Popu­lismus: ein Zwei-Komponenten-Sprengstoff

Anschlag von Hanau / Thüringen / AfD: Reinhard Olschanski entwirft eine Theorie des Populismus, die aktuelle Ereignisse plausibel deutet
Guido van Nispen [CC BY 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/)] via Flickr

Der Popu­lismus gibt Rästel auf: Unter den Unter­stüt­zern von AfD, FPÖ oder Rassem­blement National sind auch Wohl­ha­bende, Erfolg­reiche und Zuver­sicht­liche. Verlust­ängste allein taugen als Erklärung nicht. In seiner Skizze einer Popu­lis­mus­theorie rückt der Philosoph Reinhard Olschanski ein weiteres Element in den Fokus: die Lust am popu­lis­ti­schen Spektakel. 

Das Erstarken des Popu­lismus wird häufig durch Verlust­er­fah­rungen und soziale Depri­va­tionen erklärt. Etwas laufe schief in der Gesellschaft.

Unter den Ansätzen, die so argu­men­tieren, lassen sich zwei Gruppen unter­scheiden. Die eine sieht in mate­ri­ellem Mangel, Preka­ri­sie­rung oder sozialer Perspek­tiv­lo­sig­keit die Ursache für die Erup­tionen des Popu­lismus. Aus den entspre­chenden Erfah­rungen entstehe Groll und Zorn – die Nach­fra­ge­basis popu­lis­ti­scher Ansprache. Die andere Gruppe von Erklä­rungs­an­sätzen stellt kultu­relle und werthafte Faktoren in den Mittel­punkt. Die Depri­va­ti­ons­er­fah­rungen, die Popu­lismus hervor­bringen, resul­tierten aus iden­ti­täts­ver­un­si­chernden Umbrüchen, aus parti­zi­pa­to­ri­schen Defiziten oder der Plura­li­sie­rung und Libe­ra­li­sie­rung tradi­tio­neller Lebens­welten und ihrer Wert­ho­ri­zonte. Der Popu­lismus erscheint dann als „backlash“, iden­ti­tärer Protest oder kultu­relle „Gegen­re­vo­lu­tion“.

Portrait von Reinhard Olschanski

Reinhard Olschanski ist Philosoph. Er arbeitet im Staats­mi­nis­te­rium Stuttgart.

Beide Erklä­rungs­an­sätze haben Argumente für sich, aber reichen für sich genommen nicht aus. Zunächst wären weitere, meist über­se­hene Erfah­rungen anzu­führen, die dispa­rater und weniger leicht verall­ge­mei­nerbar sind: diffuse Frus­tra­tionen und Alltags­ent­täu­schungen, die ihre Ursachen in Zufällen, in Problemen mit Freun­des­kreis, Nachbarn oder Arbeits­kol­legen, in Ehestrei­tig­keiten, in schlechten Schul­leis­tungen der Kinder haben, oder auch im Groll darüber, dass in der eigenen Lebens­pla­nung etwas nicht aufge­gangen ist.

Ein kombi­nierter Erklärungsansatz

Aus solchen Erfah­rungen resul­tiert das ressen­ti­men­tale Grund­rau­schen einer Gesell­schaft, das irgendwie immer vorhanden ist und in Gefahr steht, von popu­lis­ti­scher Ansprache kana­li­siert zu werden. Neben den zeit­ty­pi­schen Problemen sollte auch diese dritte, in den mehr oder weniger „normalen“ Frik­tionen und Depri­va­tionen des Alltags gründende „Nach­fra­ge­basis“ des Popu­lismus berück­sich­tigt werden.

