv funktioniert und ihre Zustimmungswerte entscheidend gemindert. Fast überall hatten sie, ob aus der Regierung oder Opposition heraus, großen und entscheidenden Einfluss auf eine zunehmend restriktive und national orientierte Migrations‑, Asyl‑, Integrations- und Sicherheitspolitik. Die rechtspopulistischen Parteien sind in Nordeuropa zu einem festen Bestandteil der politischen Systeme geworden. Ihr Verschwinden ist derzeit nicht absehbar.
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