Die Freunde der Despoten – Antiamerikanismus und Autokraten-Nähe des BSW
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Das Bündnis Sahra Wagenknecht surft auf einer Welle des Antiamerikanismus, inszeniert sich als Beschützer des „kleinen Mannes“ und wiederholt Putins Narrative. Es distanziert sich von Israel, schweigt zu Teheran und China und vermeidet es, wirkliche Antworten auf europapolitische Fragen zu liefern. Germany first! lautet die Devise dieses außenpolitischen Kurses, mit dem das BSW der „Achse der Autokraten“ nähersteht als demokratischen Allianzen, wie unser Autor Till Schmidt analysiert.
Auf dem letzten Bundesparteitag des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) Mitte Januar griff Sevim Dagdelen tief in die Mottenkiste altlinker Phrasen: „Ami, go home. Es ist Zeit“, rief sie den Delegierten zu. Es sei Zeit – die „Vasallentreue deutscher Regierungen gegenüber den USA“ zu beenden und nicht mehr „an der Seite der USA Waffen in alle Kriegsgebiete dieser Welt“ zu liefern, so Dagdelen. Ihre umjubelte Rede schloss die Außenpolitikerin mit den Worten: „Es ist an der Zeit, Deutschland, unser Land, verdient Souveränität.“
Abgrenzung von der AfD im Namen der „kleinen Leute“
Gleich zu Beginn ihrer Rede grenzte sich Dagdelen auch von der AfD ab. Ohne die Partei namentlich zu nennen, warf die langjährige Bundestagabgeordnete Dagdelen den Rechtsextremen vor, nicht der deutschen Bevölkerung, sondern – genauso wie die anderen Parteien hierzulande – den Interessen von US-Milliardären zu dienen. Kritisiert wird die AfD aus den Reihen des BSW aber nicht nur für ihre öffentliche Kungelei mit Elon Musk. Auch Parteichefin Sara Wagenknecht betont inzwischen unmissverständlich: Die AfD stehe im Kern für eine „Ellenbogengesellschaft“.
Auch mit diesen Akzenten versucht das BSW, Stimmen von potenziellen AfD-Wählerinnen und ‑Wählern zu gewinnen. Ihnen soll bewusst gemacht werden, dass die Politik der AfD, die etwa auf eine vollumfängliche Privatisierung der öffentlichen Infrastruktur vorsieht, materialistisch gesehen ganz und gar nicht dem Wohl der „kleinen Leute“ dient. Mit Umfragewerten von knapp unter 5 Prozent muss das BSW nun um jede Stimme kämpfen. Die AfD hingegen verfügt als Profiteur der aktuellen Asyldebatte und mit Umfragewerten von bundesweit knapp 20 Prozent über ein enormes Selbst- und Machtbewusstsein.
Faszination Autokratie?
Wegen ihres problematischen Bezugs zu autoritären Regimes stehen beiden Parteien seit langem in der Kritik. Bei der AfD und in ihrem politischen Vorfeld entspringt dies vor allem der ideologischen Affinität zu illiberalen Kräften weltweit und einer Bewunderung von besonders jenen, die anderenorts schon an der politischen Macht sind oder zumindest näher dran als man selbst. Wenig plausibel hingegen ist es, dem BSW ein ähnliches ideologisches Faible für Autokratien vorzuwerfen. In der Außen- und Geopolitik finden sich gemeinsame Schnittmengen zwischen den Parteien vor allem im Antiamerikanismus.
In der AfD als mittlerweile über zehn Jahre alten rechtsextremer Sammlungsbewegung wird der Antiamerikanismus allerdings nicht geschlossen und konsistent vertreten; zumal die autoritäre Regierungs-Politik der zweiten Trump-Administration sowie die neu entstandene Unterstützung durch Elon Musk in dieser Hinsicht noch Akzente setzen dürften. Anders beim erst im September 2023 gegründeten und straff von oben geführten BSW. Durch die außen- und geopolitischen Positionen und Forderungen des BSW zieht sich ein hermetischer Antiamerikanismus, der mit pazifistischen Floskeln und populistischem Nationalismus verbunden wird.
