Die Freunde der Despoten – Die AFD zwischen geopo­li­ti­schen Inter­essen und oppor­tu­nis­ti­scher Außenpolitik

Foto: Imago

Ob Trump-Wahl, Ukraine-Krieg oder Nahost-Konflikt: Globale Entwick­lungen prägen – neben dem Thema Migration – die Außen­po­litik der AfD. Diese zeichnet sich durch strate­gische Annäherung an autokra­tische Kräfte und den ideolo­gi­schen Einfluss der Neuen Rechten aus, wie unser Autor Sebastian Beer analysiert.

„Thank you, Elon!“ Mit diesen Worten verab­schiedete sich Alice Weidel Anfang Januar sichtlich erschöpft von ihrem Gesprächs­partner. Dem voraus­ge­gangen war eine mehr als einstündige Unter­haltung mit Elon Musk auf dessen Plattform X – über ihre Partei, das Weltall und über Adolf Hitler. Doch auch inhalt­liche Fragen kamen zur Sprache, was deutliche Diffe­renzen, etwa in Bezug auf Energie­po­litik, offen­barte. Trotzdem war das Gespräch für die AfD-Politi­kerin ein großer Erfolg – nicht zuletzt aufgrund der enormen Aufmerk­samkeit, die es auf sich zog.

USA und Trump

Dass Weidel an diesem Abend insgesamt nur wenig Wider­spruch erfuhr, überraschte nicht: Der US-Unter­nehmer, der in der neuen US-Regierung das ‚Department of Government Efficiency‘ leitet und eng mit Donald Trump vertraut ist, spricht sich seit Dezember offen für die Wahl der AfD aus. Auch zum Wahlkampf­auftakt in Halle an der Saale wenige Wochen nach dem Live-Gespräch sendete er eine Video-Grußbot­schaft. Und dass, obwohl die Partei seit ihrer Gründung eine weitest­gehend antiame­ri­ka­nische Haltung vertritt. Weidel selbst bezeichnete die deutsche Bevöl­kerung noch vor Kurzem im Interview mit dem US-ameri­ka­ni­schen Medium The American Conser­vative als „Sklaven der USA“. Später relati­vierte sie: Deutschland liege zwar nicht in Ketten, habe jedoch „komplett die Eigen­stän­digkeit verloren“.

„Ami go home“ oder Alices neue Freunde?

Im Zuge der Wiederwahl Trumps zum Präsi­denten justiert die AfD ihr Verhältnis zu den USA neu. Weidels Co-Vorsit­zender Tino Chrupalla  sagte vor der Amtsein­führung, die AfD stehe bereit, „ein starker Partner auf dem Kontinent Europa zu sein“. Mit seiner Partei­kol­legin Beatrix von Storch reiste er zu diesem Anlass nach Washington. „Schon während der ersten Amtszeit wurde in rechten Kreisen zwischen Trump als Person und den ‚USA als Prinzip‘ unter­schieden“, erklärt der Soziologe Felix Schilk, der zur extremen Rechten forscht, gegenüber dem Zentrum Liberale Moderne. Der Antiame­ri­ka­nismus der Partei richtet sich nicht gegen Trump, sondern gegen das liberale Amerika als Sinnbild des ‚dekadenten Westens‘, der morali­scher Verfall und der Niedergang tradi­tio­neller Werte vorge­worfen wird. Schilk zufolge könnte Trumps Außen­po­litik der AfD sogar zugute­kommen. Falls sie negative Auswir­kungen auf die deutsche Wirtschaft hätte, könnte sich die Partei – wie in anderen Krisen­si­tua­tionen – als vermeint­liche Krisen­be­wäl­ti­gerin inszenieren.

Die Trump-Begeis­terung der Rechts­au­ßen­partei bleibt der politi­schen Konkurrenz, allen voran dem BSW, nicht verborgen. Während beide norma­ler­weise in ihrer Ablehnung der USA weitest­gehend überein­stimmen, sieht die Wagen­knecht-Partei in der Zuneigung der AfD für den neuen US-Präsi­denten nun eine Angriffs­fläche. Im aktuellen Wahlkampf versucht sie, diese wiederholt zu nutzen: Partei­chefin Sahra Wagen­knecht wirft der AfD vor, sich durch ihre Nähe zu Trump als Friedens­partei unglaub­würdig gemacht zu haben. AfD, so Wagen­knecht, stehe nun für „Aufrüsten für Donald“.