Eine weitere Rela­ti­vie­rung der Depri­va­ti­ons­an­sätze ergibt sich, wenn man sie nicht alter­nativ gegen­ein­an­der­stellt, sondern im Wortsinne „rela­ti­viert“ und mitein­ander verbindet. Genau das dürfte den konkreten Alltags­er­fah­rungen entspre­chen, in denen eines zum anderen kommt und ein Gebräu von Unmut, Groll und Ressen­ti­ment hervor­bringt. Eine kombi­nierte Deutung besitzt mehr Erklä­rungs­po­ten­zial als Versuche, depri­va­tive Einzel­ur­sa­chen heraus­zu­heben. Aller­dings muss man dann auf die prägnan­tere, medi­en­wirk­sa­mere These von der einen, klar iden­ti­fi­zier­baren Ursache des Popu­lismus verzichten.

Popu­lismus ohne Deprivation

Wenn man zudem noch popu­lis­ti­sche Einstel­lungen berück­sich­tigt, die sich dort ausbilden, wo Verlust­er­fah­rungen gar nicht vorliegen, rela­ti­viert sich der Depri­va­ti­ons­an­satz noch weiter. Entspre­chende Haltungen finden sich nämlich auch bei Menschen, die weder materiell noch kulturell abgehängt sind noch mit beson­deren persön­li­chen Sorgen und Belas­tungen zu kämpfen haben. Es gibt sie auch nicht nur in Krisen­re­gionen, sondern auch in Regionen, in denen die Wirt­schaft boomt und annähernd Voll­be­schäf­ti­gung herrscht. Genauso wie in Regionen, in denen Menschen aus fremden Kulturen kaum anzu­treffen sind. Mit anderen Worten: Deutungen des Popu­lismus, die ihn bloß aus Depri­va­tionen heraus erklären, können auch zusam­men­ge­nommen das Phänomen nur unzu­rei­chend erfassen.

Wohl­stand­schau­vi­nismus

Diese These wird durch Unter­su­chungen zu menschen­feind­li­chen und popu­lis­ti­schen Einstel­lungen gestützt. Denn diese finden sich auch bei Befragten, die angeben, zuver­sicht­lich und hoff­nungs­froh in die Zukunft zu blicken. Und eine neue Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung zeigt, dass auch AfD-Wähler mehr­heit­lich mit dem eigenen Leben zufrieden sind. Popu­lismus findet also auch unter Zufrie­denen und „Gewinnern“ eine Anhängerschaft.

Ein wieder­keh­rendes Element popu­lis­ti­scher Gewin­ner­er­zäh­lungen ist das Fesse­lungs­motiv. Die Erfolg­rei­chen und Leis­tungs­fä­higen würden durch Regu­lie­rungen und Sozi­al­ab­gaben in ihrem Fort­kommen ausge­bremst. Der klas­si­sche Sozi­al­staat und inzwi­schen auch ökolo­gi­sche Regu­lie­rungen seien Leistungs- und Wohl­stands­bremsen, ein Diebstahl am Wohlstand der Erfolgreichen.

Grundlage solcher Erzäh­lungen ist oft ein Markt­ra­di­ka­lismus, der zu einem Popu­lismus „von oben“, einem „Wohl­stand­schau­vi­nismus“ gestei­gert wird. Ayn Rand, die Kult­au­torin der US-ameri­ka­ni­schen Rechten, hat ihn in der Rede des „John Galt“ im Thesen­roman „Atlas Shrugged“ durch­buch­sta­biert. Vor allem in den USA führt ein solcher Popu­lismus zu einer scharfen Entge­gen­set­zung zwischen Teilen der Bevöl­ke­rung, die als  produktiv respek­tive unpro­duktiv gelabelt werden.

Der Wohl­stand­schau­vi­nismus kann kaum als Aufbe­gehren gegen Depri­va­tion oder kultu­relle Margi­na­li­sie­rung verstanden werden. Die entspre­chenden Erzäh­lungen zielen auf die Gewinner im sozialen Koor­di­na­ten­system. Aber wenn Depri­va­ti­ons­an­sätze alleine nicht tragen, wo liegen dann die zusätz­li­chen Ursachen?

