Klima­neu­trales Fliegen: Tempo bei nachhal­tigen Flugkraftstoffen!

Foto: Imago

Fliegen ist die Verkehrs­in­fra­struktur der Globa­li­sierung – ein physi­sches World Wide Web. Und alle Prognosen zeigen, dass, global betrachtet, die Nachfrage nach Luftverkehr weiter wachsen wird. Umso dring­licher stellt sich die Frage, wie Fliegen klima­neutral gestaltet werden kann. Unser Autor Matthias von Randow analy­siert die Gründe für den derzei­tigen Still­stand beim Einsatz von grünen Flugkraft­stoffen und zeigt sehr konkrete Lösungswege auf, um zügig den Weg zu einem nachhal­tigen Fliegen zu ebnen.

In den vergan­genen Jahren hat sich das Zentrum Liberale Moderne mehrfach mit den Heraus­for­de­rungen und Möglich­keiten eines klima­neu­tralen Fliegens beschäftigt. Um dieses technisch in überschau­baren Zeiträumen zu verwirk­lichen, ist der Ersatz des fossilen Kerosins durch nachhaltige Flugkraft­stoffe (SAF) von besonders großer Bedeutung. Dazu haben die Gesetz­geber in der EU und in Deutschland rechtlich verbind­liche Vorgaben gemacht, vor allem mit Quoten für den Einsatz von nachhal­tigen Flugkraft­stoffen (SAF), insbe­sondere für strom­ba­sierte SAF. Aber Produktion und Markt­hochlauf kommen nicht voran. Immer mehr zeigt sich, dass allein die Vorgabe von Quoten als einziges Förder­instrument nicht ausrei­chend ist. LibMod möchte mit dem folgenden Policy Paper einen Beitrag leisten, damit von der neuen EU-Kommission und der neuen Bundes­re­gierung zielfüh­rende weitere Förder­instru­mente auf den Weg gebracht werden.

Ausgangslage und Handlungsbedarf

Nachhaltige Flugkraft­stoffe (SAF) – einschließlich strom­ba­sierter Power-to-Liquid Kraft­stoffe (e‑SAF) – sind neben dem Einsatz moderner, energie­ef­fi­zi­enter Flugzeug­typen und der Optimierung von Flugrouten der wichtigste Hebel, um die CO2-Emissionen des bestehenden Luftver­kehrs signi­fikant zu senken. Um den Markt­hochlauf von SAF anzureizen, setzt die EU im Wesent­lichen auf verbind­liche Beimi­schungs­quoten. Zwei zentrale Heraus­for­de­rungen bestehen aber fort: Zum einen hat es sich inzwi­schen erwiesen, dass trotz der verbindlich geregelten Quoten, Produktion und Markt­hochlauf von SAF nicht ausrei­chend voran­kommen. Zum anderen hat der Gesetz­geber bisher keine Instru­mente für einen Ausgleich der wettbe­werbs­ver­zer­renden Mehrkosten von nachhal­tigem Flugkraft­stoff erarbeitet, was zur Verhin­derung von „Carbon Leakage“ zugunsten CO2-inten­siver Anbieter aber erfor­derlich wäre.

Derzeitige gesetz­liche Nachhal­tig­keits-Kriterien behindern die Produktion von SAF

Der Gesetz­geber hat sehr ambitio­nierte Quoten und gleich­zeitig restriktive Kriterien für die Produkt- und Produk­ti­ons­qua­lität von SAF vorge­geben. Während die Quoten für den Zeitraum von 2025 bis 2029 noch bei 2 Prozent liegen, steigen diese stark mit 6 Prozent ab 2030 und auf 20 Prozent ab 2035 und dann weiter bis auf 70 Prozent in 2050. Während derzeit und in den wenigen Jahren, in denen noch eine geringe Quote besteht, der Markt voraus­sichtlich ausrei­chend biogenes SAF liefern kann, wird dies bei den dann steil anstei­genden Quoten und der schritt­weise einge­führten Unter­quote für strom­ba­sierte SAF mit den bishe­rigen Nachhal­tig­keits­kri­terien nicht mehr möglich sein.

