Italien unter Meloni: Rechts­wende, Populismus oder resiliente Demokratie?

Foto: Bertelsmann Stiftung

Bislang agiert die Regierung unter Meloni unauf­fällig und scheint keine Elemente aus einem „Populist Playbook“ umzusetzen. Ist das bereits Grund zur Entwarnung? Und welche Rolle spielen Zivil­ge­sell­schaft und Insti­tu­tionen? Diese und andere Fragen disku­tierten wir bei der aktuellen Ausgabe unserer Reihe „Demokratie im Stresstest“.

Italien hat gewählt – und Europa horcht auf. Was tut sich in der viert­größten Volks­wirt­schaft der EU? In einem Land, das Populismus gewohnt ist, dessen Regie­rungen häufiger wechseln dessen Wirtschaft seit Jahren schwä­chelt? Handelt es sich bei der Wahl Giorgia Melonis – Italiens erster Minis­ter­prä­sidentin – um einen Rechtsruck oder um einen ganz normalen Regie­rungs­wechsel? Droht eine langsame Zersetzung der Demokratie, wie Ungarn und Polen es vormachen, oder spricht die Wahl eher für die Stabi­lität der italie­ni­schen Demokratie?

Diese Fragen disku­tierten wir in der neuesten Ausgabe unserer Reihe „Demokratie im Stresstest“, die die Bertelsmann Stiftung und das Zentrum Liberale Moderne gemeinsam ausrichten. Die Veran­staltung eröff­neten die Politische Theore­ti­kerin Roberta Astolfi und der ehemalige WELT-Chefre­dakteur und langjährige Itali­en­kenner Thomas Schmid.

 

Foto: Bertelsmann Stiftung

Melonis Position ist gefestigt

Zwei Entwick­lungen lassen sich feststellen: Giorgia Meloni sitzt nach zwei wichtigen Regio­nal­wahlen fest im Sattel – in Latium und in der Lombardei hat ihre Partei klar gewonnen. Und bisher unter­nimmt die Regierung keine Anstren­gungen, ein „Populist Playbook“ umsetzen zu wollen – freie Medien, die Zivil­ge­sell­schaft oder die Gerichte werden nicht angegriffen. Anders als die meisten Rechts­po­pu­listen steht Meloni auch zur Westbindung und zur NATO, sie unter­stützt die Ukraine und die EU. Handelt es sich also um eine ganz normale, konser­vative Regierung in einem Land, das sich nicht ausrei­chend mit seiner faschis­ti­schen Vergan­genheit beschäftigt hat? Oder fällt unsere Bewertung nur so positiv aus, weil die italie­nische Regierung klar zum Westen steht?

Foto: Bertelsmann Stiftung

Diszi­pli­nierung oder Techno-Populismus?

Warum agiert die Regierung so unauf­fällig? Auch hierzu gab es zwei Theorien. Mögli­cher­weise existiert eine gewisse Diszi­pli­nierung durch (funktio­nie­rende) Insti­tu­tionen. Die Regierung muss nun liefern – nicht nur für gute Wahler­geb­nisse sorgen. Als Regie­rungs­ko­alition muss man sich an Verträge und Zusagen halten, die Verwaltung muss rechts­kon­forme Geset­zes­vor­schläge machen, die Wirtschaft laufen – und die Öffent­lichkeit schaut zu. All dies schränkt die Handlungs­mög­lich­keiten Melonis ein.

Aber auch eine andere Erklärung ist denkbar:  Meloni und ihre Partei haben es von Anfang an darauf angelegt, durch Mitre­gierung zu gestalten, nicht durch Populismus aus der Opposition. Melonis Regierung wäre dann ein Ausdruck des „Techno-Populismus“, einer Verbindung von Populismus und Techno­kratie. War der Populismus also nur Wahlkampf­taktik, gepaart mit dem nicht aufge­ar­bei­teten Erbe des Faschismus von Fratelli d’italia und Italien?

Foto: Bertelsmann Stiftung

Eine starke Zivil­ge­sell­schaft macht Hoffnung

Die Stärke der Rechten in Italien, darüber waren sich die Teilneh­menden einig, ist eigentlich eine Schwäche der Linken. Der konser­vative Block ist geeint, die Linken können sich hingegen nicht einigen. Hinzu kommt eine hohe Zahl an Nicht­wäh­lenden und die vor allem von der Linken empfundene Reprä­sen­ta­ti­ons­lücke. Viele Menschen haben Schwie­rig­keiten, ihre politische Position im Partei­en­spektrum wiederzufinden.

Aber: Italien hat eine breite, aktive Zivil­ge­sell­schaft, eine vitale Kommu­nal­po­litik, und Intel­lek­tuelle mischen sich wieder zunehmend in politische Debatten ein, anstatt im Elfen­beinturm zu verharren. Das alles macht – neben funktio­nie­renden Insti­tu­tionen und der starken EU- und Westbindung der Regierung – Hoffnung auf eine resiliente Demokratie in Italien. Und so fiel auch die Bewertung des Zustandes der italie­ni­schen Demokratie durch die Teilneh­menden verhalten positiv aus. Eine akute Gefahr mochte niemand erkennen.

Textende

Hat Ihnen unser Beitrag gefallen? Dann spenden Sie doch einfach und bequem über unser Spendentool. Sie unter­stützen damit die publi­zis­tische Arbeit von LibMod.

Spenden mit Bankeinzug

Spenden mit PayPal


Wir sind als gemein­nützig anerkannt, entspre­chend sind Spenden steuerlich absetzbar. Für eine Spenden­be­schei­nigung (nötig bei einem Betrag über 200 EUR), senden Sie Ihre Adress­daten bitte an finanzen@libmod.de

Verwandte Themen

Newsletter bestellen

Mit dem LibMod-Newsletter erhalten Sie regel­mäßig Neuig­keiten zu unseren Themen in Ihr Postfach.

Mit unseren Daten­schutz­be­stim­mungen
erklären Sie sich einverstanden.