Taiwan: Die anstehenden Wahlen und der Konflikt mit China
Am 13. Januar sind Wahlen in Taiwan. Das Ergebnis entscheidet auch über die zukünftige Positionierung des Landes Konflikt mit China. Der Politikanalyst und Journalist Brian Hioe geht von einem Sieg der amtierenden DPP aus – und weiteren militärischen Drohungen Chinas.
Herr Hioe, am 13. Januar sind Wahlen in Taiwan und es scheint, dass die amtierende Demokratische Fortschrittspartei DPP erneut die Präsidentschaft gewinnen wird. Oder könnte es zu einem überraschenden Wahlausgang kommen?
Das Rennen ist bis zuletzt offen. Allerdings hat sich die Opposition nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen können, was deren Wahlsieg – Stand heute – eher unwahrscheinlich macht, so dass die DPP mit ihrem Kandidaten Lai Ching-te vermutlich klar gewinnen wird.
Wird China gegenüber Taiwan noch aggressiver werden, wenn in Taiwan weiterhin die DPP regiert?
In der Tat dürfte China dann seine militärischen Drohungen gegen Taiwan fortsetzen. Selbst als der frühere Präsident der chinafreundlichen KMT-Partei (Kuomintang), Ma Ying-jeou, im Frühjahr die Volksrepublik im Rahmen einer Reise besuchte, um zu zeigen, dass es unter einer KMT-Regierung gelingen würde, das Verhältnis zu Peking zu ändern, antwortete Peking auf seinen Besuch mit einer Reihe von Militärübungen.
Wie denken die Menschen in Taiwan über die China-Frage? Steht sie im Wahlkampf im Vordergrund ihres Denkens oder beschäftigen sie sich mit anderen Themen?
Traditionell ist die China-Frage das wichtigste Thema bei Präsidentschaftswahlen, aber sie ist nicht die einzige Frage, die den Taiwanern am Herzen liegt. Viele Taiwaner sind beispielsweise verärgert über das schleppende Wirtschaftswachstum der letzten Jahre oder zumindest darüber, dass das die Früchte des wirtschaftlichen Erfolgs nicht bei der breiten Bevölkerung ankommen. Innenpolitische Themen wie dieses könnten sich auf die Wahlen auswirken, auch wenn sich die Abstimmung immer noch in erster Linie um die Angelegenheiten in der Taiwanstraße drehen wird.
Insbesondere die Jugend, die ein überzeugter Befürworter der liberalen Ideale der DPP ist, sorgt sich aber auch um andere Themen: Arbeitsplatzsicherheit, hohe Mieten, Lebenshaltungskosten. Hat die amtierende DPP Antworten zu bieten oder droht der Verlust einer erheblichen Zahl junger Wähler?
Leider ist dies einer der Gründe, warum viele junge Menschen über die Demokratische Fortschrittspartei verärgert sind: Dass die Partei nicht in der Lage war, die wirtschaftlichen Probleme, mit denen Taiwan konfrontiert ist, zu lösen. Alle großen Parteien sehen dieses Problem, es mangelt jedoch allen an einer engagierten Vision für einen Wandel unserer Gesellschaft.
Die Kuonmintang (KMT), die chinafreundliche nationalistische Konkurrentin der amtierenden Demokratischen Fortschrittpartei, hatte sich kurzzeitig mit der Taiwanesischen Volkspartei zusammengetan, um die Präsidentschaftswahl zu gewinnen. Warum hat das konservative Lager Ihrer Meinung nach diese Chance vertan?
Dem konservativen Lager gelang es nicht, sich zusammenzuschließen – was zum Teil an den großen Egos der beteiligten Politiker lag, die sich weigerten, zum Wohle der Allgemeinheit miteinander Kompromisse einzugehen. Die „altehrwürdige” KMT wollte der aufstrebenden jungen Taiwanischen Volkspartei (TPP) nicht Platz machen und ihr den Chefposten anbieten. Die TPP wiederum hatte einen Großteil ihres Zuspruchs ihrem Versprechen zu verdanken, eine echte Alternative zur KMT zu sein. Die Aussicht, dann gemeinsam in den Wahlkampf zu gehen, hätte einen Glaubwürdigkeitsverlust bedeutet.