Um ausrei­chende Mengen klima­neu­traler Kraft­stoffe zu ermög­lichen, wären folgende Maßnahmen erforderlich:

Die Rohstoff­basis für fortschritt­liche biogene Kraft­stoffe (BioSAF) erweitern

Die Rohstoff­basis für BioSAF wird im Annex IV der Erneu­erbare Energien Richt­linie RED geregelt. Eigentlich soll diese alle zwei Jahre überprüft und erweitert werden. Alleine die erste Überprüfung hat aber fünf statt zwei Jahre (bis 2024) gedauert und es wurden zu zögerlich zusätz­liche Rohstoffe ermög­licht. Damit bleibt die Ausweitung der Produktion von biogenem SAF begrenzt.

→       Um weitere Poten­tiale zu erschließen, ist es daher nötig, die Rohstoff­listen des Anhangs IX der RED rasch zu erweitern. Darüber hinaus müssen weitere biogene Poten­tiale unter­sucht und – sofern Flächen­kon­kur­renzen ausge­schlossen werden können – ebenfalls zugelassen werden.

Die Anfor­de­rungen für Produktion strom­ba­sierter SAF (e‑SAF) erleichtern

Die Vorschriften für die Erzeugung von e‑SAF werden in entspre­chenden EU-Verord­nungen festgelegt (Delegierte Verordnung (EU) 2023/​1185 und Delegierte Verordnung (EU) 2023/​1184). Zu diesen Festle­gungen gehören auch Kriterien für den Bezug von grünem Strom für die Herstellung von Wasser­stoff und Kriterien für die zur Verfügung stehenden CO₂-Quellen.

a) Die gesetz­lichen Vorgaben geben den Produ­zenten von e‑SAF vor, den für die Produktion genutzten Strom aus dem Netz als vollständig erneu­erbar nur dann anrechnen zu lassen, wenn im Jahres­durch­schnitt ein sehr hoher Anteil an erneu­er­barem Strom im Netz vorhanden ist. Dieser Mindest­anteil ist derzeit bei 90% festgelegt, was sich derzeit für viele Länder als viel zu restriktiv erweist und Produktion von e‑SAF behindert.

→       Um einen höheren Anteil an e‑SAF zu ermög­lichen, sollte der Mindest­anteil von 90 Prozent an erneu­er­barem Strom erst schritt­weise angestrebt werden und in diesem Sinne zunächst bei 70 Prozent liegen und schritt­weise auf 90 Prozent etwa bis 2040 erhöht werden.

b) Bei der Frage, woher der erneu­erbare Strom stammt, der für die Produktion von e‑SAF genutzt wird, bezieht sich der Gesetz­geber nachvoll­zieh­ba­rer­weise auf sog. Strom­ge­biets­zonen. Das heißt, dass der erneu­erbare Strom nur aus dem Produ­zen­tenland oder benach­barten Ländern bezogen werden darf. Strom­märkte außerhalb der EU sind aber zum Teil anders organi­siert und insofern ist dort das Konzept der Strom­ge­biets­zonen für Produ­zenten außerhalb der EU, die für die Produktion von e‑SAF sinnvoll wären, so nicht anwendbar.

→       Um wichtige Länder bei der Produktion und Herkunft von e‑SAF nicht auszu­schließen, sollte neben den bestehenden Regeln von Strom­ge­biets­zonen für Dritt­staaten ein alter­na­tives anwend­bares Konzept entwi­ckelt werden.

c) Das für die Produktion von e‑SAF erfor­der­liche CO₂ kann auch aus indus­tri­eller Produktion heran­ge­zogen werden und ist dann derzeit wirtschaft­licher. Aller­dings können nach den gesetz­lichen Vorgaben indus­trielle Quellen als CO₂-Lieferant nur genutzt werden, wenn die Indus­trie­anlage in einem „wirksamen CO₂-Beprei­sungs­system“ erfasst ist, was nach Auffassung der EU-Kommission nur Länder zulässt, die Teil des Emissi­ons­han­dels­systems der EU sind, sowie die Schweiz und Großbri­tannien. Damit sind die nutzbaren CO2-Mengen derzeit stark begrenzt.

