Ziemlich beste Freunde! – Wie Xi Jinping und Putin liberale poli­ti­sche Werte untergraben

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Putin und Xi eint der Wille, sich der ameri­ka­ni­schen Großmacht und inter­na­tio­nalen Ordnung zu wider­setzen: Christina zur Nedden hat für die WELT mit Brian Carlson vom Center for Security Studies der ETH Zürich gesprochen.

Am Geburtstag rufen Freunde einen an oder im Falle des chine­si­schen Präsi­denten ruft man sie selbst an. Xi Jinping feierte seinen 69. Geburtstag vergan­gene Woche, indem er mit Wladimir Putin tele­fo­nierte. Der jährliche Austausch des chine­si­schen und russi­schen Präsi­denten hat bereits Tradition. 2019 trafen sich die beiden zu Xis 66. Geburtstag in Duschanbe in Tadschi­ki­stan und Putin brachte russische Eiscreme mit. Als Dank bezeich­nete Xi Putin als seinen „besten Freund und Kollegen“.

Heute ist die Freund­schaft zwischen beiden stärker denn je. Seit dem russi­schen Angriff auf die Ukraine wird die Beziehung der beiden auto­ri­tären Macht­haber ganz besonders beäugt. Es war das zweite Telefonat zwischen Xi und Putin, seit Russland im Februar in die Ukraine einmar­schiert ist. Wie erwartet, äußerte Xi in dem Gespräch vergan­genen Mittwoch erneut sein Verständnis für die russische Invasion. Putin revan­chierte sich, indem er China seine Sympa­thien in Fragen wie Xinjiang, Taiwan und Hongkong anbot. Russland sei gegen „auslän­di­sche Einmi­schung“ in Chinas „interne“ Ange­le­gen­heiten, genauso wie China offiziell immer wieder betont, von jeglicher Inter­ven­tion in nationale Ange­le­gen­heiten anderer Staaten abzusehen.

„China ist bereit, die gegen­sei­tige Unter­stüt­zung mit Russland in Fragen der Souve­rä­nität, der Sicher­heit und in wichtigen Ange­le­gen­heiten fort­zu­setzen und eine engere bila­te­rale stra­te­gi­sche Zusam­men­ar­beit aufzu­bauen“, sagte Xi laut dem staat­li­chen Fern­seh­sender CCTV. Wie üblich sprach Xi nicht von „Krieg“ oder einer „Invasion“ in Bezug auf die Ukraine, sondern nur indirekt von der „Ukraine-Frage“, in der China immer unab­hän­gige Entschei­dungen getroffen habe. Xi forderte andere Nationen auf, „eine ange­mes­sene Lösung der Ukraine-Krise“ zu finden.

In einem Kreml-Bericht hieß es, der chine­si­sche Präsident habe die „Legi­ti­mität der Maßnahmen Russlands zum Schutz seiner grund­le­genden natio­nalen Inter­essen ange­sichts von Sicher­heits­her­aus­for­de­rungen durch externe Kräfte“ hervor­ge­hoben. Das Gespräch fand nur wenige Tage statt, nachdem China die USA vor einem Krieg in Bezug auf die Unab­hän­gig­keit Taiwans gewarnt hatte, und wirkte deshalb umso bedroh­li­cher für den Westen.

Seit Jahren umwerben chine­si­sche Politiker ihre russi­schen Amts­kol­legen. Unter Xi hat sich dies noch verstärkt. Als er Putin Anfang Februar bei den Olym­pi­schen Spielen in Peking empfing, erklärten beide ihre „gren­zen­lose Freund­schaft“, trotz der Warnungen Washing­tons und euro­päi­scher Regie­rungen, dass Russland kurz davor sei, die Ukraine anzugreifen.

Die engen Bezie­hungen zwischen China und Russland sollen in Zukunft noch weiter ausgebaut werden. Während die EU den Import von russi­schem Roh-Öl um 90 Prozent redu­zieren möchte, ist China mitt­ler­weile zum wich­tigsten Abnehmer geworden. Im Frühjahr bezog China täglich rund 1,6 Millionen Barrel Rohöl aus Russland – einschließ­lich satter Rabatte.