Was würde eine zukünftige Präsidentschaft der Demokratischen Volkspartei – oder aber der Kuonmintang – für die Beziehungen Taiwans zur VR China bedeuten?
Die DPP würde versuchen, den aktuellen Status quo der an der Macht befindlichen Tsai-Regierung aufrechtzuerhalten. Im Gegensatz dazu würde die KMT ihr bisheriges Programm zur Förderung engerer wirtschaftlicher und politischer Beziehungen zwischen Taiwan und China wiederbeleben. Dies lässt sich an ihren Vorschlägen zur Wiederbelebung des CSSTA erkennen, dem Handelsabkommen, gegen das sich die Sonnenblumenbewegung 2014 aussprach.
Am 13. Januar finden in Taiwan auch Parlamentswahlen statt. Ist der Trend dort ähnlich wie bei den Präsidentschaftswahlen?
Im Gegensatz zu den Präsidentschaftswahlen wird die Demokratische Volkspartei wahrscheinlich die Kontrolle über die Legislative verlieren. Die Kuonmintang war in der Kommunalpolitik schon immer stärker, auch wenn sie auf nationaler Ebene zunehmend nicht mehr in der Lage ist, Präsidentschaftswahlen zu gewinnen. Das erste Mal, dass eine andere Partei als die Kuonmintang die Mehrheit in der Legislative hatte, war nach der Wahl im Jahr 2016. Jetzt könnten sich dies wiederholen. Die KMT wird dann wahrscheinlich versuchen, die Bemühungen der DPP durch gesetzgeberische Kontrolle im Parlament behindern.
Auch in den USA, Taiwans wichtigstem Verbündeten, finden im nächsten Jahr Wahlen statt. Wie denken Experten und Medien auf der Insel über die möglichen Ergebnisse nach? Was würde eine erneute Präsidentschaft von Donald Trump für Taiwan bedeuten?
Überraschenderweise wird derzeit in Taiwan nicht viel über die amerikanischen Wahlen diskutiert, wahrscheinlich weil der Schwerpunkt derzeit auf den Wahlen in Taiwan liegt. Aber unter jenen, die sich mit Politik befassen, gibt es Bedenken, was eine Trump-Präsidentschaft bringen könnte. Zu Beginn seiner ersten Amtszeit kam die Hoffnung auf, dass Trump ein potenzieller Verbündeter Taiwans sei. Diese Hoffnung hat sich mittlerweile angesichts seiner Kommentare zerschlagen, in denen Trump andeutete, Taiwan könne zu einem geopolitischen Spielball in Verhandlungen mit China werden. Aussagen wie diese geben Grund zur Sorge.
Für wie realistisch halten die Taiwaner eine chinesische Invasion der Insel?
Es existiert schon seit vielen Jahren eine langfristige Bedrohung für Taiwan, von daher ist der Gedanke allen Taiwanern vertraut. Gleichzeitig sehen sie dieses – obgleich realistische – Szenario nicht als eines, das morgen eintreten wird. Das Leben im Land geht trotz militärischer Drohungen der Volksrepublik wie gewohnt weiter.
Die demokratischen Nachbarn Taiwans, die Philippinen, Südkorea und Japan, haben ihr Militärbündnis mit den USA intensiviert. Wird sich dies auch auf Taiwan auswirken, etwa durch die Einbeziehung in Militärübungen der USA mit anderen Ländern in der Region?
Taiwan hat wahrscheinlich schon seit einiger Zeit darauf gehofft, in solche Übungen einbezogen zu werden. Und angesichts der Tatsache, dass alle anderen Verbündeten Washingtons in der Region daran teilnehmen, ist dies auch keine verwegene Hoffnung. Zugleich wollen Taiwan und die USA Aktionen vermeiden, die China provozieren und letztlich einen Angriff auf die Insel auslösen könnten.
Brian Hioe ist Politikanalyst und Gründer des New Bloom Magazine, das sich mit Aktivismus und Jugendpolitik in Taiwan und dem Asien-Pazifik befasst. Von 2017 bis 2018 war er Democracy and Human Rights Service Fellow bei der Taiwan Foundation for Democracy. Derzeit ist er Non-Resident Fellow am Taiwan Research Hub der University of Nottingham.