→       Um erheb­liche Poten­ziale zur Herstellung von e‑SAF nicht auszu­grenzen, sollte e‑SAF, das mit CO₂ aus indus­tri­eller Produktion außerhalb der EU herge­stellt wurde, einbe­zogen werden. Der Gesetz­geber sollte dafür spezi­fische Compliance-Regeln erarbeiten.

Quoten­an­stieg gleich­mä­ßiger gestalten

Die Bereit­stellung von SAF wird zunächst vor allem durch einfache BioSAF erfolgen. Diese sind in der Produktion weitaus weniger aufwendig und bisher noch in ausrei­chender Menge am Markt verfügbar. Komplexere Produk­ti­ons­an­for­de­rungen an die Produktion von BioSAF der nächsten Generation und insbe­sondere die aufwendige Produktion von e‑SAF erfordern aller­dings erheblich höhere Inves­ti­tionen. Die gesetz­liche Vorgabe für den Markt­hochlauf von SAF sieht aber einen sprung­haften Anstieg der Quoten vor. Dies bedeutet im Ergebnis, dass von den Produ­zenten und Inver­kehr­bringern von SAF gerade dann sprunghaft mehr SAF gefordert wird, wenn sie die Anfor­de­rungen der technisch und wirtschaftlich anspruchs­vol­leren SAF bewäl­tigen müssen. Insofern erschwert die derzeit festge­legte Quoten­ge­staltung unabhängig von den beschrie­benen sehr restrik­tiven Zulas­sungs­kri­terien eine ausrei­chende Produktion von SAF. Dies sollte vermieden werden.

→       Zum einen könnte die Quote durch einen gleich­mä­ßi­geren Quoten­an­stieg geglättet werden. Darüber hinaus sollte die Quote durch die Schaffung eines möglichen Quoten­über­trags ins Folgejahr bei Übererfüllung flexi­bi­li­siert werden.

Derzeitige Regelung von Quoten­ver­pflichtung und Straf­zahlung verhindert SAF-Produktion

Üblicher­weise ist bei Quoten­sys­temen vorge­geben, dass der Quoten­ver­pflichtete im Falle einer Quoten­ver­fehlung zu einer Straf­zahlung heran­ge­zogen wird und die Quoten­ver­pflich­tungen dann mit Zahlung der Strafe abgegolten sind. Dabei werden die Strafen so hoch angesetzt, dass sie einen Druck auf die Quoten­er­füllung ausüben sollen. Die Quoten­er­füllung ist dann in der Regel die günstigere Alter­native. Gleich­zeitig aber bildet die Festlegung von Strafen auch einen Preis­deckel und vermeidet dadurch erratische Preis­spitzen am Markt. So ist dies in der EU z.B. beim Straßen­verkehr geregelt, aller­dings nicht im Luftverkehr. Im Luftverkehr ist eine Quoten­ver­fehlung mit Strafe belegt und dennoch muss die Quoten­ver­pflichtung im folgenden Jahr in voller Höhe nachgeholt werden. Die Kalku­lier­barkeit von Quoten­er­füllung und Straf­zahlung ist für die Inver­kehr­bringer von SAF folglich höchst unsicher und damit eine ständige Gefahr, ein Verlust­ge­schäft zu machen. Zur Vermeidung einer solchen möglichen Verlustes könnte der Inver­kehr­bringer die Produktion von SAF einstellen und statt­dessen auf den Verkauf ins Ausland ausweichen oder auf die Produktion von Diesel­kraft­stoff umstellen.

→       Zur Vermeidung einer Abwan­derung von SAF-Produktion sollte auch im Luftverkehr eine Quoten­ver­fehlung mit der Straf­zahlung abgegolten sein.