Zentrale Referenz am Ende einer typischen Argumentationskette des BSW ist die rhetorische Figur der deutschen Bevölkerung, die von der politischen Elite geknechtet werde. So etwa in Gestalt des deutschen Steuerzahlers, der aktuell vor allem durch Russland-Sanktionen, Ukraine-Unterstützung oder – angeblich unnötige – Investitionen in die militärische Verteidigungsfähigkeit Deutschlands um sein Geld gebracht werde. Über all dem stehe eine irrsinnige Kriegstreiberei der politischen Elite: Für das BSW ist es nicht Teil einer rationalen Präventionsstrategie, sondern schlicht „Wahnsinn“, dass die deutsche Bevölkerung an den „Gedanken gewöhnt“ werde, „dass der Krieg irgendwann auch zu uns kommt,“ heißt es hierzu im Wahlprogramm.
Schadenfreude und Gleichgültigkeit
Wenn das BSW das Wohlergehen des „deutschen Steuerzahlers“ in den Mittelpunkt stellt, dann nimmt es dafür nahezu jeden Preis in Kauf. Zudem sind seine populistischen Forderungen äußerst kurzsichtig. Eine mittel- und langfristige Strategie, wie den globalisierten sicherheits- und geopolitischen Herausforderungen unserer Zeit im Interesse Deutschlands und Europas klug begegnet werden kann – eine solche Strategie formuliert das BSW nicht. Der Publizist Albrecht von Lucke spricht daher von einem „eskapistischen National-Egoismus“ des BSW, der im binären Blockdenken und dem antiimperialistischen Antiamerikanismus des Kalten Krieges „stecken geblieben“ ist.
Multipolare Weltordnung und „Ami go home“
Wenn das BSW, wie im Wahlprogramm, den Begriff der „multipolaren Weltordnung“ nennt, dann wird damit zwar die Tatsache anerkannt, dass aktuell eine Weltordnung im Entstehen begriffen ist, in der andere Mächte massiv an Macht, Einfluss und Gestaltungsmöglichkeiten dazugewinnen. Doch für das BSW entsteht vor dem Hintergrund keine Verantwortung, diese Weltordnung auch mitzugestalten sowie den wachsenden Einfluss illiberaler Staaten zu begrenzen oder sie gar im völkerrechtswidrigen Aggressions-Fall – in welcher Form auch immer – in die Schranken zu weisen. Mit einer gewissen Schadenfreude wird stattdessen der Bedeutungsverlust der USA hervorgehoben. Der Subtext: The Ami is already going home.
Dass in dieser aktuellen Konstellation sendungsbewusste, expansionistische Autokratien wie Russland, China und auch der Iran alles daransetzen, sich ihren Platz an der Sonne zu finden und dies in ihrer geopolitischen Propaganda auch sehr klar und offen formulieren – das alles scheint dem BSW nicht der Rede wert und wird im Prinzip schulterzuckend hingenommen. Wer sich diesen Mächten in den Weg stellt oder ihnen allein qua Eigenstaatlichkeit ein Dorn im Auge ist, verdient aus Sicht des BSW keine Unterstützung oder gar Solidarität. Das betrifft die Ukraine genauso wie Taiwan, aber auch Israel oder die iranische Bevölkerung, die sich gegen das brutale islamistische Regime vor Ort auflehnt. Doch was fordert das BSW ganz konkret?
NATO als Aggressor
Ein Blick ins Parteiprogramm: An keiner Stelle erkennt das BSW den Schutzschirm der NATO als sicherheits- und geopolitische Grundlage für ein demokratisches Europa an. Stattdessen wird die NATO im geopolitischen Aufriss zu Beginn des Programms als im Kern aggressives Bündnis unter der Fuchtel der USA und ihrer Rüstungslobby dargestellt. Genüsslich wird den Vereinigten Staaten vorgehalten, „in den letzten drei Jahrzehnten fünf Länder völkerrechtswidrig überfallen und in diesen Kriegen mindestens 1 Million Menschen getötet“ zu haben. Wahrheitswidrig – und analog zur Putin-Propaganda – raunt das BSW: Insgesamt sei es eben die NATO, die weltweit „Bedrohungsgefühle und Abwehrreaktionen“ schüre und daher „für wachsende Spannungen und Konflikte mitverantwortlich“ sei.
