Sind Chinas ökonomische Schwierigkeiten
hausgemacht?
Peking macht die westliche Welt verantwortlich für die ökonomische Misere Chinas: Der Westen wolle durch das Einkreisen des Landes die Entwicklung der chinesischen Wirtschaft ausbremsen. Damit weist Machthaber Xi Jinping alle Verantwortung von sich. Was ist dran an dieser Behauptung?
Peking macht die westliche Welt verantwortlich für die ökonomische Misere, in der sich die Volksrepublik befindet. Die Vereinigten Staaten von Amerika und ihre Verbündeten, so verlautet es aus den offiziellen Staatsorganen, wollten durch das Einkreisen des Landes die Entwicklung der chinesischen Wirtschaft ausbremsen. Damit weist Machthaber Xi Jinping alle Verantwortung für den Zustand seines Landes von sich. Doch was ist dran an dieser Behauptung
USA und China: De-Coupling oder blühende Handelsbeziehungen?
Derzeit lässt sich – zumindest in den offiziellen Verlautbarungen – ein reges gegenseitiges De-Risking zwischen den USA und der Volksrepublik beobachten. Washington setzt dabei darauf, die aggressive, kriegsbereite chinesische Armee von Technologien fernzuhalten, die Xi militärisch gegen Washington und seine Verbündeten einsetzen könnte. Peking wiederum möchte, dass seine Wirtschaft autark und damit unabhängig vom Rest der Welt wird. Zudem soll der Yuan zu einer globalen Leitwährung werden, so dass die Volksrepublik nicht von Sanktionen getroffen wird, sollte Xi den von ihm angekündigten Krieg gegen Taiwan wirklich beginnen. Vieles an diesem De-Coupling ist jedoch reine Propaganda: Zwar ist das Importvolumen von Gütern aus der Volksrepublik in die USA in der ersten Hälfte 2023 um die Hälfte gesunken. Allerdings gleicht sich einiges dadurch wieder aus, dass Güter aus China nach Mexiko exportiert und dort umgepackt werden, bevor sie in die Vereinigten Staaten gelangen. Solange der Handel zwischen den beiden Kontrahenten weiter blüht, kann keiner wirklich für die wirtschaftliche Handelsmisere des anderen verantwortlich sein.
Lahmende Binnennachfrage
Was in China lahmt, ist vor allem die Nachfrage innerhalb des Landes, nach Gütern und Dienstleistungen. Die Hoffnung der Kommunistischen Partei, dass der Konsum nach dem Ende der Corona-Pandemie wieder anziehen würde, hat sich nicht erfüllt. Analysten sehen den Grund hierfür in der erratischen Politik Pekings. Da vielen Konsumenten nicht klar sei, wohin sich das Land entwickele, sparten sie lieber als ihr Geld auszugeben. Chinas Zentralbank, die People’s Bank of China, hat im Februar diesen Jahres Daten veröffentlicht, denen zufolge die gesamten Bankguthaben im Jahr 2022 um 26,3 Billionen Yuan (3,92 Billionen US-Dollar) gestiegen seien, darunter 17,8 Billionen Yuan an Ersparnissen der privaten Haushalte.
Eine stagnierende Wirtschaft schafft keine neuen Arbeitsplätze. In diesem Jahr ist die Jugendarbeitslosigkeit in der Volksrepublik auf über 21 Prozent gestiegen, der höchste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen. Die KP hat mittlerweile aufgehört, diese Zahlen zu veröffentlichen. Die Jugend reagiert zunehmend apathisch und hat den Slang-Begriff “Tang Ping” für ihre Situation kreiert, was übersetzt so viel bedeutet wie “flach auf dem Boden liegen und die Schläge über sich ergehen lassen”. Xi Jinping empfiehlt der Jugend, wie zu Zeiten Maos auf das Land zu gehen und dort zu arbeiten. Er selbst wurde als junger Mann auf das Land zur Maloche verschickt, nachdem seine Familie bei der damaligen Parteielite in Ungnade gefallen war. Das Leben von Universitätsabsolventinnen und ‑absolventen ist in China heute jedoch nicht von Entbehrung, sondern dem Wohlstandsversprechen der Kommunistischen Partei geprägt. Sein Vorschlag wird daher eher Kopfschütteln als eine Massenbewegung auf das Land auslösen.
Anhaltende Immobilienkrise
Die Immobilienkrise im Land hält an. Diese Krise ist keine, die China speziell befallen hat, weil es autokratisch und kommunistisch regiert wird. Das Spezifische an der chinesischen Variante der Krise ist, dass sich zum einen Provinzregierungen zu einem großen Teil aus Landverkäufen finanziert haben, auf denen dann große Wohnprojekte realisiert wurden. Da einige der Immobilienentwickler in die Bredouille geraten sind, ist diese Einnahmequelle des Staates versiegt – mit weitreichenden Konsequenzen für seine Handlungsfähigkeit. Des Weiteren haben die Menschen in China ihre Ersparnisse in Wohnungen gesteckt. Bezahlt wurde in der Regel, bevor mit dem Bau begonnen wurde. Im Sommer 2022 kam es zu einer seltenen Protestwelle im Land: von Menschen, deren Immobilien gar nicht erst gebaut oder fertig gestellt wurden, obschon sie dafür bezahlt hatten.
Ein Umbau in eine Wissensgesellschaft scheitert an der Kommunistischen Partei
Die Volksrepublik hat nach fast drei Jahrzehnten kontinuierlichen Wachstums auch ohne die Effekte der Pandemie ein Plateau erreicht, das typisch ist für Länder, die sich wie China entwickelt haben. Die Löhne und Produktionskosten sind allgemein teurer geworden, weswegen einige Industrien sich bereits vor Covid in Richtung Vietnam und Kambodscha aufgemacht haben. Peking müsste nun eigentlich dafür Sorge tragen, dass sich Bildung und Ausbildung an diese Veränderung anpasst, um Zukunftstechnologien und Wachstum zu kreieren. Doch dies geschieht nicht, da ein Umbau Chinas in eine Wissensgesellschaft an der Zensur und dem Primat der Kommunistischen Partei scheitert. Welche Ergebnisse dieses Versäumnis zeitigen wird, kann Peking an den USA besichtigen: Auch wenn die Größenordnungen zum Teil massiv variieren, besteht doch Konsens darüber, dass in der Tat Jobs von Amerika in die Volksrepublik gewandert sind. Washington hätte darauf mit einer Bildungsoffensive reagieren müssen, um die Workforce des Landes auf eine höher spezialisierte Produktion als jene, die nach China gegangen ist, vorzubereiten. Dies ist aus ideologischen Gründen unterblieben. In Amerika gibt es keine gute, frei zugängliche Bildung für alle.
Chinas ökonomische Schwierigkeiten sind hausgemacht. Ihre Ursachen liegen im autokratischen politischen System, das sich in den vergangenen Jahren zunehmend in eine handfeste Einmann-Diktatur verwandelt hat. Demokratien hingegen können, wie das englische Magazin The Economist gerade vorgerechnet hat, wirtschaftlichen Wandel besser moderieren und ihm durch Innovation begegnen. Da es jedoch Xi Jinpings Absicht ist, noch mehr Parteikontrolle anstatt weniger zu installieren, steht zu erwarten, dass die Probleme der chinesischen Wirtschaft eher noch größer werden.
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