Ist USA-Hype der AfD peinlich?

Auch Vertreter des neurechten Partei­um­feldes der AfD mahnen zur Vorsicht. Zwar gebe es durchaus Grund zur Freude, doch würden die Folgen von Trumps Politik nicht ausrei­chend analy­siert, sagt Benedikt Kaiser im Podcast von Ein Prozent. Der Leiter des rechts­extremen Kampa­gnen­netz­werks Philip Stein beklagt im selben Rahmen, der aktuelle Hype sei eine „schlimme und peinliche Geschichte“. Bereits im November verwies Stein darauf, die US-Wahl sei für die deutsche Innen­po­litik letztlich unerheblich. Ähnlich äußerte sich der AfD-nahe Verleger Götz Kubit­schek: „Der Sieg Trumps ist geopo­li­tisch nur dann für uns inter­essant, wenn er mit der ameri­ka­ni­schen Überzeugung bricht, zugleich globaler Gesetz­geber, Ankläger, Richter und Polizist zu sein.“ Trump müsse sich von der „Menta­lität der einen Weltmacht“ lösen und die Rolle der USA in einer „multi­po­laren Welt“ neu definieren.

Multi­polare Weltordnung und Ukraine-Krieg

Kubit­schek bezog sich dabei auf die Erzählung einer ‚multi­po­laren Weltordnung‘ im Sinne von Carl Schmitts Großraum­theorie. Demnach sollen Großmächte ihre Einfluss­zonen bestimmen und ihre politi­schen Ordnungen durch­setzen, während eine Einmi­schung „raumfremder Mächte“ vermieden werden soll. Sie steht im Gegensatz zu einer (von den USA dominierten) unipo­laren Weltordnung.

In den letzten Jahren greifen AfD-Vertreter wie Björn Höcke die Erzählung verstärkt im Kontext des Ukraine-Krieges auf. Sie dient sowohl dazu, den russi­schen Angriff zu legiti­mieren, als auch eine US-ameri­ka­nische Inter­vention abzulehnen. Deutschland solle sich nicht der US-ameri­ka­ni­schen Hegemonie unter­werfen, sondern unabhängig bleiben. Diese Haltung spiegelt sich auch im Europa­wahl­pro­gramm des letzten Jahres und im Programm für die Bundes­tagswahl wider. Dort heißt es, Deutschland dürfe „nicht länger Objekt fremder Inter­essen sein“. Neben der AfD ist das BSW die einzige im Bundestag vertretene Partei, die in ihrem aktuellen Wahlpro­gramm die Vorstellung einer ‚multi­po­laren Welt‘ aufgreift.

Russland

Im AfD-Programm schreibt man darüber hinaus, der Krieg habe „die europäische Friedens­ordnung aus den Angeln gehoben“. Einen NATO- oder EU-Beitritt der Ukraine lehnt die Partei weiterhin ab. Statt­dessen fordert sie die Aufhebung der Wirtschafts­sank­tionen gegen Russland sowie die Instand­setzung der Nord Stream-Leitungen. Deutschland solle die Bezie­hungen zur Eurasi­schen Wirtschafts­union vertiefen, der neben Russland auch Armenien, Belarus, Kasachstan und Kirgi­sistan angehören.

Das Konzept „Eurasien“

Für die Neue Rechte und Teile der AfD ist das Konzept ‚Eurasien‘ nicht nur in wirtschaft­licher Hinsicht von Bedeutung. Es dient als antiwest­liche Projek­ti­ons­fläche, geopo­li­ti­sches Bündnis und ideolo­gi­sches Konstrukt zur Ablehnung liberaler Werte. In diesem Zusam­menhang zeigt sich mitunter eine inhalt­liche Nähe zum ultra­na­tio­na­lis­ti­schen russi­schen Philo­sophen Alexander Dugin. Dugin propa­giert eine ‚multi­polare Weltordnung‘, in der ein eurasi­scher Block unter russi­scher Führung als Gegen­modell zum trans­at­lan­ti­schen Westen dient. Obwohl die politische Vormacht­stellung Russlands weitest­gehend abgelehnt wird, zeigen sich parteinahe Medien wie Compact und manche AfD-Politiker offen für Dugin, darunter Höcke und Chrup­allas Grund­satz­re­ferent Dimitrios Kisoudis.