Nach Willen des BSW sollen die verbliebenen US-Truppen aus Deutschland abziehen genauso wie hier positionierte US-Mittelstreckenraketen zu verschwinden hätten. Explizit stellt sich die Partei gegen das – in Zukunft wohl noch nach oben zu korrigierende – Zwei-Prozent-Ziel der NATO und spricht sich kategorisch gegen höhere Militärausgaben, weitere Sondervermögen sowie gegen Militärhilfen aus. Investitionen in die Verteidigungsfähigkeit und Kriegstüchtigkeit Deutschlands, wie sie auch von Fachleuten seit langem gefordert werden, stünden nicht im Interesse der deutschen Bevölkerung. Nein, im Kern sei dies ohnehin nur ein Projekt der auf Profit ausgerichteten Rüstungslobby.
„Waffenexporte in Kriegsgebiete“ lehnt das BSW grundsätzlich ab, genauso wie den Einsatz der Bundeswehr im Ausland, wie „zum Beispiel an der russischen Grenze oder im südchinesischen Meer.“ Wie das BSW mit dieser Position seinen Anspruch als „einzige Friedenspartei Deutschlands“ etwa mit der inzwischen diskutierten Sicherung eines möglicherweise von Trump vermittelten Friedens zwischen Russland und der Ukraine auch durch die Bundeswehr zusammenbringen möchte, bleibt ein Geheimnis. Zudem lässt sich an dieser Stelle ein seltener Hinweis auf China als außen- und geopolitisches Thema finden. Dieser erfolgt aber, ganz im Sinne der dortigen Machthaber, ohne eine namentliche Erwähnung des unabhängigen Taiwans und formuliert als striktes Interventionsverbot im Fall eines chinesischen Angriffs.
Zurück zu Nord-Stream‑2
Auch in den Positionen zur Ukraine dominiert ein anti-amerikanisch grundiertes und zynisches Germany first, von dem letztlich nur die anti-westlichen, illiberalen Mächte profitieren würden. Die russische Aggression wird zwar pflichtschuldig als solche benannt und auch verurteilt – aber zugleich als „vermeidbar“ relativiert, da sich Russland, wie es ein weiteres Mal analog zu Putin-Propaganda heißt, vor allem „gegen westliche Militäreinrichtungen in seiner Peripherie“ wehren würde. Der eigentliche Unruhestifter ist für das BSW stets der US-Imperialismus. Jede weitere militärische Unterstützung der Ukraine, erst recht mit Taurus-Raketen, würde nur eine atomare Eskalation wahrscheinlicher machen. Genau vor dieser Eskalation schürt das BSW – Putins nuklearen Drohgebärden folgend – fortwährend Ängste.
Auch im Kontext der Ukraine-Krieges bezieht sich das BSW mehrfach auf den „deutschen Steuerzahler“: „Wir brauchen wieder langfristige Verträge zu Energieimporten, die sich am Kriterium des niedrigsten Preises orientieren“, heißt es dazu im Wahlprogramm. Die Bundesregierung sollte daher „mit Russland verhandeln, um über den verbliebenen Strang der Nord-Stream-Pipeline wieder günstiges Erdgas zu beziehen“ und eine „Wiederherstellung der zerstörten Stränge angehen.“ Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass sich das BSW auch explizit einsetzt für einen „EU-Erweiterungsstopp, der auch für die Ukraine gilt, die sonst zum Fass ohne Boden für die deutschen Steuerzahler“ werde.
