Warum offene Gesellschaften Populismus trotzen können
Verteilungskonflikte nähren den Populismus. Doch um genau diese zu entschärfen und um Wohlstand zu ermöglichen, braucht es die offene, demokratische Gesellschaft und eine freie Wirtschaft. Eine Analyse über den Zusammenhang zwischen Marktwirtschaft und Demokratie von Wirtschaftswissenschaftler Hans-Jörg Naumer.
Populismus ist ein weltweites – und nicht einmal ein neues – Phänomen. Es lässt sich bis an den Beginn des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen und zeigt sich in unterschiedlichen Ausprägungen in Lateinamerika ebenso wie in Europa und den USA. Gerade die jüngsten Wahlen zum Deutschen Bundestag, aber auch davor schon zu den Landtagen, erinnern daran, dass diese politische Entwicklung längst auch in Deutschland angekommen ist. Ganz zu schweigen von den europäischen Nachbarländern, woran die Wahlergebnisse nicht zuletzt zum Europaparlament erinnern. Es kommt in unterschiedlichen Spielarten vor, mit der Tendenz der Vermischung. Während der linke Populismus, der typischerweise in Lateinamerika dominiert, den Wohlfahrtsstaat und Umverteilung sowie starke staatliche Eingriffe in die Wirtschaft propagiert, schürt der Populismus von rechts Fremdenangst, betont traditionelle Werte und tritt eher für Deregulierung und einen schwachen Staat ein.
Verteilungskonflikte als Kernstück des Populismus
Typischerweise kommt er nur in Demokratien vor. Eine Staatsform, die weltweit auf dem Rückzug ist. Autokratien, wie Diktaturen heute beschönigend genannt werden, lassen keine Strömungen zu, die von sich behaupten „Wir – das wahre Volk“ kämpfe gegen „Die – die Eliten.“ Denn das haben alle populistischen Strömungen gemeinsam: Das „Wir“ gegen „Die“, wie es der Politikwissenschaftler Cas Mudde so treffend auf eine Kurzformel gebracht hat.
Mit dieser Kurzformel, die sich als gängigste Einordnung des Populismus etabliert hat, wird auch deutlich: Im Kern geht es um Verteilungskonflikte. Es geht darum, wer die größeren Stücke des Kuchens erhält. Die Triebfedern dahinter können sehr unterschiedlich sein. Wie die Populismus-Forschung zeigt, gehören hier die Globalisierung genauso dazu wie der technologische Wandel, die Migration, die globale Finanzkrise von 2008, oder auch die Dekarbonisierung, also der Kampf gegen den Klimawandel.
Populismus verschärft Verteilungskonflikte
Aufrüttelnd dazu war in jüngerer Zeit die Analyse von Funke, Schularick und Trebesch, die sehr deutlich zeigt, dass von Populisten geführte Regierungen überall auf der Welt seit 1900 bis heute Wachstumseinbußen hervorgebracht haben. Anders ausgedrückt: Sie nähren sich von Verteilungskonflikten. Doch statt sie zu lösen, verschärfen sie diese. Das birgt das Risiko eines populistischen Teufelskreises. Diese merklichen Wohlstandsverluste setzen sich bis hinein ins eigene Portfolio fort.
Wie die Berechnungen meines Kollegen Stefan Hofrichter zeigen, ist die Aktienmarktentwicklung nach der Machtübernahme durch Populisten konsistent mit der Entwicklung des Pro-Kopf Wachstums. Keine Überraschung: Was schlecht für Wachstum und Wohlstand ist, ist am Ende auch schlecht für die Kapitalanlage. In Zahlen: In Ländern, die von populistischen Regierungen angeführt wurden, lag die Aktien-Performance im Median real (also unter Herausrechnung der Inflation) auf Sicht von 5 bis 10 Jahren nach Machterlangung bei ca. 3 Prozent pro Jahr. Auf Sicht von 15 Prozent lag sie nur knapp über 0 Prozent. Im Vergleich dazu liegt der jährliche Return von US-Aktien seit 1900 real bei 6,5 Prozent jährlich in den letzten 50 Jahren sogar bei knapp 7 Prozent.
Den populistischen Teufelskreis durchbrechen
Wie aber lässt sich dem Populismus, der auch eine gesellschaftspolitische Gefahr darstellt, begegnen? Aufklärung, im Sinne von Bildung – auch ökonomischer Bildung – ist sicherlich ein wichtiger Ansatzpunkt. Auch müssen den Fake Narrativen, welche den Populismus typischerweise begleiten, konstruktive Narrative entgegengestellt werden. Im Kern geht es aber darum, die Verteilungskonflikte zu entschärfen, und damit auch die Beweggründe des Populismus ernst zu nehmen.
Kapitalismus, Populismus und Demokratie müssen zusammen gedacht werden. Die Marktwirtschaft erklärt nicht allein unseren Wohlstand. Dazu gehört unabdingbar der institutionelle Rahmen der „offenen Gesellschaft“, wie die Demokratie in Anlehnung an Karl Popper bezeichnet werden kann. Sie garantiert die Machtkontrolle, den Wettbewerbsrahmen, die Eigentumsrechte, welche die „offene Wirtschaft“ (die Marktwirtschaft) so dringend benötigt. Es ist kein Zufall, dass die demokratischeren Gesellschaften auch die wohlhabenderen sind, und gleichzeitig auch die marktwirtschaftlicheren. Wie nicht zuletzt Acemoglu, Restrepo und Robinson zeigen, besteht zwischen Demokratie und Wirtschaftswachstum nicht nur eine positive Korrelation, sondern ein kausaler Zusammenhang: Je höher der Grad an Demokratie, umso höher das Wirtschaftswachstum. Und der Quervergleich der Länder zeigt: Je demokratischer die Länder sind, desto marktwirtschaftlicher ist auch deren Wirtschaft. Der Kreis schließt sich.
Ganz am Rande: „Offene Wirtschaft“ heißt auch offen für den globalen Handel. Der „Wohlstand der Nationen“ (Adam Smith), wird durch den Wettbewerb der Nationen (David Ricardo) gefördert. Zölle widersprechen dem.
Wohlstand braucht die offene Gesellschaft
Last not least: Wohlstand muss auch “Wohlstand für alle“ heißen. Zwar hat die Forschung gezeigt, dass Ungleichheit allein kein Treiber für populistische Parteien ist, wohl aber wenn die Gründe für die Ungleichheit als ungerecht empfunden werden, beispielsweise weil sich gesellschaftliche Gruppen benachteiligt fühlen. Hinzu kommt: „Wenn substanzielle Teilgruppen der Gesellschaft das Gefühl haben, dass sie von der bestehenden Gesellschaftsordnung keine Vorteile erwarten können, ... dann verlieren die bestehenden demokratischen Institutionen ... Legitimität“, stellt der Ökonom Tim Krieger fest. Während das Eigentum konstitutiv für eine Marktwirtschaft ist, muss auch der Weg dorthin, die Vermögensbildung, gefördert werden. Oder, wie es Ralf Fücks zusammenfasst: „Eigentum für alle ist die konsequente Weiterentwicklung der sozialen Marktwirtschaft und ein Grundpfeiler der liberalen Demokratie.“
Machen wir uns also zu Freunden der „offenen Gesellschaft“ – nicht nur aus einem gesellschaftspolitischen Anliegen heraus zur Verteidigung unserer Demokratie und unseres Wirtschaftssystems, sondern ganz einfach auch um unseren Wohlstand zu verteidigen und Verteilungskonflikte zu entschärfen.
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