Russlands Uran – Europas Abhängigkeit

Foto: Imago Images

Europäische Energie-Abhän­gigkeit von Russland wird zumeist anhand von Öl und Gas disku­tiert. Wladimir Sliwjak, russicher Umwelt­ak­tivist und Träger des Alter­na­tiven Nobel­preises sagt jedoch: Wir müssen uns auch von russi­schen Kernbrenn­stoff unabhängig machen.

Laut der Europäi­schen Atomge­mein­schaft Euroatom bringt der Uranhandel der russi­schen Wirtschaft rund 455 Millionen Euro pro Jahr ein. Dem Bericht zufolge bezahlten die Kernkraft­werks­be­treiber der EU im Jahr 2021 rund 210 Millionen Euro für den Import von Natururan aus Russland und weitere 245 Millionen Euro für Uranim­porte aus Kasachstan, wo der Abbau vom russi­schen Staats­konzern Rosatom betrieben wird.

Seit Beginn des russi­schen Krieges in der Ukraine hat die Europäische Union bereits acht Sankti­ons­pakete verab­schiedet. Die Sanktionen betrafen unter anderem Kohle und andere fossile Festbrenn­stoffe, Stahl und Eisen – die russische Atomin­dustrie war jedoch nicht betroffen.

Über mögliche Sanktionen und die Abhän­gigkeit Europas von russi­schem Uran sprachen wir mit Wladimir Sliwjak, einem russi­schen Umwelt­ak­ti­visten, der 2021 den Alter­na­tiven Nobel­preis „Right Livelihood Award“ erhielt und Mitbe­gründer der russi­schen Umwelt­or­ga­ni­sation Eco-Defence! (Экозащита!) ist.

„Ich bin für ein Embargo auf Kohle, Gas und Öl. Von Kernbrenn­stoffen aller­dings ist in der Diskussion bisher nichts zu hören. Gleich­zeitig ist Europa sehr abhängig von russi­schem Kernbrenn­stoff, von russi­schem Uran. Der erste Teil des Problems besteht darin, dass es in fünf Ländern der Europäi­schen Union 18 alte Kernre­ak­toren vom sowje­ti­schen Typ WWER gibt. Davon befinden sich je zwei Reaktoren in Bulgarien und Finnland, je vier in Ungarn und der Slowakei und sechs in der Tsche­chi­schen Republik. Sie alle erhalten Kernbrenn­stoffe von Rosatom, und es gibt keinen alter­na­tiven Liefe­ranten. Inzwi­schen werden die Brenn­ele­mente zwar auch von der ameri­ka­ni­schen Firma Westing­house herge­stellt, aber deren Kapazi­täten reichen nicht aus, um alle europäi­schen Reaktoren zu versorgen.

Der zweite Teil des Problems besteht darin, dass Russland Rohuran liefert, das in westeu­ro­päi­schen Anlagen verwendet wird, um andere Arten von Brenn­stoff herzu­stellen, die wiederum in westlichen Reaktoren verwendet werden, zum Beispiel in Frank­reich und der Schweiz. Es gibt die Kernbrenn­stoff-Anlage in Lingen (Nieder­sachsen, Deutschland) und es gibt einige franzö­sische Anlagen, die noch in Betrieb sind. In bestimmten Fällen ist es wahrscheinlich auch möglich, alter­native Liefe­ranten für das Rohruran zu finden. Europa impor­tiert auch Rohuran aus Kasachstan. Während Russland etwa 26% des Urans liefert, kommen aus Kasachstan weitere knapp 20%. Wenn Wladimir Putin jedoch beschließt, kein Uran mehr nach Europa zu liefern, dann könnte er auch Kasachstan zwingen, das Gleiche zu tun – was erheb­liche Konse­quenzen hätte. Viele Länder in der Europäi­schen Union würden darunter leiden, weil sie nicht mehr genug Energie hätten, was dann eine Frage der Sicherheit für die Europäische Union wäre.

Leider thema­ti­sieren die Politiker diese Abhän­gigkeit jedoch nicht. Ich denke, die beste Lösung wäre – vor allem für die fünf Länder mit alten sowje­ti­schen Reaktoren darüber nachzu­denken, wie sie diese so schnell wie möglich abschalten und wie die Europäische Kommission zusam­men­kommen können, um einen Plan für eine alter­native Energie­ver­sorgung für diese Länder auszu­ar­beiten. Glück­li­cher­weise gehören die fünf Länder nicht zu den größten Ländern der Europäi­schen Union und verbrauchen nicht so viel Energie wie zum Beispiel Deutschland oder Frankreich.

Wenn die deutsche Regierung sagt, sie könne den kommenden Winter ohne russi­sches Gas überstehen, dann sollte es auch möglich sein, ohne russi­sches Uran auszu­kommen. Dazu braucht es jedoch politi­schen Druck und Entschlossenheit.“

Textende

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