Derzeitige Ausge­staltung der Beimi­schungs­ver­pflichtung führt zu Carbon-Leakage

Zur Vermeidung von Carbon Leakage ist bei der Ausge­staltung des SAF-Markt­hoch­laufs von beson­derer Wichtigkeit, dass SAF den Nutzern zu wettbe­werbs­neu­tralen Kosten zur Verfügung gestellt wird. Die Bedeutung von wettbe­werbs­neu­tralen Preisen für SAF resul­tiert aus der Carbon-Leakage-Exposition des inter­na­tio­nalen Luftver­kehrs. Diese ergibt sich aus der Tatsache, dass Verkehrs­ströme auf inter­na­tio­nalen Langstre­cken­ver­bin­dungen haupt­sächlich über Luftver­kehrs­dreh­kreuze abgewi­ckelt werden. Wenn Maßnahmen Reisewege mit europäi­schen Flugge­sell­schaften über europäische Drehkreuz­flug­häfen einseitig verteuern, dann entsteht diesen Unter­nehmen ein Wettbe­werbs­nachteil gegenüber Flugge­sell­schaften, die ihre Drehkreuze außerhalb der EU haben. In der Folge werden Verkehrs­ströme auf Drehkreuze außerhalb der EU verlagert, die damit verbun­denen CO2-Emissionen werden dann nicht einge­spart, sondern lediglich außerhalb der EU ausge­stoßen. Sie sind dann auch durch EU-Regulierung nicht mehr erfassbar. Da nachhaltige Kraft­stoffe, insbe­sondere e‑SAF, um ein Mehrfaches teurer sind und Treib­stoff­kosten rund 30 Prozent der Gesamt­be­triebs­kosten eines Fluges ausmachen, wird die vorge­schriebene Beimi­schung an europäi­schen Drehkreuzen mit anstei­gender Quotenhöhe zu einem solchen erheb­lichen Wettbe­werbs­nachteil für die EU-Flugge­sell­schaften und damit gleich­zeitig zu einem erheb­lichen Carbon Leakage Effekt.

→       Der europäische Gesetz­geber hat zur Vermeidung des Carbon-Leakage-Risikos des Luftver­kehrs bisher keine Maßnahmen erarbeitet, sondern in die ReFuelEU Aviation Verordnung nur eine Review Clause einge­setzt. Dem muss nun die Entwicklung konkreter Maßnahmen folgen, um Carbon Leakage möglichst von Anfang an zu begegnen. Einmal ins Ausland verla­gerte Verkehrs­ströme sind im Nachhinein kaum wieder zurückzugewinnen.

Es bestehen verschiedene zielfüh­rende Möglich­keiten für eine wettbe­werbs­neu­trale und auf Vermeidung von Carbon Leakage zielende Ausge­staltung der Regulierung:

→       Der Vorschlag, die Mehrkosten von SAF aus den Einnahmen einer verbind­lichen, endziel­be­zo­genen Klima-Abgabe zu finan­zieren. Eine solche Abgabe sollte von allen Flugge­sell­schaften, die von europäi­schen Flughäfen starten, entspre­chend des Flugziels ihrer Passa­giere bezahlt werden. Dieser Vorschlag wurde von der deutschen Luftver­kehrs­wirt­schaft und von einer Allianz großer europäi­scher Airlines und Flughäfen („Aviation Alliance Ff55“) einge­bracht, fand aber bisher keine Mehrheiten im Europäi­schen Rat und Europäi­schen Parlament.

→       Eine zweite Option zur Vermeidung von Carbon Leakage wäre eine entspre­chende Subven­tio­nierung der SAF-Produktion. Die Finan­zierung dieser Subvention könnte nach dem Prinzip, dass der Luftverkehr seinen Klima­schutz selbst finan­zieren sollte, aus den Einnahmen der personen- und endziel­be­zo­genen Luftver­kehrs­steuer (rund 2 Mrd. EUR) erfolgen sowie aus den Einnahmen, die der Luftverkehr in den EU-ETS abführt. Durch das Auslaufen der kosten­freien Zuteilung von Emissi­ons­be­rech­ti­gungen zu Gunsten der staat­lichen Verstei­gerung werden beim ETS Erlöse von 0,3 Mrd. bis 0,4 Mrd. EUR erwartet. Diese Gelder kommen aktuell nicht der Klima­trans­for­mation im Luftverkehr zugute.

→       Eine dritte Option wäre die Einführung einer ticket­be­zo­genen Abgabe, die geringere SAF-Anteile bei Reisen über Nicht-EU-Hubs ausgleicht.

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