Hat Ihnen unser Beitrag gefallen? Dann spenden Sie doch einfach und bequem über unser Spendentool. Sie unterstützen damit die publizistische Arbeit von LibMod.
Spenden mit Bankeinzug
Spenden mit PayPal
Wir sind als gemeinnützig anerkannt, entsprechend sind Spenden steuerlich absetzbar. Für eine Spendenbescheinigung (nötig bei einem Betrag über 200 EUR), senden Sie Ihre Adressdaten bitte an finanzen@libmod.de
Hintergrundinformationen zu den im Text erwähnten Parteien:
Demokratische Fortschrittspartei (DPP – Democratic Progressive Party)
Die DPP wurde 1986 auf Initiative taiwanischer Dissidenten gegründet und setzt sich für die Unabhängigkeit Taiwans von der Volksrepublik China ein. Die Präsidentschaftswahlen 2016 und 2020 gewann die Kandidatin Tsai Img-wen mit deutlichem Vorsprung vor dem Kandidaten der Kuomintang und Qinmindang.
Kuomintang (KMT)
Im Jahr 1911 gegründet, regierte die KMT “Die Republik China”, die nach dem Ende der Qing-Dynastie ausgerufen wurde. Ihr Anführer Chiang Kei-chek kämpfte ab 1927 gegen Mao Zedong und die Kommunisten. Im Jahr 1947 verloren die Kuomintang den Krieg und zogen sich auf Taiwan zurück. Die Insel ist heute der letzte Rest der “Republik China”. Nach vier Jahrzehnten der Militärherrschaft von Chiang Kei-chek erlaubte dessen Sohn Mitte der 80er Jahre eine demokratische Öffnung des Landes. Die Existenz einer neuen Partei wurde zunächst geduldet, später offiziell erlaubt und im Jahr 2000 stellte mit der DPP erstmals eine andere Partei den Präsidenten.
Taiwanische Volkspartei (TPP – Taiwan People´s Party)
Die 2019 von dem damaligen Bürgermeister von Taipeh Ko Wen-je gegründete TPP versteht sich als Alternative zur Kuomintang. Auch sie setzt sich für einen engeres Verhältnis zu China ein und kritisiert die liberale Politik der DPP.
Verwandte Themen
Newsletter bestellen
Mit dem LibMod-Newsletter erhalten Sie regelmäßig Neuigkeiten zu unseren Themen in Ihr Postfach.
Am 13. Januar sind Wahlen in Taiwan. Das Ergebnis entscheidet auch über die zukünftige Positionierung des Landes Konflikt mit China. Der Politikanalyst und Journalist Brian Hioe geht von einem Sieg der amtierenden DPP aus – und weiteren militärischen Drohungen Chinas.
Herr Hioe, am 13. Januar sind Wahlen in Taiwan und es scheint, dass die amtierende Demokratische Fortschrittspartei DPP erneut die Präsidentschaft gewinnen wird. Oder könnte es zu einem überraschenden Wahlausgang kommen?
Das Rennen ist bis zuletzt offen. Allerdings hat sich die Opposition nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen können, was deren Wahlsieg – Stand heute – eher unwahrscheinlich macht, so dass die DPP mit ihrem Kandidaten Lai Ching-te vermutlich klar gewinnen wird.
Wird China gegenüber Taiwan noch aggressiver werden, wenn in Taiwan weiterhin die DPP regiert?
In der Tat dürfte China dann seine militärischen Drohungen gegen Taiwan fortsetzen. Selbst als der frühere Präsident der chinafreundlichen KMT-Partei (Kuomintang), Ma Ying-jeou, im Frühjahr die Volksrepublik im Rahmen einer Reise besuchte, um zu zeigen, dass es unter einer KMT-Regierung gelingen würde, das Verhältnis zu Peking zu ändern, antwortete Peking auf seinen Besuch mit einer Reihe von Militärübungen.