Das „thymo­ti­sche“ Spektakel

Dem Popu­lismus geht es nicht bloß um vorbe­stehende Nöte und Depri­va­tionen. Er verspricht nicht bloß „Brot“, sondern immer auch „Spiele“ – spek­ta­kel­haften Genuss und exis­ten­ti­elle Inten­si­vie­rung. Und er tut dies auch dort, wo danach anfäng­lich gar keine Nachfrage bestand.

Ein Donald Trump befrie­digt mit jeder Schimpf­ti­rade die Schaulust einer breiten Öffent­lich­keit. Sein Spektakel bedient die Mecha­nismen der Aufmerk­sam­keits­öko­nomie. Täglich neu und zielgenau erreicht er die Welt­me­dien und steigert nebenbei auch die Auflagen und Reich­weiten von Medien, die ihn kriti­sieren. Der Popu­lismus ist wesent­lich eine Praxis des Spek­ta­kels, der Unziem­lich­keiten, Tabu­brüche und Grenzüberschreitungen.

Das Aufkit­zeln von Schaulust muss für sich nicht proble­ma­tisch sein. Theater und Satire wären ohne entspre­chende Techniken kaum denkbar. Auch der Karneval zieht mit seinen Darbie­tungen Aufmerk­sam­keit auf sich. Der Populist nimmt hier kräftige Anleihen. Wie der Karne­va­list lässt er es „richtig krachen“.  Aller­dings geht es ihm nicht um spie­le­ri­sche Über­win­dung sozialer Entge­gen­set­zungen und Distink­tionen qua Narretei, sondern – im Gegenteil – um deren Konstruk­tion und Befes­ti­gung. Das popu­lis­ti­sche Spektakel ist der dunkle Verwandte des Karnevals. Er versöhnt nicht, sondern schließt aus.

Der Popu­lismus steigert Schaulust zu Wutlust. Vornehm ausge­drückt: Popu­lis­ti­sche Kommu­ni­ka­tion erhöht die „thymo­ti­sche Spannung“, wie der AfD-Philosoph Marc Jongen es im Anschluss an Peter Sloter­dijk formu­liert. Weniger vornehm gespro­chen: Der Populist stachelt Wut und Hass auf und schafft einen kommu­ni­ka­tiven Rahmen, in dem das Publikum seine Emotionen zunächst imagi­nativ auslebt. Diese Lust­erfah­rung des thymo­thi­schen Spek­ta­kels wird durch die Depri­va­ti­ons­an­sätze bislang zu wenig berücksichtigt.

Die Defi­ni­tion des öffent­li­chen Feinds

Für die Insze­nie­rung des thymo­ti­schen Spek­ta­kels hat das Englische einen Ausdruck parat: „enmi­fi­ca­tion“  – die ziel­ge­rich­tete Praxis der Anfein­dung.  Fast jede popu­lis­ti­sche Aussage enthält die Ausdeu­tung eines Feindes, der – zunächst einmal rheto­risch – bekämpft werden müsse. Die Wort­führer des Popu­lismus befrie­digen eine viel­fäl­tige Nachfrage nach Ausdeu­tung perso­naler Schuld und Verantwortung.

Ein bekanntes Beispiel ist das deutsche „August­er­lebnis“ 1914, der Hurra­pa­trio­tismus am Vorabend des Ersten Welt­kriegs. Ange­sichts eines äußeren Feindes schienen alle Gegen­sätze innerhalb der Reichs­na­tion hinfällig zu werden. In seinem 1926 publi­zierten Roman „Gene­ra­tion 1902“ gibt Ernst Glaeser dem August­er­lebnis eine sarkas­ti­sche Beschrei­bung: Die sich mit Streit und Gehäs­sig­keiten über­zie­henden Bewohner eines Provinz­städt­chens erfahren während eines Schüt­zen­fests vom Beginn des Kriegs. Mit einem Schlag weichen die Distink­tionen und poli­ti­schen Animo­si­täten hurra­trun­kener Verbrüderung.

