Bezahl­mo­delle: Journa­lismus darf etwas kosten!

Alexandra Borchardt für das Zentrum Liberale Moderne (LibMod) über Bezahlmodelle im Journalismus und Folgen für die Demokratie
Sharomka /​ Shutter­stock

Das Angebot an Infor­ma­tionen und Meinungen ist zu einem Überan­gebot geworden. Der Preis für viele journa­lis­tische Produkte tendiert gegen Null. Deshalb müssen Zeitungs­häuser und Medien­kon­zerne die Bedürf­nisse ihres Publikums ergründen. Bezahl­mo­delle funktio­nieren im Lokal­jour­na­lismus besonders gut.

Wenn es um ihre eigenen Produkte geht, geben sich manche Journa­listen erstaunlich wenig selbst­be­wusst. „Leider, leider steht dieser Text hinter einer Bezahl­schranke“, kann man zuweilen in den sozialen Netzwerken lesen, wenn eine Autorin oder ein Autor ihr eigenes Werk anpreist. Beim Bäcker zum Beispiel käme so etwas niemandem in den Sinn. „Leider, leider muss ich für dieses Kürbiskern-Brötchen Geld verlangen“ – schon mal gehört? Okay, man kann das nicht direkt vergleichen. Denn ein Brötchen gibt es nicht so ohne weiteres geschenkt. Um hingegen Journa­lismus zu bekommen, der nichts kostet, reicht meist ein einziger Scroll oder Klick. In der Infor­ma­tions- und Aufklä­rungs­branche hat die Digita­li­sierung zu einem Markt­ver­sagen geführt. 

Portrait von Alexandra Borchardt

Alexandra Borchardt ist Journa­listin und Autorin von ‚Mehr Wahrheit wagen – Warum die Demokratie einen starken Journa­lismus braucht‘

Aller­dings sind sich viele Reporter und Redak­teure selbst nicht so sicher, ob sie für ihre Produkte etwas verlangen dürfen. Schließlich sei die Aufklärung der Bürger auch ein öffent­liches Gut, von dem alle profi­tieren sollten, nicht nur dieje­nigen, die es sich leisten könnten, sagen sie. Journa­lismus, der nichts kostet, sei deshalb ein Dienst an der Demokratie. Man kann aller­dings auch anders argumen­tieren: Die Demokratie braucht Medien, die ihre Rolle als Wächter, Welterklärer und Vermittler zwischen gesell­schaft­lichen Gruppen und einzelnen Menschen ernst nehmen und mit Leiden­schaft ausfüllen. Die Bereit­schaft der Bürger, für Journa­lismus zu zahlen, ist ein Gradmesser dafür, ob ihnen das gut genug gelingt.

Friedrich Merz: Wir brauchen Journa­listen nicht mehr

Die Situation ist verfahren, und das hat mehrere Gründe. Einer­seits ist das Angebot an Infor­ma­tionen und Meinungen zu einem Überan­gebot geworden: Da Menschen mittei­lungs­be­dürftig sind, wollen sie mit ihren Botschaften vor allem gehört werden. Dafür auch noch Geld zu verlangen, kommt nur denje­nigen in den Sinn, die davon leben müssen oder eben jene Organi­sa­tionen am Laufen halten, die sich der Aufklärung der Bürger verschrieben haben. Die anderen würden notfalls sogar drauf­zahlen, um gehört zu werden. „Wir brauchen die nicht mehr“, sagte der von Führungs­am­bi­tionen getriebene CDU-Politiker Friedrich Merz kürzlich an die Adresse von Journa­listen und sprach damit vor allem eine Wahrheit aus: Der  immer noch beliebte Journa­lismus des Typs „der hat gesagt, die hat gesagt“ ist vom Aussterben bedroht. Auf dem Markt für Infor­ma­tionen tendiert der Preis für viele Arten von Inhalten gegen Null.

„Click­baiting“ höhlt Vertrauen aus

Anderer­seits hat sich die Medien­branche die Kostenlos-Kultur auch selbst zuzuschreiben. Zu lange hatte sie in dem Irrglauben verharrt, das Erfolgs­modell „Werbung finan­ziert Inhalt“, oder zumindest einen großen Teil davon, ließe sich von der Welt der gedruckten Zeitung eins zu eins in die Online-Welt übertragen. Dass daraus ein Modell „Inhalte finan­zieren Daten für Internet-Konzerne“ werden würde, hatten sie nicht geahnt.