Wie denken die Menschen in Taiwan über die China-Frage? Steht sie im Wahlkampf im Vordergrund ihres Denkens oder beschäftigen sie sich mit anderen Themen?
Traditionell ist die China-Frage das wichtigste Thema bei Präsidentschaftswahlen, aber sie ist nicht die einzige Frage, die den Taiwanern am Herzen liegt. Viele Taiwaner sind beispielsweise verärgert über das schleppende Wirtschaftswachstum der letzten Jahre oder zumindest darüber, dass das die Früchte des wirtschaftlichen Erfolgs nicht bei der breiten Bevölkerung ankommen. Innenpolitische Themen wie dieses könnten sich auf die Wahlen auswirken, auch wenn sich die Abstimmung immer noch in erster Linie um die Angelegenheiten in der Taiwanstraße drehen wird.
Insbesondere die Jugend, die ein überzeugter Befürworter der liberalen Ideale der DPP ist, sorgt sich aber auch um andere Themen: Arbeitsplatzsicherheit, hohe Mieten, Lebenshaltungskosten. Hat die amtierende DPP Antworten zu bieten oder droht der Verlust einer erheblichen Zahl junger Wähler?
Leider ist dies einer der Gründe, warum viele junge Menschen über die Demokratische Fortschrittspartei verärgert sind: Dass die Partei nicht in der Lage war, die wirtschaftlichen Probleme, mit denen Taiwan konfrontiert ist, zu lösen. Alle großen Parteien sehen dieses Problem, es mangelt jedoch allen an einer engagierten Vision für einen Wandel unserer Gesellschaft.
Die Kuonmintang (KMT), die chinafreundliche nationalistische Konkurrentin der amtierenden Demokratischen Fortschrittpartei, hatte sich kurzzeitig mit der Taiwanesischen Volkspartei zusammengetan, um die Präsidentschaftswahl zu gewinnen. Warum hat das konservative Lager Ihrer Meinung nach diese Chance vertan?
Dem konservativen Lager gelang es nicht, sich zusammenzuschließen – was zum Teil an den großen Egos der beteiligten Politiker lag, die sich weigerten, zum Wohle der Allgemeinheit miteinander Kompromisse einzugehen. Die „altehrwürdige” KMT wollte der aufstrebenden jungen Taiwanischen Volkspartei (TPP) nicht Platz machen und ihr den Chefposten anbieten. Die TPP wiederum hatte einen Großteil ihres Zuspruchs ihrem Versprechen zu verdanken, eine echte Alternative zur KMT zu sein. Die Aussicht, dann gemeinsam in den Wahlkampf zu gehen, hätte einen Glaubwürdigkeitsverlust bedeutet.
Was würde eine zukünftige Präsidentschaft der Demokratischen Volkspartei – oder aber der Kuonmintang – für die Beziehungen Taiwans zur VR China bedeuten?
Die DPP würde versuchen, den aktuellen Status quo der an der Macht befindlichen Tsai-Regierung aufrechtzuerhalten. Im Gegensatz dazu würde die KMT ihr bisheriges Programm zur Förderung engerer wirtschaftlicher und politischer Beziehungen zwischen Taiwan und China wiederbeleben. Dies lässt sich an ihren Vorschlägen zur Wiederbelebung des CSSTA erkennen, dem Handelsabkommen, gegen das sich die Sonnenblumenbewegung 2014 aussprach.
Am 13. Januar finden in Taiwan auch Parlamentswahlen statt. Ist der Trend dort ähnlich wie bei den Präsidentschaftswahlen?
Im Gegensatz zu den Präsidentschaftswahlen wird die Demokratische Volkspartei wahrscheinlich die Kontrolle über die Legislative verlieren. Die Kuonmintang war in der Kommunalpolitik schon immer stärker, auch wenn sie auf nationaler Ebene zunehmend nicht mehr in der Lage ist, Präsidentschaftswahlen zu gewinnen. Das erste Mal, dass eine andere Partei als die Kuonmintang die Mehrheit in der Legislative hatte, war nach der Wahl im Jahr 2016. Jetzt könnten sich dies wiederholen. Die KMT wird dann wahrscheinlich versuchen, die Bemühungen der DPP durch gesetzgeberische Kontrolle im Parlament behindern.