Aber das August­er­lebnis wurde auch poli­tik­theo­re­tisch ausge­deutet. Dem Staats­rechtler Carl Schmitt dient es als Beispiel für das, was er als das Wesen der Poli­ti­schen fasst: die Ausdeu­tung des öffent­li­chen Feinds. Im Popu­lismus wird die Feind­be­stim­mung zur Funktion einer eska­la­to­ri­schen Praxis, die Feinde schafft, um das gesell­schaft­liche Klima bis an die Grenze von Bürger- oder zwischen­staat­li­chen Kriegen anzuheizen.

Epiphanie der Gewalt

Auf die Eigen­logik der Enmi­fi­ka­tion deutet der Begriff der „Aufhet­zung“ hin. Hetze ist die Praxis rheto­ri­scher Feind­bild­auf­la­dung. Sie avisiert den Siede­punkt des bloß Rheto­ri­schen, an dem hass­erfüllte Rede auch physische Gewalt provo­ziert. Das thymo­ti­sche Spektakel verleitet Menschen zu Hand­lungen, zu denen sie unter normalen Umständen kaum fähig wären. Die rasende Ausbrei­tung der Gewalt in den Jugo­sla­wi­en­kriegen der 1990er Jahre ist dafür ein neueres Beispiel.

Dem Täter ermög­licht der Gewaltakt eine epipha­ni­sche Erfahrung im Sinne eines Macht- und Über­le­gen­heits­ge­fühls. Entspre­chendes dürfte für Hooligans gelten, die in Krawall und Schlä­ge­reien eine „dritte Halbzeit“ veran­stalten. Oder für poli­ti­sche Schläger- und Terror­truppen, inter­na­tio­nales Söld­nertum und die Frem­den­le­gions- und Spezi­al­kom­mando-Roman­tiker. Auffal­lend ist dabei immer wieder die Zufäl­lig­keit der Feind­bild­kon­struk­tion. Der Nach­fra­ge­seite ist es gleich, welcher Feind ausge­deutet wird. Die Geschichte hat gezeigt, dass wenige Aben­teurer dieses Schlags genügen, um Dikta­turen mit dem Personal für ihre Schmutz­ar­beiten auszustatten.

Das faschis­ti­sche Erlebnis

Eine frag­wür­dige Krone und auch Selbst­über­bie­tung findet die epipha­ni­sche Erfahrung im „faschis­ti­schen Erlebnis“. Hier steigert und trans­for­miert sie sich zur Lust am Todes­kitzel. Die prägnan­teste Beschrei­bung findet sich bekannt­lich in Ernst Jüngers lite­ra­ri­scher Verar­bei­tung des Ersten Welt­kriegs. Die Euphorie des „August­er­leb­nisses“ war beim Großteil der kämp­fenden Truppe schnell verflogen, Jünger aber steigerte sie zu einer ästhe­ti­schen Lebens­phi­lo­so­phie. Der äußere Zweck des Kampfes wird darin gleich­gültig, entschei­dend ist das „innere Erlebnis“, die rausch­haft empfun­dene Grenz­über­schrei­tung der tollkühn in den Kugel­hagel stür­menden Soldaten. So in Jüngers „Der Kampf als inneres Erlebnis“: „Vor einem Angriff sind ihre Gräben von begeis­terter Mann­schaft durch­flutet, und wenn unsere Sturm­si­gnale hinüber­blinken, machen sie sich zum Ringkampf […] bereit“. Armin Mohler – zeit­weilig Privat­se­kretär Ernst Jüngers und in den späten 1940er Jahren Erfinder des Sammel­be­griffs „Konser­va­tive Revo­lu­tion“ – , leuchtete die Erfahrung der Todesnähe tiefer aus: „Prüft man heute unbe­fangen jene Zeugnisse des ´Aufbruchs‚ [in den Ersten Weltkrieg, d.V.], so stößt man kaum auf Hass auf den Feind, (das war im wesent­li­chen die Ange­le­gen­heit des Hinter­landes). Hinter der in den Vorder­grund gescho­benen Vertei­di­gung der Heimat wird etwas Drin­gen­deres spürbar: die Sehnsucht nach einer anderen, unbe­dingten Lebensart.“ Auch bei Jünger hatte sich die Entge­gen­set­zung zum Feind in dunklen Dionysien exis­ten­tiell überboten: „Doch wenn wir Aufein­an­der­prallen im Gewölk von Feuer und Qualm, dann werden wir eins, dann sind wir zwei Teile von einer Kraft, zu einem Körper verschmolzen“. Die „zu einem Körper“ Verschmol­zenen sind keine Feinde mehr, sondern notwen­dige Partner –   wech­sel­sei­tige Bedin­gungen der Möglich­keit eines rausch­haften Erlebens.

