Warum die FDP eine Klima­partei werden soll

Die FDP-Mitglieder Helmer Krane und Nicolas Lembeck plädieren für die ökoliberale Ausrichtung ihrer Partei. Der Klimawandel sei die große Herausforderung der Gegenwart.
Mattis Kaminer /​ Shutter­stock

Im Partei­en­spektrum fehlt bislang der ökolo­gische Libera­lismus. Das FDP-Mitglied Helmer Krane und der Politik­be­rater Nicolas Lembeck fordern in einem Debat­ten­beitrag, dass die Partei aus der ökolo­gi­schen Trans­for­mation ein Freiheits­projekt machen soll. Damit würde die FDP Verant­wortung sowohl für den Planeten als auch für Stabi­lität der liberalen Demokratie übernehmen.

Die ökolo­gische Trans­for­mation verlangt von der FDP mehr als tages­po­li­tische Taktik, sie verlangt eine politische Idee. Versäumt es die FDP, den Klima­wandel nicht nur als strate­gi­sches, sondern auch als politisch heraus­ra­gendes Thema der kommenden Jahrzehnte zu erkennen, wird sie zu den Verlierern von morgen gehören.

Bislang gibt es keine Partei, die ökolo­gische Verant­wortung, Fortschritts­op­ti­mismus und Eigen­ver­ant­wort­lichkeit verbindet. Die FDP ist geradezu in der Pflicht, als freiheit­liche Ökopartei die Lücke zu besetzen. 

Wir sind überzeugt, die FDP trägt als Vertre­terin der liberalen Mitte eine besondere Verant­wortung für die parla­men­ta­rische Demokratie. Vorran­giges Ziel einer liberalen Partei darf es nicht sein, nur enttäuschte Wähler zu umwerben. Keine andere Partei als die FDP – als Trägerin der liberalen Tradition – wäre besser geeignet, Antworten auf das dringende Problem der Gegenwart zu finden: Die Verstän­digung zwischen Ökonomie und Ökologie mit den Mitteln von Demokratie und Markt­wirt­schaft. Der Libera­lismus ist nicht ohne Grund die erfolg­reichste politische Idee der Neuzeit.

Die autoritäre Gefahr

Der Klima­schutz wird scheitern, wenn wir ihn Leuten überlassen, die bereit sind, für den Schutz des Planeten die Freiheit zu opfern. Der Weg vom Ökopu­ri­ta­nismus in die Ökodik­tatur ist kurz. In der Predigt vom Verzicht erscheint die Freiheit des Einzelnen als Ursache der schlep­penden Umsetzung der Klima­schutz­maß­nahmen. In dieser Denkweise liegt es nahe, im Namen der Notwen­digkeit mit autori­tären Mitteln zu regieren und den Verzicht zu erzwingen. 

Portrait von Nicolas Lembeck

Nicolas Lembeck ist Politik­be­rater in Berlin

Portrait von Helmer Krane

Helmer Krane ist Rechts­anwalt in Brüssel. Er war Spitzen­kan­didat der FDP Schleswig-Holstein zur Europawahl

Vielleicht hängt es mit dieser schein­baren Unmög­lichkeit zusammen, dass in einem Jahrhundert nicht gehandelt worden ist, obwohl das Klima­problem bekannt war. Schon 1895 vermutete der Physiker und Chemiker Svante Arrhenius einen menschen­ge­machten Klima­wandel. 1965 war US-Präsident Lyndon B. Johnson von seinem wissen­schaft­lichen Beirat auf das Problem hinge­wiesen worden. Und bekanntlich empfahl der Club of Rome in den 1970er Jahren den massiven Ausbau erneu­er­barer Energien. Was passierte? Nichts.

Das fossile Narrativ

Der verstorbene Publizist Roger Willemsen wunderte sich mit Recht: „Aus all den Fakten ist keine Praxis entsprungen, die auf der Höhe der drohenden Zukunft wäre.“ Wir meinen, dass ein fossiles Narrativ, welches Freiheit, Ressour­cen­ver­brauch und Wohlstand untrennbar mitein­ander verknüpft, die Ursache dieses Versagens ist. Wenn wir in diesem Narrativ denken, stehen wir vor dem verant­wor­tungs­ethi­schen Dilemma, zwischen Freiheit und Wohlstand einer­seits und der Zukunft des Planeten ander­seits wählen zu müssen – und tun im Zweifel nichts.

Doch das fossile Narrativ ist unbegründet, denn es geht von der Fehlan­nahme aus, dass indus­trielle Produktion, techni­scher Fortschritt und Mobilität – unser freiheit­licher Lebensstil – vom Verbrauch fossiler Ressourcen abhingen. Die Entwicklung alter­na­tiver Antriebe, moderne Stoff­kreis­läufe, die Steigerung der Ressour­cen­ef­fi­zienz oder auch nur der verpa­ckungslose Super­markt beweisen das Gegenteil: ein nachhal­tiges Wirtschaften ist möglich.