Andere in der Partei standen in den vergan­genen Jahren aufgrund persön­licher Verbin­dungen nach Russland im Fokus: 2024 geriet Petr Bystron, AfD-Listen­platz 2 bei der Europawahl, in Verdacht, Geld vom russi­schen Propa­gan­da­kanal Voice of Europe erhalten zu haben. Im Jahr zuvor sorgte Chrup­allas Besuch in der russi­schen Botschaft zum Jahrestag des Sieges über das natio­nal­so­zia­lis­tische Deutschland für Aufsehen.

China

Auch nach China pflegt die AfD verstärkt Kontakte. 2024 stand deshalb vor allem Maximilian Krah, Spitzen­kan­didat für die Europawahl und mittler­weile Bundes­tags­kan­didat, in der Kritik. Einer der Gründe: Sein damaliger Mitar­beiter Jian G. wurde festge­nommen, weil er mutmaßlich für China spioniert haben soll – ein Vorfall, der nicht nur Krah, sondern auch die AfD insgesamt unter Druck setzte. Im Jahr zuvor reiste erstmals eine Partei­de­le­gation um Weidel und Bystron in die Volks­re­publik. Anschließend verkündete man, „die nächsten Schritte sind bereits in Planung“.

Das Wahlkampf-Quadrell mit der AfD-Kanzler­kan­di­datin Alice Weidel kommen­tierend, fragte die Journa­listin Mariam Lau, warum diese nicht wegen ihrer MONATLICHEN treffen mit dem chine­si­schen Botschafter gegrillt werde. Monat­liche Treffen?! Im aktuellen Wahlpro­gramm jeden­falls wird betont, China sei als Handels­partner von „heraus­ra­gender Bedeutung“ und man wolle das Projekt der „Neuen Seiden­straße“ nutzen, sofern es Chancen für die deutsche Wirtschaft biete. Wie im Falle der USA und Russland verfolge man zu China ein „inter­es­sen­ge­lei­tetes Verhältnis“. In einem 2022 verfassten Positi­ons­papier des Arbeits­kreises Außen­po­litik der AfD-Bundes­tags­fraktion steht, es sei „im deutschen Interesse, gemeinsam mit China für eine fried­liche und stabile inter­na­tionale Koope­ration einzutreten“.

Multi­polare Neusor­tierung der Weltordnung

Die Neue Rechte zeigt sich China gegenüber offen: Autoren wie Benedikt Kaiser sehen in China das Potenzial einer „Korrektur der bestehenden Weltordnung hin zu einer multi­po­laren Neusor­tierung“. Felix Schilk zufolge, wird damit verbunden oft die chine­sische Auslands­pro­pa­ganda übernommen und ein verzerrtes Bild gezeichnet: Demzu­folge handele China nicht imperia­lis­tisch oder inter­ven­tio­nis­tisch, die USA dagegen schon. „Viele im AfD-Umfeld sehen im Aufstieg von China die Möglichkeit für Deutschland, unabhängig von den USA zu werden“, sagt Schilk. Bei dem positiven China-Bild handele es sich um eine „antiame­ri­ka­nische Projektion“.

Das spiegelt sich in der Bewertung des Konflikts zwischen China und Taiwan wider. Für Kaiser stellt Taiwan einen „Teil der Mannschaft der globalen US-Hegemonie“ dar. Er recht­fertigt das chine­sische Handeln, weil es die vermeint­liche Vormachts­po­sition der USA konter­ka­riere und einer „multi­po­laren Neusor­tierung“ zugutekomme.

Iran und der Nahe Osten

Wie China wird auch der Iran zuweilen als Verbün­deter im Kampf gegen den Westen oder die USA betrachtet, trotzdem ist das Verhältnis ambivalent. Laut einem Bericht der Welt lobby­ieren AfD-Politiker wie Roger Beckamp für eine dem Regime zugewandte Politik. Ein internes Positi­ons­papier von 2022 zeigt: Beckamp gehört zu jenen in der Partei, die – im Gegensatz zu anderen – Gespräche mit dem Iran inten­si­vieren wollen. Mit Blick auf die damaligen Proteste gegen die iranische Regierung heißt es in dem Papier, man müsse „den Eindruck vermeiden, herzlos-kühl zu sein“.