Leerstelle Iran
Der Israel-Palästina-Konflikt nimmt ebenfalls viel Raum ein im BSW-Wahlprogramm und ist immer wieder auch Thema bei Wahlkampfauftritten. Hier beruft sich das BSW weniger auf den „deutschen Steuerzahler“, sondern schielt auf die anti-israelischen Reflexe der deutschen Friedenbewegung. Auch den Angriff der Hamas vom 7. Oktober verurteilt das BSW pflichtschuldig. Doch – analog zu den USA im Ukraine-Krieg – sei das eigentliche Problem des Konfliktes die Politik Israels. Dessen Sicherheitsinteressen oder gar positive Entwicklungen in der Region vor dem 7. Oktober wie etwa die Abraham-Abkommen werden nicht erwähnt.
Im BSW-Wahlprogramm ist stattdessen die Rede von einem „Rache- und Vernichtungsfeldzug der Regierung Netanjahu gegen Frauen und Kinder im Gazastreifen“ sowie von nicht näher benannten „Kriegsverbrechen“ über Gaza hinaus auch im Westjordanland und im Libanon. Die deutsche Staaträson, für die Sicherheit Israel mit Sorge zu tragen, sei im politischen Berlin schlechterdings sakrosankt und gilt dem BSW als gleichbedeutend mit einem „unkritische[n] Schulterschluss“ mit der ultrarechten Regierung Netanjahu. Antisemitismus möchte das BSW zwar irgendwie auch bekämpfen, vor allem aber beklagt es Antisemitismus-Vorwürfe als eine der vielen in Deutschland virulenten Gefährdungen der Meinungsfreiheit.
Die Forderungen des BSW nach einem sofortigen Stopp der Waffenlieferungen an Israel dürften über den aktuellen Gaza-Krieg hinausgehen und grundsätzlich gemeint sein. Denn insgesamt, so resümiert das BSW in seinem Wahlprogramm, würde Israel „durch sein Vorgehen“ „überall in der arabischen Welt“ Hass schüren und den zentralen „Nährboden“ schaffen für palästinensischen Terrorismus. Was in diesem Kontext auffällt: mit keinem Wort erwähnt das BSW das islamistische Regime in Teheran als aggressive Regionalmacht und weltweiten Terrorunterstützer, der mit dem eigenen Nuklearprogramm Israel existentiell bedroht, den Weltfrieden gefährdet und Putin in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützt.
Stärkung der „Achse der Autokraten“
Im Wahlprogramm des BSW fallen noch zwei weitere Leeerstellen auf: So gilt China nicht als politisch zu adressierende sicherheits- und geopolitische Herausforderung für Deutschland und Europa – sondern als lediglich als „aufstrebende Wirtschaftsmacht“, mit der sich auch in Zukunft primär wirtschaftliche Geschäfte machen lassen müssten. Daneben steht das BSW für die europapolitische Leere: in Bezug auf die aktuellen außen- und sicherheitspolitischen Herausforderungen kommt die EU als politischer Akteur nicht vor. Ohne die NATO und die EU namentlich oder weitere Details auch nur zu nennen, fordert das BSW hingegen knapp: „Europa benötigt eine stabile Sicherheitsarchitektur, die längerfristig auch Russland einschließen sollte“.
So sehr an vielen Stellen Carl Schmitts anti-universalistische Großraumtheorie anklingt – die Frage, welche langfristigen Vorstellungen und Visionen hinter den außenpolitischen Forderungen des BSW stehen, lässt sich momentan vor allem spekulativ beantworten. Gerade Partei-Chefin Sahra Wagenknecht scheint sich da als erfahrene, taktierende Politikerin nicht in die Karten schauen zu lassen. Fest steht aber: das BSW setzt mit seinem hermetischen Antiamerikanismus sowie seinem selektiven und verantwortungslosen National-Egoismus nicht einfach nur auf tumbe populistische Affekte. Die Partei vertritt Positionen, die der globalen „Achse der Autokraten“ (Anne Applebaum) nicht nur nichts entgegenzusetzen vermögen, sondern ihr sogar aktiv den Weg frei machen würden.
Ich danke Dr. Jan Philipp Thomeczek von der Universität Potsdam für einige wertvolle Hinweise.
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