Kreativer Online-Protest in China
Xi Jinping hat in China ein effektives System zur Kontrolle des digitalen Raumes geschaffen. Doch die „Great Firewall“ hat Lücken – und die Menschen finden kreative Wege, ihren Protest auf Social-Media-Plattformen zu äußern.
Online-Protest in China ist vor allem eins – kreativ. In den letzten Tagen fanden sich im chinesischen Internet seltsame Wortspiele. Damit soll die gnadenlose Zensur der Regierung umgangen werden. Begriffe wie „Bananenschale“, der dieselben Initialen wie der Name von Präsident Xi Jinping auf Chinesisch hat, und „Garnelenmoos“, das ähnlich klingt wie der Ausdruck „Rücktritt“ erklärten versteckt, was die Menschen sich in China wünschen.
Das chinesische Regime hat ein schlagkräftiges System zur Überwachung und Zensur des Internets erschaffen. Aber nun zeigt sich, dass das Netz bei einem Volk von 1,4 Milliarden Menschen nicht komplett kontrolliert werden kann. Die Tatsache, dass so viele Informationen aus China in die Welt dringen, zeigt, dass das System der Kontrolle des Internets in China an seine Grenzen stößt.
Der Protest verlagert sich in den digitalen Raum
Am Wochenende hielten tausende Menschen in China ein unbeschriebenes Blatt Papier in die Höhe, um zu zeigen, dass die sich nicht frei äußern dürfen und der strengen Zensur in ihrem Land unterliegen. Das weiße Din-A4-Blatt ist zum Symbol der Proteste geworden. Die Antwort folgte kurz darauf: Wo gerade noch die größten Proteste seit dem Tiananmen-Massaker 1989 stattfanden, sieht man nun ein massives Polizeiaufgebot. In Peking, Shanghai und kleineren Orten hat das chinesische Regime hart durchgegriffen, Menschen verhaftet, durchsucht und eingeschüchtert. Nur online schaffen die Menschen es noch unter erschwerten Bedingungen ihre Kritik gegenüber Null-COVID und dem autoritären Führungsstils Xi Jinpings zu äußern.
„Die Zensur kommt nicht so schnell hinterher“
„Während Twitter, das in China blockiert ist, voller Videos und Bildern der chinesischen Proteste ist, ist es auf chinesischen Plattformen wie Weibo oder WeChat stiller“, sagt Manya Koetse im Gespräch mit WELT. Sie ist Gründerin des Blogs „whatsonweibo.com“, der Diskussionen der chinesischen Social-Media-Plattform „Weibo“ zusammenfasst. Chinesische Online-Medien müssen sich an die Zensurregelung des Propagandabüros halten. Dazu gehört es Inhalte auf bestimmte Schlagworte zu filtern, und entsprechende Beiträge, die diese Worte enthalten, zu löschen. So waren Suchbegriffe wie „Liangma-Fluss“ oder „Urumqi-Straße“ – Orte der Proteste in Peking und Shanghai – schnell nicht mehr auf Weibo auffindbar. Videos von Studenten, die aus Protest singen, verschwanden aus dem Instant-Messaging-Dienst „WeChat“ und wurden durch Hinweise ersetzt, der Inhalt sei als „nicht konformer oder sensibler Inhalt“ gemeldet worden. Viele Nutzer erlebten während der Proteste auch, dass sie plötzlich keine Videos mehr auf Weibo oder TikTok hochladen konnten. Trotzdem kann der Online-Protest nicht vollständig von der Regierung unter Kontrolle gebracht werden. So änderten manche WeChat-Nutzer zum Beispiel ihr Profilfoto in ein weißes Viereck.
„Die Regierung ist in der Lage Diskussionen komplett zu löschen und zu zensieren – solange sie nicht zu groß werden“, sagt Koetse. Sie verweist auf den Fall der Tennisspielerin Peng Shuai, die 2021 in einem Weibo-Post den pensionierten chinesischen Funktionär Zhang Gaoli der Vergewaltigung beschuldigte. Nach 20 Minuten wurde der Post gelöscht und die gesamte Diskussion dazu vollständig zensiert. „Doch wenn tausende Menschen auf der Straße Fotos machen und diese posten, kommt die Zensur nicht so schnell hinterher“, sagt Koetse.