Von der Strategie, Texte aus Druckerzeug­nissen für jeden zugänglich online zu stellen, hat aller­dings bislang niemand profi­tiert. Die Medien­häuser haben damit zwar ihre Reich­weiten erhöht, vor allem betraf das aber verwech­selbare Inhalte – das so genannte Clickbait –, die ihr Profil verwässert und Vertrauen ausge­höhlt haben. Einige Journa­listen und Blogger konnten sich zwar persönlich als Marke etablieren und massen­weise Follower um sich scharen, das allein sichert aber selten ihren Lebens­un­terhalt. Die Plattform-Konzerne haben auch wenig von der Kostenlos-Kultur der Medien, denn der Anteil journa­lis­ti­scher Inhalte an allem, was rund um die Uhr über das Netz verbreitet wird, liegt im unteren einstel­ligen Bereich. Und nicht einmal der Anspruch auf mehr Demokratie wurde eingelöst. Nach einer Studie des Reuters Insti­tutes for the Study of Journalism am Beispiel Großbri­tannien ist der Nachrich­ten­konsum in der digitalen Welt noch ungleicher verteilt als offline: Während gebildete Schichten sich online aus mehr Quellen infor­mieren, bekommen sozial schlechter gestellte wegen des Überan­gebots an Unter­haltung und anderen Ablen­kungen noch seltener mit Journa­lismus in Berührung als vorher.

Schreib­tisch­jour­na­lismus

Gewinner sind einzig die Bildungs­eliten, die mit der neuen Infor­ma­ti­onswelt gut umgehen können. Die könnten es sich leisten, für guten Journa­lismus Geld auszu­geben, aber sie tun es selten, wenn sie es nicht müssen. Weltweit zahlen laut dem Digital News Report, der 38 Länder analy­siert, nur etwa 14 Prozent aller online Nutzer für journa­lis­tische Angebote. In einigen skandi­na­vi­schen Ländern, in denen es wenige kosten­freie Quali­täts­an­gebote gibt, sind es immerhin bis zu 30 Prozent.

In vielen einst prospe­rie­renden Zeitungs­häusern rangieren die Strategien deshalb irgendwo zwischen Kürzen und Kahlschlag. Überall auf der Welt ächzen Medien gleich­zeitig unter dem Versuch, kosten­pflichtige Angebote aufzu­bauen. Das ist schwierig. Denn viele Redak­tionen haben sich aus der Not heraus auf eine Art „Copy und Paste“-Journalismus einge­schossen, für den man den Schreib­tisch nicht verlassen muss. Für solche Billig-Ware zahlen die Konsu­menten nicht, doch für was dann? Vor lauter Ringen um Klicks und Reich­weite haben viele Medien­schaf­fende den Kontakt zu ihrem Publikum verloren.

Geschäfts­modell Lokaljournalismus

Klar ist: Konsu­menten sind eher nicht geneigt, für einzelne Inhalte Geld auszu­geben. Es gibt schlicht zu viele davon. Sie zahlen für ein Erlebnis, zum Beispiel für ein Ritual am Morgen oder ein Event am Abend. Sie zahlen für Service und Beratung. Und sie zahlen für das Quali­täts­ver­sprechen einer Marke, die es schafft, Vertrauen aufzu­bauen und zu pflegen. Menschen müssen sich vom Journa­lismus ernst genommen fühlen, wenn sie ihn unter­stützen sollen. Redak­tionen müssen sich deshalb auf ihren Kern zurück­be­sinnen: Sie müssen sich ihrem spezi­ellen Publikum zuwenden, dessen Bedürf­nisse ergründen und ihm dienen. Im Lokal­jour­na­lismus kann das besonders gut gelingen.

Nur wer sich unver­zichtbar oder zum Teil einer liebge­wor­denen Routine macht, kann das in Rechnung stellen. Bürger brauchen Orien­tierung. Sie werden nicht für alles zahlen wollen, und wenige können es wirklich nicht. Auch für sie muss es Angebote geben, ob öffentlich-rechtlich oder stiftungs­fi­nan­ziert. Aber noch geben viele Menschen für den Milch­kaffee zum Mitnehmen mehr Geld aus als für den Journa­lismus, an dem sie mehr und länger Freude haben sollten. Es liegt in den Händen der Medien­häuser, das zu ändern. Journa­lismus, der so viel Spaß macht wie ein „Coffee to go“: Das muss zu schaffen sein.

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