Die subli­mierte Front­kämp­fer­er­fah­rung über­bietet die spießigen Wir-gegen-Sie-Antago­nismen des „Hinter­landes“ exis­ten­tiell. Vor allem aber – und darauf kommt es an! – inspi­riert sie den Kampf gegen einen nicht mehr bloß funk­tional ausge­deu­teten Feind im Hinter­land: nämlich den Libe­ra­lismus. Für die „konser­va­tiven Revo­lu­tio­näre“ ist nicht etwa die poli­ti­sche Linke, sondern der frei­heit­liche, indi­vi­dua­lis­ti­sche und weithin unhe­roi­sche Libe­ra­lismus der wirkliche Feind. Mohler deutet an, dass von der ins Faschis­ti­sche gewen­deten Front­kämp­fer­er­fah­rung einige Beiträge zur Über­win­dung der liberalen Demo­kratie zu erwarten sind: „dieje­nigen die überleben, bringen gerade diese Spannung von Jugend und Tod in die liberal geblie­bene Umwelt zurück …“.

Popu­lismus: ein Zwei-Komponenten-Sprengstoff

Die Suche nach Ursachen für den Popu­lismus erbringt ein komplexes Bild. Ja, Depri­va­tionen können machtvoll wirken. Aber popu­lis­ti­sche Angebote finden auch bei Menschen ohne mate­ri­ellen oder ideellen Mangel­druck Anklang. Neben den Frust- müssen auch Lust­mo­ti­va­tionen zum Verständnis des Phänomens heran­ge­zogen werden.

Ein Bild zur Verdeut­li­chung: der Popu­lismus wirkt wie ein Staub­sauger auf seine Anhän­ger­schaft. Er zieht sowohl von Lust wie von Frust getrie­bene Menschen an. Aber er ist mehr als das. Denn er facht auch wie ein  Blasebalg die Flammen von Hass, Wut und Streit überhaupt erst an. Durch ein solches gleich­zei­tiges Anziehen und Anfachen wird er zum Bezugs­punkt für persön­li­ches und soziales Unwohl­sein und für Bedürf­nisse nach Selbst­stei­ge­rung.  Er präsen­tiert dem Groll und der Wutlust  einen gemein­samen  Feind. Und in der spürbaren Anhebung der thymo­ti­schen Spannung schafft er Gemeinschaftsgefühle.

Mit der Beob­ach­tung, dass der Popu­lismus kollek­tive Hass- und Ressen­ti­ment­ge­fühle hervor­bringt, erhält auch die eingangs aufge­stellte Kombi­na­ti­ons­these ein Fundament in der Sache. Die vorge­schla­gene Addition von Ursachen und Moti­va­tionen spiegelt den tatsäch­li­chen Synkre­tismus der popu­lis­ti­schen Praxis wider. Der Popu­lismus erreicht eine disparate Anhän­ger­schaft, indem er unter­schied­liche Bedürf­nisse aufgreift, einen Feind ausdeutet und gegen ihn einen öffent­li­chen Schau­kampf inszeniert.