Brücke der Freundschaft

Anfang Juni weihten China und Russland eine neue Brücke ein, die Heihe, eine Grenz­stadt im Nordosten Chinas, mit der russi­schen Stadt Blagowescht­schensk verbindet. Russland verkauft Waffen an China, es gibt gemein­same Mili­tär­übungen, so wie vergan­genen Monat in der Nähe von Japan, als sich die Führer der Quad-Länder (USA, Austra­lien, Indien und Japan) in Tokio trafen. Am Freitag hielt Xi eine Video­an­sprache bei Putins inter­na­tio­nalem Wirt­schafts­forum in St. Peters­burg, einer Veran­stal­tung, die viele auslän­di­sche Besucher in diesem Jahr mieden.

Chinas Bezie­hungen zu Russland sind stärker denn je, während die Span­nungen mit dem Westen weiter zunehmen. Die USA drängen Xi, eine kriti­schere Haltung gegenüber Putin einzu­nehmen. Peking enthält sich der inter­na­tio­nalen Sank­tionen gegen Russland bisher, befür­wortet den Krieg wiederum auch nicht offen.

Aller­dings kann China es sich (noch) nicht leisten, die Bezie­hungen mit dem Westen zu sehr zu stra­pa­zieren. „China schickt keine Waffen nach Russland oder hilft Moskau Sank­tionen zu umgehen, da dies zu sekun­dären Sank­tionen für Peking führen könnte“, sagt Brian Carlson vom Center for Security Studies der Eidge­nös­si­schen Tech­ni­schen Hoch­schule Zürich im Gespräch mit WELT.

China und Russland würden zwar ihre wirt­schaft­li­chen Bezie­hungen ausbauen, jedoch sei China im Bereich der Hoch­tech­no­logie noch auf den Westen ange­wiesen und möchte Sank­tionen vermeiden. Zudem sei der Krieg in der Ukraine vorteil­haft für China. „Indem Russland eine Bedrohung für Europa schafft, lenkt es die Verei­nigten Staaten davon ab, sich auf China zu konzen­trieren“, sagt Carlson.

Sollte China die Russlands Unter­stüt­zung verlieren, könnte es praktisch allein mit inter­na­tio­nalen Anfein­dungen konfron­tiert sein, so die Furcht der Chinesen. Eine Nieder­lage Russlands und der Sturz Putins wären aus chine­si­scher Sicht das schlimmste Szenario.

Gemein­same Werte und Ziele

„Es gibt den gemein­samen Wunsch, sich der ameri­ka­ni­schen Großmacht und einer inter­na­tio­nalen Ordnung, die auf liberalen poli­ti­schen Werten basiert, zu wider­setzen“, sagt der Experte für China-Russland-Bezie­hungen. Xi und Putin hätten ähnliche Ansichten über Staats­füh­rung. Beide Männer wehrten sich gegen inter­na­tio­nale Kritik an ihrer unde­mo­kra­ti­schen Regie­rungs­füh­rung und ihrer schlechten Menschen­rechts­lage.

Die enge Freund­schaft beider Staats­chefs wird die westliche Welt in den kommenden Jahren vor diplo­ma­ti­sche, wirt­schaft­liche und sicher­heits­po­li­ti­sche Heraus­for­de­rungen stellen. China und Russland werden liberale poli­ti­sche Werte auf inter­na­tio­naler Ebene gemeinsam unter­graben. Dies gefährdet den Erhalt der regel­ba­sierten Welt­ord­nung und die Gefahr eines Zwei­fron­ten­krieges in Europa und Asien wächst.

Xi und Putin sehen das anders: Im jüngsten Geburts­tag­s­te­le­fonat hieß es, beide seien bereit, „die inter­na­tio­nale Ordnung in eine gerech­tere und vernünf­ti­gere Richtung zu lenken“.

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