Belarus: Der Ausgang des Volks­auf­stands ist offen

Proteste am 16. August 2020 in Minsk. Foto: Homoatrox /​ CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)

Die Botschaft der EU an den Kreml müsste lauten: Es wird für Putin einen Preis haben, wenn er den Diktator in Minsk an der Macht hält. Doch nur eine geeinte EU kann glaub­würdig Werte wie Freiheit und Menschen­rechte vertreten. Deutsch-Russische Sonder­be­zie­hungen sind hierfür nicht hilfreich.

Die belarus­sische Opposi­ti­ons­füh­rerin Swetlana Tichanowskaja wurde Anfang der Woche in Berlin wie ein Staatsgast empfangen, traf auf Kanzlerin, Außen­mi­nister, die Partei- und Frakti­ons­spitzen, Experten und Presse. Tichanowskaja war in der Präsi­dent­schaftswahl Anfang August gegen Alexander Lukaschenko angetreten. Sie steht für das junge, moderne Belarus, das mit dem sowje­tisch anmutenden Regime nichts mehr anfangen kann. Die dreiste Wahlfäl­schung, die brutale Gewalt und das Foltern von fried­lichen Demons­tranten haben auch das letzte Vertrauen in die Staats­führung von Belarus zerstört.

Tichanows­kajas Ehemann war der aussichts­reichste Gegen­kan­didat von Lukaschenko und wurde deswegen inhaf­tiert. Sie trat an die Stelle ihres Mannes und bildete mit zwei weiteren Frauen ein glaub­wür­diges Team. Tatsächlich war ihr die Rolle der Opposi­ti­ons­füh­rerin unerwartet zugefallen. Aber genau das macht ihre Kraft aus: so ehrlich, so schnör­kellos, so vertrau­ens­er­we­ckend – diese Tugenden machten sie vermutlich zur Siegerin der Wahl. Man nimmt es ihr ab, dass sie lieber früher als später die politische Bühne wieder verlassen würde. Nun aber geht es um die Errei­chung von drei Zielen: Ende der Gewalt, Freilassung der politi­schen Gefan­genen und faire Wahlen.

Die Botschaft von Tichanowskaja ist klar: Es geht nicht um die Frage, ob Ost oder West, nicht um eine geopo­li­tische Entscheidung, sondern um den Kampf für Freiheit und Bürger­rechte. Das belarus­sische Volk ist souverän und verbittet sich die hybride Inter­vention aus Moskau. Wladimir Putin finan­ziert mit einem Kredit den Macht­ap­parat, der jetzt auf die Leute einprügelt. Nur durch Moskaus Unter­stützung kann Lukaschenko sich an der Macht halten.

Die Botschaft der EU an den Kreml müsste lauten: Es wird für Putin einen Preis haben, wenn er den Diktator in Minsk an der Macht hält. Doch wieder einmal kann Putin sich sein Motto „divide et impera“ – teile und herrsche – zunutze machen. Deutsche Sonder­be­zie­hungen zu Russland wie mit Nord Stream 1 und 2 wirken im Westen als Spaltpilz. Doch nur eine geeinte EU kann glaub­würdig Werte wie Freiheit und Menschen­rechte vertreten.

Der Ausgang des Volks­auf­stands in Belarus ist offen. Für alle Bedrängten muss aber jetzt das Nötigste getan werden: eine schnelle und unbüro­kra­tische Vergabe von Visa für die Menschen, die das Land verlassen müssen, Hilfe für Prozess­kosten und eine gute medizi­nische Versorgung, Stipendien für Verfolgte und Geld für Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tionen und Menschenrechtsverteidiger.


Dieser Text erschien zuerst am 11. Oktober 2020 im Weser Kurier.

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