Möglichkeiten und Grenzen der CO2-Speicherung im Ozean und Küstenbereichen
Beim vierten Fachgespräch unserer Stakeholder-Dialoge „Carbon Management – Negative Emissionen“ am 25. Oktober standen marine Carbon Dioxide Removal-Methoden im Mittelpunkt. Gemeinsam mit dem Forschungsverbund CDRmare und VertreterInnen aus Wissenschaft, Umweltverbänden und Politik haben wir über Risiken, Möglichkeiten und Grenzen der CO2-Speicherung im Ozean und Küstenbereichen diskutiert.
Ausgangssituation
Nachdem in den vorangegangenen Fachgesprächen die Rolle von Carbon Management und negative Emissionen in der Stahl‑, Papier‑, Kalk‑, Glas‑, und Zementindustrie, der Chemieindustrie sowie im Land- und Forstsektor im Mittelpunkt stand, ging es im vierten Fachgespräch um die Meere. Der Ozean kann enorme Mengen Wärme und CO2 aufnehmen und trägt damit zur Stabilisierung des Erdklimas bei. Unterschiedliche Ansätze zur Speicherung von CO2 im Ozean und dessen Küsten haben wir mit WissenschaftlerInnen aus diesem Bereich diskutiert.
Klar wurde, dass Meeresschutz und Klimaschutz zusammen gedacht werden müssen. Zahlreiche marine Arten und Ökosysteme werden durch die Erwärmung und Ozeanversauerung beeinträchtigt, was sich wiederum auf wichtige Funktionen des Ozeans, einschließlich der Aufnahme und Speicherung von Wärme und CO2 auswirken kann. Ebenso klar ist, dass es keine Alternative zu einer treibhausgasneutralen Zukunft gibt, denn die globale Erwärmung kann nur durch als »Netto-Null« bezeichnete Treibhausgasneutralität gestoppt werden.
Doch auch nach der Ausschöpfung aller Optionen für Emissionsminderungen (z. B. Stopp der Nutzung fossiler Energien, Umstellung der Ernährung) werden nach heutigem Wissensstand weiter schwer vermeidbare Emissionen bestehen, wenn wir sozial verträglich leben wollen. Diese setzen sich vor allem aus Prozessemissionen in der Kalk‑, Zement‑, und Chemieindustrie und der Landwirtschaft zusammen. Besonders bei Punktquellen kann durch die direkte Abscheidung des CO2 und die langfristige unterirdische Speicherung (CCS – Carbon Capture and Storage) verhindert werden, dass Treibhausgase überhaupt erst in die Atmosphäre gelangen.
Emissionen, die durch CCS oder anders nicht vermieden werden können, werden als Restemissionen bezeichnet. Diese belaufen sich für Deutschland nach heutigen Rechnungen auf 60 bis 130 Mt CO2-Äquivalenten pro Jahr, zu einem großen Teil in Form von Methan und Lachgas. Aus diesem Grund wird die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre und dessen langfristige Speicherung nötig, um den Anstieg der Erdtemperatur auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen. Durch naturnahe, landbasierte CO2-Entnahme, zum Beispiel durch (Wieder)Aufforstung, könnten nach heutigen Schätzungen etwa 25 % der Restemissionen ausgeglichen werden.
Abbildung: Emissionszusammensetzung in ambitionierten Klimaschutzpfaden. Wesentlich ist ein deutlicher Rückgang der Emissionen von Fossil CO2 (fossile Energien) und Managed Land (CO2 in der Landwirtschaft) bis Mitte des Jahrhunderts. CDR Removals on managed land und other removals (in orange) sind natürliche CO2-Senken (z. B. Aufforstung). Auch bei ambitionierter Emissionsreduktion bleiben einige Restemissionen übrig, die durch CO2-Entnahme ausgeglichen werden müssen. Quelle: IPCC AR6 WG III, Cross Chapter Box 8.
Marine CDR-Methoden
Der Ozean enthält etwa 40.000 Milliarden Tonnen Kohlenstoff, wobei der größte Teil als Karbonat- und Biokarbonat-Ionen im Meerwasser gelöst ist. Mit diesem Kohlenstoff-Reservoir übertrifft der Ozean den Kohlenstoffgehalt der Atmosphäre um mehr als das 50-fache. Beide Systeme stehen in einem steten Kohlenstoffaustausch über die Meeresoberfläche. Weil die CO2-Konzentration in der Atmosphäre aufgrund der vom Menschen verursachten Emissionen steigt, absorbiert auch der Ozean mehr Kohlendioxid. Das heißt, im Gegensatz zur vorindustriellen Zeit nimmt er nun mehr CO2 aus der Atmosphäre auf, als er an anderer Stelle abgibt. Die Weltmeere haben in den zurückliegenden Jahrzehnten etwa 25 Prozent der vom Menschen verursachten Kohlendioxid-Emissionen aus der Atmosphäre aufgenommen und so die Erderwärmung maßgeblich gebremst.