Freiheits­projekt Klimaschutz

Die Aufgabe der FDP ist es, das fossile Narrativ zu durch­brechen. In einem sich wandelnden Partei­en­gefüge könnte das ihr Projekt sein. Denn es gibt bislang keine Partei, die ökolo­gische Verant­wortung, Fortschritts­op­ti­mismus und Eigen­ver­ant­wort­lichkeit verbindet. Die Union kann der Radika­lität des Klima­pro­blems nicht entsprechen, weil ein erheb­licher Teil ihrer Wähler­schaft großen Verän­de­rungen eher skeptisch gegen­über­steht. Die Grünen hingegen sympa­thi­sieren zum Teil mit dem Ökopu­ri­ta­nismus und führen damit eine unnötig verkürzte Debatte über indivi­duelle Lebens­stile. Die FDP ist geradezu in der Pflicht, als freiheit­liche Ökopartei die Lücke zu besetzen.

Unser Vorschlag ist, die Klima­po­litik um das ökolo­gische Bewusstsein und die Verant­wort­lichkeit des Einzelnen herum zu bauen. „Klima­li­be­ra­lismus“ nennen wir das. 

Liberale Klima­po­litik nimmt den Kohle­aus­stieg ernst – und denkt vor allem weiter. Der ordoli­be­ralen Theorie entspre­chend, muss der Staat Regeln setzen, damit die Markt­wirt­schaft funktio­niert und die Umwelt geschützt wird. Ein Bespiel ist der CO2-Preis. Umwelt- und Klima­kosten dürfen nicht länger von der ganzen Gesell­schaft gleicher­maßen gezahlt werden, sondern sollten von denen getragen werden, die sie verur­sachen. Wenn sich Klima­schutz schon heute für mehr Menschen lohnen würde, könnten wir die Kreati­vität und das Potential dieser Menschen bei der Bewäl­tigung der Klima­her­aus­for­derung nutzen. Klima­schutz sollte das Geschäft des Jahrhun­derts werden. Unser Vorschlag ist, die Klima­po­litik um das ökolo­gische Bewusstsein und die Verant­wort­lichkeit des Einzelnen herum zu bauen. „Klima­li­be­ra­lismus“ nennen wir das.

Ein positiver Ansatz, der dem Wesens­merkmal des Libera­lismus viel eher entspricht. Libera­lismus fürchtet sich nicht vor der Komple­xität des Wandels, er erschließt ihn. Fortschritt geschieht in einer liberalen Gesell­schaft nicht einfach, er wird gemacht, von vielen gleich­zeitig an unter­schied­lichen Stellen. Das ist der Weg, um globale Heraus­for­de­rungen zu meistern.

Erneuerung des politi­schen Liberalismus

So könnte dem Libera­lismus das Comeback schneller gelingen, als es seinen Gegnern lieb ist. Zurzeit aber befindet sich die FDP selbst­ver­schuldet in der Defensive. Zu oft nehmen Liberale Kritik an den Umständen und Erwar­tungen der Öffent­lichkeit als persön­lichen Angriff wahr, statt als Hinweis und Ansporn. Zu oft überdeckt das Abarbeiten an Fehlern anderer oder – schlimmer noch – an der Person Greta Thunbergs die eigene Ideen- und Sprach­lo­sigkeit. Besser wäre es, wenn wir in den Klima­diskurs eingriffen, eigene Lösungs­an­sätze schärften und durch einen ernst­haften Ton deutlich machten, dass die FDP für den Fortbe­stand eines bewohn­baren Planeten Verant­wortung übernimmt.

Aus dem Freiheits­projekt ökolo­gische Trans­for­mation könnte die FDP nach der nächsten Bundes­tagwahl einen Gestal­tungs­auftrag für neue politische Mehrheiten ableiten. 

Die Klima­de­batte lädt zum groß Denken ein. Wir müssen die Attrak­ti­vität des Klima­schutzes erklären, damit der Wandel gelingt. Klima­schutz muss die deutsche und europäische Wirtschaft nicht gefährden, er kann sie auch robuster, unabhän­giger und innova­tiver machen. Die Wirtschaft kann wachsen, während Energie­konsum und Emissionen zurück­gehen. Mit Erfin­der­geist – gestärkt durch Bildungs‑, Forschungs- und Wissen­schafts­po­litik – kann der Menschheit die Entkopplung von Wirtschafts­wachstum und Ressour­cen­ver­brauch gelingen.

Betrachten wir die Klima­de­batte doch als Anregung, die alten Lager zu überwinden. Vielleicht liegen die besseren Antworten auf Zukunfts­fragen jenseits des rechts-links Schemas: in einer liberalen, fortschritts­freund­lichen, positiven Politik. Aus dem Freiheits­projekt ökolo­gische Trans­for­mation könnte die FDP nach der nächsten Bundes­tagwahl einen Gestal­tungs­auftrag für neue politische Mehrheiten ableiten.

Textende

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