Schwächung des westlichen Bündnisses: Haben sich Putin und Xi verkalkuliert?
China und die USA – Das Hin und Her Pekings zwischen Aggression und Entspannung könnte auf einen Machtkampf in Peking hindeuten. Nach den Protesten gegen seine „Zero Covid“-Politik ist Xi-Jinpings Herrschaft fragiler als zuvor, analysiert Alexander Görlach.
Anthony Blinkens Absage seiner Reise nach Peking ist ein neuer Tiefpunkt im Verhältnis der Vereinigten Staaten und der Volksrepublik China. Eigentlich hätte der diplomatische Besuch in Peking, den US-Präsident Joe Biden und Chinas Machthaber Xi Jinping im vergangenen November bei einem Treffen verabredet hatten, einen Neuanfang zwischen den beiden Ländern einläuten sollen. Die Volksrepublik hatte dafür sogar den aggressiven Ton gegenüber den USA ein wenig gedämpft und den spitzzüngigen Regierungssprecher, Zhao Lilian, versetzt. Qin Gang löste den ebenfalls ins Lager der Scharfmacher (“Wolfskrieger”) gehörenden Wang Yi als Außenminister der Volksrepublik ab. Qin war bis zu seiner Ernennung Botschafter Chinas in Washington und fand in einem Interview vor seinem Weggang schon lange nicht mehr gehörte, freundliche Worte für die Amerikaner.
Doch der abgeschossene Spionage-Ballon, der zuvor über einer militärischen Einrichtung im US-Bundestaat Montana gesichtet wurde, untergrub die Glaubwürdigkeit des neuen Zungenschlags aus Peking. Dort reagierte man zwar zuerst noch verhalten devot und erklärte, es handele sich lediglich um einen Wetterballon, der von seiner Route abgekommen sei. Nach dem Abschuss jedoch änderte sich das: Peking wirft nun Washington vor, übertrieben reagiert zu haben.
Tatsächlich eignen sich solche Ballons allerdings gut für Spionage-Zwecke, da sie, anders als Spionage-Satelliten, nicht auf einer vorhersagbaren Bahn zirkulieren und zudem schwer vom Himmel geholt werden können. Beide Seiten bemühen sich um Schadenbegrenzung, denn noch besteht der Minimalkonsens zwischen den beiden Kontrahenten, dass ein Kriegsausbruch um jeden Preis zu verhindern sei. Allerdings sorgt der Zwischenfall mittlerweile für innenpolitischen Zwist zwischen Demokraten und Republikanern.
„Die atlantische Allianz ist geeint wie lange nicht“
Die Nachricht, dass ein zweiter Spionage-Ballon seine Kreise über Lateinamerika zieht, könnte den bislang auf Amerika und China begrenzten in einen globalen Konflikt ausweiten. Dem Ansehen der Volksrepublik, die in Umfragen überall auf der Welt immer kritischer gesehen wird, wird das nicht guttun. Xi Jinping hat mit seiner Politik bislang das Gegenteil dessen erreicht, was er im Sinn hatte: Eigentlich wollte der Machthaber die USA von ihren Partnern im pazifischen Raum entfremden. Sein Diktatoren-Freund Putin hatte dasselbe im Westen vor. Er hoffte, durch die Invasion in der Ukraine das westliche Bündnis zu schwächen und auseinander zu dividieren. Nun sieht es so aus, als ob die Vereinigten Staaten als ultimative Supermacht zurück sind: Japan, Korea, Taiwan, Australien und die Philippinen haben in den vergangenen Wochen ihr Bündnis mit Washington verstärkt, die atlantische Allianz ist so geeint wie lange nicht. Putin und Xi haben sich verkalkuliert.
Da passt es, dass die Reise von Anthony Blinken fast auf den Jahrestag eines denkwürdigen Treffens gefallen wäre: Xi Jinping und Kreml-Machthaber Wladimir Putin verkündeten am 4. Februar 2022 eine spezielle Freund- und Partnerschaft ihrer beiden Länder. Ganz der russischen Propaganda folgend warf China den USA vergangene Woche vor, für den Kriegsausbruch in der Ukraine verantwortlich zu sein. Neben den Entspannungssignalen auf der einen Seite verschärft Peking zur gleichen Zeit seine Gangart gegenüber Washington. Größter Streitpunkt dabei ist das demokratische Taiwan. Das Land gehört zu den wichtigsten Produzenten von Computer-Chips, die Peking braucht, um sein Militär auf den neusten Stand zu bringen. Peking behauptet, Taiwan gehöre zur Volksrepublik. In Wahrheit aber hat die KP niemals über die Insel geherrscht.
Machtkampf in Peking?
Das Hin und Her Pekings zwischen Aggression und Entspannung deutet auf einen Machtkampf in Peking hin: Xi Jinpings Flügel wurden nach den Protesten im November, die sich gegen seine totalitäre „Null Covid“-Politik richteten, gestutzt. Noch nie war seine Herrschaft so fragil wie im Moment. Er braucht nun einen außenpolitischen Erfolg, den er sich von einer harten Linie gegenüber den USA erhofft. Gleichzeitig muss er aber auch die darbende chinesische Wirtschaft anschieben, wofür es unabdingbar ist, es sich nicht völlig mit den Amerikanern zu verscherzen. Dass US-Außenminister Blinken angeboten hat, das Treffen unter Umständen nachzuholen, mag Xi Jinping daher mit Erleichterung aufgenommen haben.
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