Das Regime ist auf Social Media angewiesen
Das Internet komplett abzuschalten ist für die Kommunistische Partei keine Option. China hat mit 1.02 Milliarden Internetnutzern eine der aktivsten Internetgemeinden der Welt. Die Regierung kommuniziert über Social Media und verbreitet ihre Propaganda. Im chinesischen Internet finden sich während der Proteste auch massig Beiträge, in denen das COVID-Management der Regierung gelobt wird. Auch das Gerücht, dass die Proteste von „ausländischen Kräften“ angezettelt wurden, kann sich so schneller verbreiten.
Chinas Verfassung gewährt seinen Bürgern Meinungs- und Pressefreiheit. Trotzdem werden Nachrichten und Soziale Medien so hart wie fast in keinem anderen Land kontrolliert. Die Regierung nutzt Verleumdungsklagen, Verhaftungen, Geldstrafen und Androhungen Medien zu schließen, um chinesische Journalisten und Social-Media-Plattforen zu zwingen, sich selbst zu zensieren. Auf dem Pressefreiheitsindex von 2022 belegt China Platz 175 von 180. China blockiert viele US-Websites, darunter Facebook, Wikipedia und einige Google-Dienste.
Die „Great Firewall“ hat Lücken
Doch die Menschen in China haben Wege gefunden hat, die sogenannte „Great Firewall“ zu umgehen. Dafür nutzen vor Allem gebildete Menschen einen VPN-Zugang. Ein Bericht von 2017 ergab, dass 30 Prozent der Internetnutzer in China ein VPN verwenden. Diese werden immer wieder von Chinas Regierung aus den App-Stores gelöscht, doch die Menschen schaffen es alternative Dienste zu installieren. So können sie auf ausländischen Plattformen protestieren, ohne dass die Regierung dies verhindern kann. Erschwert wird dies aber trotzdem. Wer am Sonntag auf Twitter in chinesischer Sprache nach Städten wie Shanghai oder Peking suchte, sah vor Allem Massen an sinnloser Werbung oder Pornographie. Ob die Regierung dahintersteckte, um Beiträge über die Proteste zu verdrängen, kann nicht klar gesagt werden.
Chinesische Staatsmedien schweigen zu den Protesten
Die chinesischen Staatsmedien schweigen bisher zu den Protesten. Stattdessen dominieren Schlagzeilen zum „wissenschaftlichen“ Ansatz von Zero COVID. Es ist die größte politische Krise seit Xi Jinpings Amtsantritt 2013. Der chinesische Präsident befindet sich in einer Zwickmühle: Das Image der Kommunistischen Partei, die am Parteitag Mitte Oktober noch für ihr striktes COVID-Management gefeiert wurde, ist beschädigt. Doch die Maßnahmen zu lockern, würde das Land in eine Gesundheitskrise stürzen: Älteren Chinesen sind nicht ausreichend geimpft und derzeit geht mit 40.000 Neuinfektionen eine neue Viruswelle durchs Land.
Zwar ordnete die Regierung an, dass es verboten sei, Hauseingänge zum Zwecke eines Lockdowns zu barrikadieren, bisher greift Xi aber hauptsächlich auf Unterdrückung zurück. Online werden kritische Beiträge so gut es geht gelöscht und zensiert. Auf der Straße werden Menschen von der Polizei angehalten, gefilmt und gezwungen Videos der Proteste von ihren Handys zu löschen, berichtet ein BBC-Journalist vor Ort. Er filmte Passanten, deren Fotos von der Polizei gelöscht wurden. Außerdem berichtete ein Journalist von „dw“ in Taipei, dass Kontakte in China von der Polizei angehalten und ihre Handys nach in China verbotenen Apps, wie Twitter, Instagram und Telegram durchsucht wurden.
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