Aluminiumwerke Rheinfelden: Rettung mit Pferdefuß
Weshalb Minister Altmaier die Übernahme der finanziell angeschlagenen Aluminiumhütte Rheinfelden, die aber einmalige Patente besitzt, durch den russischen Konzern Rusal besser untersagt hätte. Ein Beitrag von Ralf Fücks für The European.
Das russische Aluminiumunternehmen UC Rusal hat die Unterzeichnung eines Vertrages zur Übernahme der Vermögenswerte der Aluminium Rheinfelden GmbH gemeldet. Der Eigentümerwechsel muss noch durch das Bundeswirtschaftsministerium genehmigt werden.
Die Aluminiumhütte Rheinfelden wurde 1898 gegründet. Seit September 2020 befindet sich das Unternehmen im Sanierungsverfahren, 55 der 256 Beschäftigten wurden entlassen. Die Geschäftsführerin des Unternehmens, eine Tochter des verstorbenen Eigentümers, wurde durch den Insolvenzverwalter gekündigt und erhielt Hausverbot. Rusal will einen Betrieb übernehmen, der zu den Marktführern für Aluminiumlegierungen zählt, über zahlreiche Patente verfügt und Automobilunternehmen auf der ganzen Welt beliefert. Das Unternehmen gilt als innovativ und im Kern gesund. Die Liquiditätsprobleme des letzten Jahres gehen auf Auftragseinbrüche im Gefolge der Coronakrise und die verzögerte Auszahlung der Finanzhilfen des Bundes zurück.
Mit der politischen Macht in Russland verflochtene Unternehmen sind bereits in erheblichem Maße auf dem deutschen Markt vertreten. Insbesondere Gazprom pflegt weit gespannte Verbindungen in die deutsche Wirtschaft und Politik. Das von dem Putin-Vertrauten Igor Setschin geleitete Mineralölunternehmen Rosneft ist mit einem Marktanteil von etwas mehr als 12% der drittgrößte Raffineriebetreiber auf dem deutschen Markt. Das Staatsunternehmen liefert laut der eigenen Webseite etwa ein Viertel der deutschen Rohölimporte und ist damit der größte Öllieferant des Landes. Aufsichtsratschef ist Gerhard Schröder.
Jetzt geht es um den Einstieg eines weiteren russischen Konzerns in einen strategischen Wirtschaftszweig. Warum sollte ein privates Unternehmen, das mit dem Oligarchen Oleg Deripaska verbunden ist, aufhorchen lassen? Im April 2018 verhängte das US-Finanzministerium Sanktionen gegen Deripaska sowie seine Unternehmen En+, Rusal und Eurosibenergo. Nach langwierigen Gerichtsverfahren erwirkte Deripaska schließlich eine Vereinbarung zur Aufhebung der Sanktionen gegen seine Unternehmen, allerdings unter der Bedingung, dass er deren Vermögenswerte nicht mehr kontrolliert. Die Beschränkungen für die Unternehmen wurden im Januar 2019 aufgehoben. Allerdings sind die Sanktionen gegen Deripaska persönlich bis heute in Kraft.
Im August 2020 veröffentlichte der Geheimdienstausschuss des US-Senats einen Bericht mit den Ergebnissen seiner Untersuchung zur russischen Einmischung in die Präsidentschaftswahl 2016. Der Ausschuss stellte fest, dass Deripaska in Ländern, in denen er bedeutende wirtschaftliche Interessen hat, auch versucht, politischen Einfluss zu nehmen. „Die russischen Behörden stimmen sich mit ihm ab und leiten Deripaska bei seinen zahlreichen Vorhaben zur Einflussnahme an“, heißt es in dem Bericht.
Deripaska stand dem Kreml immer nahe. Er gehörte zum engsten Vertrautenkreis Boris Jelzins, und er hat seinen Einfluss auch unter Wladimir Putin behalten. Laut Angaben der Abteilung zur Überwachung ausländischer Vermögenswerte (OFAC) des Finanzministeriums der USA hat Deripaska für den russischen Präsidenten Wladimir Putin Geld verwaltet und gewaschen.
Offiziell hat Deripaska die operative Kontrolle über En+ und Rusal niedergelegt. Aber vor kurzem berichtete die Agentur Bloomberg, dass er entgegen der Vereinbarung mit dem US-Finanzministerium nach wie vor erheblichen Einfluss auf Rusal ausübt. Sprecher von Deripaska sowie das Unternehmen selbst bestreiten das. Dennoch bleibt Rusal ein „toxischer“ Investor. Man muss damit rechnen, dass Deripaska und seine Mittelsmänner zumindest indirekt die Aktivitäten des Unternehmens steuern.
Die gesamte Großwirtschaft im Russland ist heute vom Kreml abhängig, ob es um die Vergabe von Aufträgen und Finanzhilfen geht oder um die wohlwollende Tolerierung staatlicher Stellen bei der Verletzung von Recht und Gesetz. Im Gegenzug kann der Kreml jederzeit um Gefälligkeiten und gute Dienste „bitten“. Großunternehmertum unter der Herrschaft Wladimir Putins ist eine besondere Art des Geschäftemachens. Dazu gehört die Bestechung von Beamten und Politikern. Entsprechend groß ist die Gefahr des Exports dieser Praktiken durch die Expansion russischer Unternehmen in Europa.
Es wäre naiv, Rusal als ein privatwirtschaftliches Unternehmen wie jedes andere zu sehen. Wirtschaftsbeziehungen sind für den Kreml ein Mittel der Politik. Und es wäre fahrlässig, einem Konzern, der die russische Rüstungsindustrie beliefert, sicherheitsrelevantes Know How einer deutschen Firma auszuliefern. Die High-Tech-Legierungen der Aluminium Rheinfelden sind für Rüstung, Flugzeugbau und Raumfahrt hoch relevant. Man kann davon ausgehen, dass es Rusal weniger auf den Produktionsstandort Rheinfelden als auf die Patente des Unternehmens abgesehen hat. Insofern folgt dieser Deal dem Muster chinesischer Investitionen in innovative mittelständische deutsche Unternehmen. Den Kaufpreis zahlt Rusal aus der Portokasse. Inzwischen gibt es ein alternatives Angebot eines deutschen Konsortiums, das die Fortführung des Unternehmens sichert. Das alles hätte für Wirtschaftsminister Altmaier Grund genug sein sollen, die Übernahme durch Rusal abzulehnen.
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