Für den Ausgleich der oben erwähnten Restemissionen ist der Ozean mit seinem enormen Kohlenstoffspeicherungspotenzial trotz der bereits großen Mengen aufgenommenen CO2, weiterhin wichtig. Unser Kooperationspartner für das Fachgespräch, die Forschungsmission CDRmare, untersucht biologische, chemische und geologische CO2-Entnahme- und Speichermethoden:
- Biologische Methoden nutzen Photosynthese, zum Beispiel durch vermehrten Anbau von Algen, Seegräsern oder Mangroven, die CO2 Zudem speichern Küstenökosysteme, die auf Weichsedimenten wachsen (Salzmarschen, Seegraswiesen oder Mangrovenwälder) große Mengen von organischem Kohlenstoff langfristig im Untergrund.
- Chemische Methoden nutzen alkalische Substanzen, wie Kalk oder Basalt. Bei der Alkalinitätserhöhung werden diese Substanzen meist an Land zerkleinert und durch Verwitterungsprozesse im Meerwasser aufgelöst. Durch die Verwitterungsprozesse wird im Wasser gelöstes CO2 chemisch gebunden und die Aufnahmekapazität des Ozeans für atmosphärisches CO2entsprechend erhöht.
- Geologische Methoden speichern CO2 tief unter dem Meer im Meeresboden. Diese Methoden können je nach Herkunft des CO2 zur Emissionsvermeidung aber auch für CDR eingesetzt werden. Durch das Abscheiden und Speichern von CO2 an Bioenergieanlagen (BECCS – Bioenergy with Carbon Caputure and Storage) oder durch die direkte Abscheidung von CO2 aus der Luft (DACS – Direct Air Capture and Storage) entnimmt man CO2 aus der Atmosphäre und kann so Restemissionen ausgleichen. Wird das gespeicherte CO2 direkt an Industrieanalagen abgeschieden, spricht man von vermiedenen Emissionen.
Bei all diesen Methoden bestehen Risiken, so Prof. Dr. Andreas Oschlies, Co-Sprecher Forschungsmission CDRmare, GEOMAR. Bei der Alkalinisierung beispielsweise müssten im großen Stil Mineralien an Land abgebaut werden, um im Meer CO2 speichern zu können: pro Tonne CO2 wird mehr als eine Tonne Gestein benötigt.
Bei geologischen Methoden besteht das Risiko von Leckagen, also der Austritt von CO2 aus dem Meeresboden. Hier zeigen Forschungsergebnisse allerdings, dass geologische Speicherung das Potenzial hat, CO2 auf lange Sicht zu speichern und dass das Risiko von Leckagen auch auf sehr langen Zeithorizonten wohl auf wenige Prozent des eingebrachten CO2 begrenzt werden kann.
Auch bei biologischen Methoden bestehen Risiken. So können beispielsweise extreme Naturereignisse, wie Sturmfluten, aber auch direkte menschliche Eingriffe dafür sorgen, dass große Mengen an Seegraswiesen zerstört werden und das im Sediment gespeicherte CO2 freigesetzt wird.
Um weitere mögliche Risiken, vor allem aber die Möglichkeiten und Chancen von CDR-Maßnahmen objektiv und nach besten wissenschaftlichen Standards beurteilen zu können, sind wissenschaftlich begleitete Pilotstudien/Feldversuche nötig. Global werden bereits einige marine CDR-Methoden erforscht, wie beispielsweise das Potenzial von Makroalgenkulturen oder die Anpflanzung von Seegras und Mangroven bzw. die Ausweitung von Salzmarschen.
Prof. Martin Zimmer, Koordinator sea4soCiety, ZMT betonte, dass die Kapazitäten von ‚Blue Carbon‘ Maßnahmen in Deutschland begrenzt seien und deswegen internationale Kooperationen eine wichtige Rolle spielten. Hierbei fokussiert sich die Forschung seines Teilprojekts auf die Wiederherstellung und Neuanpflanzung unter Berücksichtigung von Ecosystem Co-Design. Dieses bedeutet, dass Akteure vor Ort in die Planungsprozesse mit eingebunden werden und solche Ökosysteme und Pflanzenarten ausgewählt werden, die am effektivsten zu den lokal benötigten Ökosystemleistungen, beispielsweise Küstenschutz, beitragen.