Auch in den USA, Taiwans wichtigstem Verbündeten, finden im nächsten Jahr Wahlen statt. Wie denken Experten und Medien auf der Insel über die möglichen Ergebnisse nach? Was würde eine erneute Präsidentschaft von Donald Trump für Taiwan bedeuten?
Überraschenderweise wird derzeit in Taiwan nicht viel über die amerikanischen Wahlen diskutiert, wahrscheinlich weil der Schwerpunkt derzeit auf den Wahlen in Taiwan liegt. Aber unter jenen, die sich mit Politik befassen, gibt es Bedenken, was eine Trump-Präsidentschaft bringen könnte. Zu Beginn seiner ersten Amtszeit kam die Hoffnung auf, dass Trump ein potenzieller Verbündeter Taiwans sei. Diese Hoffnung hat sich mittlerweile angesichts seiner Kommentare zerschlagen, in denen Trump andeutete, Taiwan könne zu einem geopolitischen Spielball in Verhandlungen mit China werden. Aussagen wie diese geben Grund zur Sorge.
Für wie realistisch halten die Taiwaner eine chinesische Invasion der Insel?
Es existiert schon seit vielen Jahren eine langfristige Bedrohung für Taiwan, von daher ist der Gedanke allen Taiwanern vertraut. Gleichzeitig sehen sie dieses – obgleich realistische – Szenario nicht als eines, das morgen eintreten wird. Das Leben im Land geht trotz militärischer Drohungen der Volksrepublik wie gewohnt weiter.
Die demokratischen Nachbarn Taiwans, die Philippinen, Südkorea und Japan, haben ihr Militärbündnis mit den USA intensiviert. Wird sich dies auch auf Taiwan auswirken, etwa durch die Einbeziehung in Militärübungen der USA mit anderen Ländern in der Region?
Taiwan hat wahrscheinlich schon seit einiger Zeit darauf gehofft, in solche Übungen einbezogen zu werden. Und angesichts der Tatsache, dass alle anderen Verbündeten Washingtons in der Region daran teilnehmen, ist dies auch keine verwegene Hoffnung. Zugleich wollen Taiwan und die USA Aktionen vermeiden, die China provozieren und letztlich einen Angriff auf die Insel auslösen könnten.
Brian Hioe ist Politikanalyst und Gründer des New Bloom Magazine, das sich mit Aktivismus und Jugendpolitik in Taiwan und dem Asien-Pazifik befasst. Von 2017 bis 2018 war er Democracy and Human Rights Service Fellow bei der Taiwan Foundation for Democracy. Derzeit ist er Non-Resident Fellow am Taiwan Research Hub der University of Nottingham.
Hat Ihnen unser Beitrag gefallen? Dann spenden Sie doch einfach und bequem über unser Spendentool. Sie unterstützen damit die publizistische Arbeit von LibMod.
Spenden mit Bankeinzug
Spenden mit PayPal
Wir sind als gemeinnützig anerkannt, entsprechend sind Spenden steuerlich absetzbar. Für eine Spendenbescheinigung (nötig bei einem Betrag über 200 EUR), senden Sie Ihre Adressdaten bitte an finanzen@libmod.de
Verwandte Themen
Newsletter bestellen
Mit dem LibMod-Newsletter erhalten Sie regelmäßig Neuigkeiten zu unseren Themen in Ihr Postfach.
Am 13. Januar sind Wahlen in Taiwan. Das Ergebnis entscheidet auch über die zukünftige Positionierung des Landes Konflikt mit China. Der Politikanalyst und Journalist Brian Hioe geht von einem Sieg der amtierenden DPP aus – und weiteren militärischen Drohungen Chinas.
Herr Hioe, am 13. Januar sind Wahlen in Taiwan und es scheint, dass die amtierende Demokratische Fortschrittspartei DPP erneut die Präsidentschaft gewinnen wird. Oder könnte es zu einem überraschenden Wahlausgang kommen?