Der Histo­riker Volker Weiß verwies im selben Jahr auf das Konflikt­po­tenzial, dass die Aufstände für die AfD bergen: „Einer­seits stellt der Kampf gegen die ‚Islami­sierung‘ in Europa eines der stärksten Zugpferde des Rechts­po­pu­lismus dar, anderer­seits gilt der Iran außen­po­li­tisch durchaus als attrak­tiver Partner“, so Weiß. Das liege auch daran, dass die Partei mit den Mullahs – ähnlich wie mit dem russi­schen Präsi­denten Putin – „in der Ablehnung ‚westlich-liberaler Dekadenz‘ bis in die Rhetorik hinein einig“ sei.

Keine aktive Unter­stützung Israels mit der AfD

Die Offenheit gegenüber dem Iran steht in Wider­spruch zu der oft nach außen kommu­ni­zierten prois­rae­li­schen Position der AfD. Diese wandelte sich jedoch seit dem Angriff der islamis­ti­schen Terror­gruppe Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023. Während man sich zuvor mit der Begründung, das Land spiele eine sicher­heits­po­li­tisch wichtige Rolle gegenüber der islami­schen Welt, meist auf die Seite Israels stellte, rückte nun die Sorge vor neuen Migra­ti­ons­be­we­gungen in den Fokus. Im Bundes­tags­wahl­pro­gramm werden die „Verhin­derung neuer Massen­mi­gration und eines kriege­ri­schen Flächen­brands im Nahen Osten“ als „die primären Inter­essen“ genannt. Eine aktive Unter­stützung Israels durch Deutschland lehnt die AfD ab. Frieden werde nicht durch Krieg oder inter­na­tionale Einmi­schung erreicht.

Oppor­tu­nis­tisch (anti)imperialistisch

Zusam­men­fassend lässt sich festhalten, dass der außen­po­li­tische Kurs der AfD von einer antiame­ri­ka­ni­schen, antiwest­lichen Ideologie sowie der Vorstellung einer ‚multi­po­laren Weltordnung‘ geprägt ist. Aller­dings bleibt er oft wider­sprüchlich und oppor­tu­nis­tisch. Während die Partei sich als antiim­pe­ria­lis­tische Kraft insze­niert, sucht sie den Schul­ter­schluss mit autokra­ti­schen Staaten wie China und Russland, sofern es ihren strate­gi­schen Inter­essen dient. Gleich­zeitig zeigt sich in ihrer Haltung zu Israel und dem Iran oft eine inkon­se­quente Linie: Während die AfD lange eine prois­rae­lische Position betonte, rückt nun die Sorge vor neuen Migra­ti­ons­be­we­gungen in den Vorder­grund. Parallel dazu pflegen einige Partei­ver­treter enge Kontakte zum irani­schen Regime, was die Glaub­wür­digkeit ihrer außen­po­li­ti­schen Grund­sätze weiter infrage stellt.

Geht die Strategie auf?

Die AfD versucht, geopo­li­tische Umbrüche oppor­tu­nis­tisch zu ihren Gunsten zu nutzen. Diese Strategie kann ihr kurzfristige Vorteile verschaffen, birgt jedoch Konflikt­po­tenzial – sowohl innerhalb der Partei als auch in ihrem Umfeld. Zudem bleibt fraglich, ob der aktuelle Trump-Hype von Dauer sein wird, da die politi­schen und wirtschaft­lichen Auswir­kungen für Deutschland noch nicht absehbar sind. Besonders in Ostdeutschland, wo das Misstrauen gegenüber dem westlichen Kapita­lismus tief verwurzelt ist, könnte die enge Anbindung an Trump und Musk auf Skepsis stoßen. In diesem Zusam­menhang versucht das BSW, die Nähe der AfD zu Trump politisch zu nutzen, um gegen die Partei Stimmung zu machen. Dennoch hat die Vergan­genheit gezeigt, dass ideolo­gische Wider­sprüche die Wähler­schaft der AfD nicht zwingend abschrecken.

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