Dr. Mar Fernández-Méndez, Wissenschaftlerin in CDRmare Forschungsverbünden und Gruppenleiterin am AWI & CEO MacroCarbon, verwies darauf, dass, verglichen mit anderen Blue Carbon Maßnahmen, durch die Vermehrung von Algenkulturen wie der Sargassum-Alge im offenen Meer mit viel Platz – im Gegensatz zu den Küstenbereichen – viel CO2 auf einer relativ kleinen Fläche gespeichert werden kann.
Um den Kohlenstoff in mariner Biomasse langfristig zu binden, können entweder Produkte erzeugt werden, die fossile Brennstoffprodukte wie beispielsweise Plastik ersetzen, oder die Biomasse kann in der Tiefsee gelagert werden. Der zweite Prozess vollzieht sich bereits auf natürliche Weise im Ozean, um die hochskalierten Wirkungen zu bemessen, müsste allerdings weiter Forschung betrieben werden. Zudem sind weitere Beobachtungen nötig, etwa zu potenziellen positiven Nebeneffekten wie einer Veränderung des Reflexionsvermögens der Wasseroberfläche (Albedo-Effekt), Auswirkungen auf die Biodiversität oder zur Dauerhaftigkeit der Speicherung.
Dr. Christine Merk, stellvertretende Direktorin Global Commons und Klimapolitik am IfW Kiel, betonte, dass die soziale Akzeptanz der Bevölkerung von CDR-Methoden maßgeblich davon abhänge, wie die Politik diese Themen kommuniziert. Außerdem brauche es einen sicheren, glaubwürdigen Pfad zum Ausbau erneuerbarer Energien, damit beispielsweise marines CCS nicht dazu führt, dass der Ausstieg aus fossilen Energien aufgeschoben wird.[1] Hier spiele auch eine Rolle, dass das Misstrauen gegenüber der Industrie größer sei als gegenüber der Wissenschaft. Deshalb sei es aus politischer Sicht wichtig, Pilotprojekte zu regulieren und zu überprüfen, damit das öffentliche Vertrauen nicht unnötig gefährdet wird.
Da die Potentiale einzelner Entnahmemethoden begrenzt sind, kann nur ein Mix aus Ansätzen erfolgreich sein. Aus diesem Grund ist es problematisch die in der Öffentlichkeit beliebten sogenannten ‚natürlichen´ Ansätze und weniger beliebte, als technisch wahrgenommene Methoden, gegeneinander auszuspielen.
Diskussion und Anregungen
Die Diskussion verdeutlichte, dass marine CDR- und CCS-Methoden weltweit eine wachsende Rolle spielen. In anderen Ländern werden Methoden zur CO2-Entnahme- und ‑Speicherung bereits erprobt, teilweise ohne eine unabhängige wissenschaftliche Begleitung oder sorgfältige staatliche Aufsicht. Deutschland gerät hier ins Hintertreffen. Die Frage dabei ist: Wollen wir uns auf Akteure im Ausland verlassen oder selbst entsprechende Methoden weiterentwickeln und unter wissenschaftlicher Begleitung testen? Beispielsweise ist eine engmaschige Kontrolle des im marinen Untergrund gespeicherten CO2 oder durch Alkalinisierung und Blue Carbon-Maßnahmen erhöhten CO2-Speicherpotentials dringend nötig. Entsprechende Vorgaben könnten das in Deutschland ermöglichen – in Norwegen etwa ist man von den Angaben der beteiligten Unternehmen abhängig.
Diskutiert wurde außerdem die Rolle von kommerziellen Geschäftsmodellen, Möglichkeiten der Skalierung von marinen Ansätzen, oder die Dauerhaftigkeit der CO2-Speicherung.
Mehrfach wurde auf die Notwendigkeit hingewiesen, Klimaschutz und Dekarbonisierung deutlicher zu priorisieren. Außerdem muss die Diskussion darüber, wie Restemissionen definiert werden, intensiviert werden. An die Politik wurde appelliert, begleitende Forschung und Feldversuche mariner CDR-Methoden zuzulassen. Es gibt Risiken, aber auch Chancen, die nur durch weitere Forschung identifiziert werden können. Dafür braucht es eine Offenheit für Lösungsansätze – nichts zu tun, ist angesichts des schwerwiegenden Problems keine Option.
[1] Hier noch einmal der Hinweis, dass nur BECCS und DACS als CDR-Maßnahmen gelten können, da das CO2 direkt aus der Atmosphäre entzogen wird, bevor es im marinen Untergrund gespeichert werden könnte.
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