Der Einheits­punkt des Popu­lismus liegt deshalb nicht in spezi­fi­schen Formen von Hass, Wut und Ressen­ti­ment, die sich an alles und jedes heften können. Auch liegt er nicht in den popu­lis­ti­schen Darstel­lern. Sie stehen jeder Zeit bereit, aber finden oft kein Gehör. Der Einheits­punkt liegt in der Verbin­dung von Aufpeit­schern und Publikum. Popu­lismus ist ein Zwei-Kompo­nenten-Spreng­stoff. Alles hängt davon ab, ob und wie die ressen­ti­ment­haften Moti­va­tionen und Bedürf­nisse und die popu­lis­ti­schen Ausdeuter zusammenfinden.

Zeit­dia­gnose: Die Eruption des Populismus

Aber wenn Aufpeit­scher immer schon bereit stehen und ressen­ti­men­tales Grund­rau­schen, Depri­va­tionen und auch Gewalt­lust nie ganz verschwinden dürften, warum bringt der Popu­lismus dann zu bestimmten Zeiten besondere Erup­tionen hervor? Anders gefragt: Unter welchen Bedin­gungen verbinden sich die Kompo­nenten des popu­lis­ti­schen Spreng­stoffs und werden explosiv?

Eine Antwort liefert die These von den popu­lis­ti­schen Momenten.  Besondere Ereig­nisse können eine Kata­ly­sa­tor­funk­tion haben und Themen „vorwärmen“, um die herum dann der popu­lis­ti­sche Ausbruch erfolgen kann. In Deutsch­land gab es zuletzt in kurzer Abfolge gleich zwei solcher Momente.  Einmal als die US-Immo­bi­li­en­krise auf die Finanz­welt über­schwappte und sich in Europa in einer Euro- und Staats­fi­nanz­krise entlud. Die AfD fand hier ein Umfeld, in dem sie mit ihrer popu­lis­ti­schen Adres­sie­rung der Probleme entwi­ckeln konnte. Dem folgte 2015 bekannt­lich die soge­nannte „Flücht­lings­krise“.

Aber es geht auch um die Frage, wie eine Gesell­schaft kommu­ni­ziert und Ereig­nisse verar­beitet. Tatsäch­lich haben sich die Kommu­ni­ka­ti­ons­ver­hält­nisse stark verändert. Mit dem Internet und den sozialen Netz­werken ist heute fast jeder sein eigener Chef­re­dak­teur und verlaut­bart seine Ansichten nicht etwa nur in engeren Zirkeln, sondern auf der breiteren Bühne des Internets. Kommu­ni­ka­tive Blasen immu­ni­sieren gegen Fakten­prü­fung und abwei­chende Meinungen. Auch die Auswahl­al­go­rithmen der Netz­werk­be­treiber perso­na­li­sieren und emotio­na­li­sieren die Art der Kommunikation.

Auch klas­si­sche Medien, die zunehmend in Konkur­renz zur Inter­net­kom­mu­ni­ka­tion geraten, bauen quasi­po­pu­lis­ti­sche Elemente ein. Sie setzen ihrer­seits auf Emotionen und bedienen Themen und Agenden des Popu­lismus, um Quote und Reich­weite zu verteidigen.

Den Spreng­stoff des Popu­lismus  entschärfen

Wer den Spreng­stoff des Popu­lismus entschärfen will, muss die beiden Kompo­nenten, aus denen er sich zusam­men­setzt, im Auge haben. Man muss Ursachen für soziale Ressen­ti­ments angehen, wo es reale Ursachen für Unmut, Wut und Empörung gibt. Mit Blick auf die Einpeit­scher bedeutet es, so zu kommu­ni­zieren, dass nicht ihre Spek­ta­kel­themen und die popu­lis­ti­sche Art ihrer Adres­sie­rung die Agenda bestimmen. Wo demo­kra­ti­sche Debatten in Spek­ta­kel­kon­fron­ta­tionen abgleiten, hat der Popu­lismus leichtes Spiel.

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