Keine Verfas­sung, schwaches Verfas­sungs­ge­richt: Wie bedroht ist die liberale Demo­kratie in Israel?

Wird Israel eine liberale Demo­kratie bleiben oder driftet sie ab ins Lager der elek­to­ralen Demo­kra­tien, in denen nur noch die Wahlen demo­kra­tisch sind? Über diese Fragen disku­tierten die Teil­neh­menden des dritten Round­ta­bles „Demo­kratie im Stress­test“ am 06. Dezember in Berlin.

Die beiden Input­re­fe­rie­renden Tamar Hermann vom Israel Democracy Institute und Menachem Ben Sasson, Präsident der Hebräi­schen Univer­sität Jerusalem, führten in die Diskus­sion ein. Moderiert wurde sie von Stephan Vopel, Direktor bei der Bertels­mann Stiftung, eröffnet und abge­schlossen von Ralf Fücks vom Zentrum Liberale Moderne.

In Israel haben am 6. Dezember Parla­ments­wahlen statt­ge­funden. Und obwohl die Koali­ti­ons­bil­dung noch nicht abge­schlossen ist, deutet vieles auf eine neue Regierung des rechts­kon­ser­va­tiven Blocks unter Benjamin Netanyahu hin.

Israel nach den Wahlen

Die Parla­ments­wahlen waren so auch ein zentrales Thema des Round­ta­bles. Es ging bei den Wahlen, da waren sich die Teil­neh­menden einig, fast ausschließ­lich um ein Pro oder Contra Netanjahu. Der Sieg des rechts­kon­ser­va­tiven Lagers war sehr knapp und Themen wie der Israel-Palästina-Konflikt, Wirt­schaft, Sicher­heit oder Außen­po­litik spielten im Wahlkampf nur eine unter­ge­ord­nete Rolle – was ange­sichts zuneh­mender gewalt­tä­tiger Ausein­an­der­set­zungen und stei­gender Lebens­hal­tungs­kosten im Land erstaun­lich ist.

Netanyahu, der wegen Korrup­tion angeklagt ist, wird mit seinem Likud vermut­lich die mittigste Partei des Blockes sein. Er muss die Inter­essen vieler kleiner Parteien koor­di­nieren, unter anderem ultra­or­tho­doxer und rechter Grup­pie­rungen. Einige sehen Israel deshalb auf dem Weg von einer liberalen Demo­kratie hin zu einer Theo­kratie, in der religiöse Regeln mehr gelten als demo­kra­ti­sche Vereinbarungen.

Eine junge Demokratie

Und der Zustand der Demo­kratie? Der Staat Israel ist mit etwa 75 Jahren eine junge Demo­kratie. Und: das Land hat keine Verfas­sung. Die meisten Gesetze können einfach geändert werden, sofern sich dafür Mehr­heiten orga­ni­sieren lassen. Das Verfas­sungs­ge­richt ist schwach, eine zweite Parla­ments­kammer – die ein Korrektiv sein könnte – existiert nicht.

So bleibt die Zivil­ge­sell­schaft, in die einige Teil­neh­mende große Hoffnung setzen, als Korrektiv. Wenn viele Menschen auf die Straße gehen, können sich politisch manche Dinge bewegen. Die liberale Demo­kratie in Israel, so die einhel­lige Meinung der Teil­neh­menden, ist in vielen Bereichen noch im Entstehen.

Der Round­table ist Teil der 2023 fort­ge­setzten Reihe „Demo­kratie im Stress­test“, den das Zentrum Liberale Moderne und die Bertels­mann Stiftung gemeinsam ausrichten.

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