Polen hatte die Wahl – Wohin führt der neue Präsident das Land?

Einen Tag nach der Wahl des neuen polni­schen Präsi­denten disku­tierten wir mit LibMod Senior Fellow Karolina Wigura und unserem Programm­leiter Liberale Demokratie Stephan Stach sowie zahlreichen Gästen über den Ausgang der polni­schen Präsi­dent­schaftswahl. Unsere Geschäfts­füh­rerin Irene Hahn-Fuhr leitete die Diskussion. Die Wahl markiert nicht nur eine neue Phase der politi­schen Polari­sierung im Land, sondern sendet auch ein deutliches Signal an Europa.

Wahler­gebnis als Spiegelbild einer tief gespal­tenen Gesellschaft

Karol Nawrocki, der von der Partei Recht und Gerech­tigkeit (PiS) nominierte rechts­kon­ser­vative Heraus­for­derer, konnte sich in der Stichwahl äußerst knapp gegen den liberalen Kandi­daten der regie­renden Bürger­plattform (PO), Rafał Trzas­kowski, durch­setzen. Ein Vorsprung von nur 370.000 Stimmen. Für das liberale Lager in Polen ist diese Niederlage ein schwerer Schlag. Karolina Wigura fasste die Stimmungslage am Morgen nach der Wahl zusammen: „Das liberale Polen fühlt sich heute wie beim Leichenschmaus.“

Das Ergebnis spiegelt die tiefe Spaltung Polens wider. In der Stichwahl dominierte Nawrocki den ländlichen, stark katho­lisch geprägten Regionen, während in den urbanen Zentren Trzas­kowski punktete. Auch dank einer geschickten digitalen Kampagne hatte Nawrocki besonders bei der Bevöl­kerung unter 30 Jahren Erfolge verzeichnen können. Stephan Stach kommen­tierte: „Eigentlich war es eine Wahl, bei der alle mit NEIN gestimmt haben … Nein zu Trzas­kowski, weil sie der Regierung Tusk einen Denkzettel verpassen wollte – NEIN zu Nawrocki, weil sie Nawrocki verhindern wollten.”

Fehlende liberale Narrative

Im Fokus des Wahlkampfes hatten weniger die eigenen Ziele der Kandi­daten als die Fehler des jewei­ligen Gegen­übers gestanden. Entspre­chend prägten ihn vor allem Negativ­kam­pagnen. Das Wahler­gebnis ist insofern weniger Ausdruck einer breiten Zustimmung für Nawrocki als vielmehr einer Ablehnung von Trzas­kowski. Stephan Stach sagte hinsichtlich der Kampagne Trzas­kowskis: „Er hatte kein Narrativ dafür, was mit seiner Präsi­dent­schaft besser wird.“

Der Wahlausgang war auch eine Quittung für die langsame und vorsichtige Politik des liberalen Lagers und der Tusk-Regierung. Karolina Wigura sprach zugespitzt von einem „Referendum über Donald Tusk“. Darüber hinaus verdeut­licht die Wahl den Wandel der politi­schen Öffent­lichkeit. Irene Hahn-Fuhr brachte diese neue Qualität auf den Punkt: „Wir erleben, wie der politische Raum zunehmend durch YouTube-Kanäle struk­tu­riert wird.“

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Konse­quenzen für Polen und Europa

„Es ist sehr wahrscheinlich, dass es 2026 zu Neuwahlen kommt – und Tusk diese verlieren wird“, speku­lierte Karolina Wigura. Die liberale Mitte stehe vor einer strate­gi­schen und kommu­ni­ka­tiven Neuaus­richtung. Ob diese auch mit einem perso­nellen Wechsel einhergehe, werde sich zeigen. Außen­mi­nister Radosław Sikorski gilt als Kandidat für die Nachfolge Tusks.

Die Wahl hat aber auch unmit­telbare Folgen für die europäische Politik. Nawrocki hatte mit EU-Skepsis, Natio­na­lismus und dem Ziel, die Bezie­hungen zu Donald Trump zu stärken, für sich geworben. Es steht zu erwarten, dass er diesen außen­po­li­ti­schen Themen der Regierung konfron­ta­tiver begegnen wird als sein Vorgänger Andrzej Duda. Die antideutsche und antieu­ro­päische Rhetorik des Wahlkampfs dürfte künftig auch die insti­tu­tio­nelle Zusam­men­arbeit belasten. Dies gilt auch für sicher­heits­po­li­tische Fragen, bei denen Nawrocki klar auf die USA setzt. Auch eine kohärente europäische Ukraine-Politik könnte dadurch erschwert werden. Welche Richtung Nawrocki einschlägt, bleibt abzuwarten.

Ausblick

Für das liberale Polen, aber auch für Europa, ist diese Wahl ein Warnsignal. Demokratie und politische Kultur verändern sich tiefgreifend. Persön­lich­keits­zen­trierte Politik und emotionale Polari­sierung und die digitale Aufmerk­sam­keits­öko­nomie prägen die Politik von Heute. Karolina Wigura analy­sierte treffend: „Der heutige politische Leader ist kein Partei­führer mehr – er ist ein Surfer auf digitalen Wellen.“

Einig war man sich darüber, dass das liberale Europa auf diese Trans­for­mation reagieren muss – nicht nur mit politi­schen Konzepten, sondern auch mit neuer Kommu­ni­ka­ti­ons­kraft. Die neue Frage laute nicht mehr nur, wer regiert, sondern wer gehört wird.

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