Der freie Geist Hongkongs wird ausgelöscht!
Hongkongs freie Gesellschaft wird durch die nationalen Sicherheitsgesetze zerstört. Mit der jetzigen Wahl von John Lee zum Regierungschef ist für die Demokratiebewegung Hongkongs ein Alptraum wahr geworden. Als Sicherheitsminister war er für die Niederschlagung der Proteste 2019 verantwortlich.
Als 2019 tausende Menschen in Hongkong für Demokratie und Freiheit auf die Straße gingen, riefen sie auch „Nieder mit John Lee!“. Der Sicherheitsminister und frühere Polizist antwortete ihnen mit Tränengas, Gummigeschossen und Verhaftungen. Am Sonntag wurde Lee zum neuen Regierungschef Hongkongs gewählt – ein Schlag für die Demokratiebewegung des Landes, die über die letzten zwei Jahre fast vollständig eingeschüchtert und erstickt wurde.
Es dürfte der wahrgewordene Alptraum der Demokratieaktivisten Hongkongs sein: John Lee schlug in seiner Funktion als Sicherheitsminister die Proteste in Hong Kong 2019 gewaltsam nieder. Nun ist er am Sonntag bei einer Scheinwahl als neuer Chief Executive Hongkongs bestätigt worden. Der Peking-treue Hardliner wird das „Chinesische Sicherheitsgesetz für Hongkong“ weiter ausbauen und anwenden. Seit 2020 sind unter dem Gesetz 150 Menschen festgenommen und jede Kritik an Peking unterdrückt worden. Experten warnen, die schleichende Ausradierung des liberalen Geistes Hongkongs zeige, zu was die Kommunistischen Parteien in freien Gesellschaften weltweit fähig seien. Hongkonger sagen, das Gesetz mache sie „staatenlos“, es ermögliche einen „kulturellen Genozid“.
„Ich freue mich darauf, dass wir alle gemeinsam ein neues Kapitel beginnen und ein fürsorgliches, offenes und lebendiges Hongkong aufbauen, ein Hongkong voller Möglichkeiten und Harmonie“, sagte Lee in seiner Siegesrede am Sonntag. Als einziger Kandidat gewann er mit über 99 Prozent der Stimmen. Der Ausschuss, der ihn wählte, war von Peking handverlesen worden, um sicherzustellen, dass nur „Patrioten“ das Amt antreten können. Der außenpolitische Chef der Europäischen Union, Josep Borrell, sagte, die Wahl verletze „die demokratischen Prinzipien und den politischen Pluralismus Hongkongs“. Am 1. Juli wird Lee seine Vorgängerin Carrie Lam ablösen.
Lams fünfjährige Amtszeit kann nicht als „harmonisch und offen“ bezeichnet werden. Nachdem die Regierung 2019 ein Auslieferungsgesetz ankündigte, forderten tausende Menschen in großen Protesten Lams Rücktritt. Die Hongkonger, die von der ehemals britischen Besetzung eine freiheitliche, demokratische Gesellschaft erbten, sahen in Lam eine Agentin Pekings, die ihnen ihre Rechte nehmen würde. Das „Chinesische Sicherheitsgesetz“, das im Jahr darauf verabschiedet wurde, bestätigte diese Befürchtung.
Mehr als 150 Personen wurden seit 2020 unter dem Sicherheitsgesetz festgenommen, das „Sezession, Subversion, Terrorismus und geheime Absprachen mit ausländischen Streitkräften“ verbietet. Fast alle prominenten pro-demokratischen Aktivisten wurden inhaftiert, andere flohen ins Ausland oder wurden eingeschüchtert, um sie mundtot zu machen. Lokale, freie Medien wie „Apple Daily“ wurden ausgeschaltet, ihr prominenter Herausgeber Jimmy Lai auf Anordnung von John Lee verhaftet. „Reporter ohne Grenzen“ setzte Hongkong dieses Jahr im Pressefreiheitsindex auf Platz 148 von 180. Damit rutschte es im Vergleich zum Vorjahr 60 Plätze ab.
Tausende Einwohner haben die 7,4‑Millionen-Einwohner-Stadt nach den Protesten 2019 und den anschließenden drakonischen Restriktionen während der Pandemie verlassen. Allein 2021 bewarben sich fast 100.000 Hongkonger für ein spezielles Ausreise-Visum für Großbritannien.
„Die Menschen, die ihre Identität besonders stark an Hongkong binden, erkennen ihre Stadt nicht wieder. Ihre Realität und ihre Werte wurden ausgelöscht“, sagt Evan Fowler (WELT). Er hat mit einer der Leitfiguren der Demokratiebewegung, Nathan Law, ein Buch geschrieben. Bereits 2018 floh Fowler nach London, auch weil er sich als Leiter des „Hong Kong Identity Project“ nicht mehr sicher fühlte. Die „Festlandisierung Hongkongs“ durch den mächtigen Nachbarn Chinas bezeichnen er und andere Kritiker als „kulturellen Genozid“. Viele Menschen haben keine andere Wahl als zu fliehen. Sie sähen sich als „staatenlos“. „Eine liberale, offene und in vielerlei Hinsicht freie Gesellschaft, einst Heimat einer aufkeimenden Zivilgesellschaft, wurde zerstört“, sagt Fowler. Schon Schulkindern würde heute der chinesische Patriotismus eingeflößt, indem ihnen beigebracht werde, es sei das „größte Privileg chinesisch zu sein“. Eurasische Familien hingegen würden kritisiert nicht „chinesisch genug“ zu sein.
„Was in Hongkong geschieht, zeigt die Bedrohung Chinas und der Kommunistischen Partei für offene, liberale und freie Gesellschaften auf der ganzen Welt“, sagt Fowler. Das nationale Sicherheitsgesetz untergrabe liberale Werte, demokratische Institutionen und Rechtsstaatlichkeit. Es sei ein chinesisches Gesetz, das in das Common Law-System Hongkongs eingeführt worden sei und dies könne auch in anderen Rechtssystemen passieren. In Hongkong verstoße dies gegen die chinesisch-britische Erklärung von 1984. Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit und der hohe Grad an Autonomie, der Hongkong bei der Übergabe durch Großbritannien an China 1997 für 50 Jahre versprochen wurde, ist heute schon nicht mehr gegeben.
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