Das Rennen ist bis zuletzt offen. Allerdings hat sich die Opposition nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen können, was deren Wahlsieg – Stand heute – eher unwahrscheinlich macht, so dass die DPP mit ihrem Kandidaten Lai Ching-te vermutlich klar gewinnen wird.
Wird China gegenüber Taiwan noch aggressiver werden, wenn in Taiwan weiterhin die DPP regiert?
In der Tat dürfte China dann seine militärischen Drohungen gegen Taiwan fortsetzen. Selbst als der frühere Präsident der chinafreundlichen KMT-Partei (Kuomintang), Ma Ying-jeou, im Frühjahr die Volksrepublik im Rahmen einer Reise besuchte, um zu zeigen, dass es unter einer KMT-Regierung gelingen würde, das Verhältnis zu Peking zu ändern, antwortete Peking auf seinen Besuch mit einer Reihe von Militärübungen.
Wie denken die Menschen in Taiwan über die China-Frage? Steht sie im Wahlkampf im Vordergrund ihres Denkens oder beschäftigen sie sich mit anderen Themen?
Traditionell ist die China-Frage das wichtigste Thema bei Präsidentschaftswahlen, aber sie ist nicht die einzige Frage, die den Taiwanern am Herzen liegt. Viele Taiwaner sind beispielsweise verärgert über das schleppende Wirtschaftswachstum der letzten Jahre oder zumindest darüber, dass das die Früchte des wirtschaftlichen Erfolgs nicht bei der breiten Bevölkerung ankommen. Innenpolitische Themen wie dieses könnten sich auf die Wahlen auswirken, auch wenn sich die Abstimmung immer noch in erster Linie um die Angelegenheiten in der Taiwanstraße drehen wird.
Insbesondere die Jugend, die ein überzeugter Befürworter der liberalen Ideale der DPP ist, sorgt sich aber auch um andere Themen: Arbeitsplatzsicherheit, hohe Mieten, Lebenshaltungskosten. Hat die amtierende DPP Antworten zu bieten oder droht der Verlust einer erheblichen Zahl junger Wähler?
Leider ist dies einer der Gründe, warum viele junge Menschen über die Demokratische Fortschrittspartei verärgert sind: Dass die Partei nicht in der Lage war, die wirtschaftlichen Probleme, mit denen Taiwan konfrontiert ist, zu lösen. Alle großen Parteien sehen dieses Problem, es mangelt jedoch allen an einer engagierten Vision für einen Wandel unserer Gesellschaft.
Die Kuonmintang (KMT), die chinafreundliche nationalistische Konkurrentin der amtierenden Demokratischen Fortschrittpartei, hatte sich kurzzeitig mit der Taiwanesischen Volkspartei zusammengetan, um die Präsidentschaftswahl zu gewinnen. Warum hat das konservative Lager Ihrer Meinung nach diese Chance vertan?
Dem konservativen Lager gelang es nicht, sich zusammenzuschließen – was zum Teil an den großen Egos der beteiligten Politiker lag, die sich weigerten, zum Wohle der Allgemeinheit miteinander Kompromisse einzugehen. Die „altehrwürdige” KMT wollte der aufstrebenden jungen Taiwanischen Volkspartei (TPP) nicht Platz machen und ihr den Chefposten anbieten. Die TPP wiederum hatte einen Großteil ihres Zuspruchs ihrem Versprechen zu verdanken, eine echte Alternative zur KMT zu sein. Die Aussicht, dann gemeinsam in den Wahlkampf zu gehen, hätte einen Glaubwürdigkeitsverlust bedeutet.
Was würde eine zukünftige Präsidentschaft der Demokratischen Volkspartei – oder aber der Kuonmintang – für die Beziehungen Taiwans zur VR China bedeuten?
Die DPP würde versuchen, den aktuellen Status quo der an der Macht befindlichen Tsai-Regierung aufrechtzuerhalten. Im Gegensatz dazu würde die KMT ihr bisheriges Programm zur Förderung engerer wirtschaftlicher und politischer Beziehungen zwischen Taiwan und China wiederbeleben. Dies lässt sich an ihren Vorschlägen zur Wiederbelebung des CSSTA erkennen, dem Handelsabkommen, gegen das sich die Sonnenblumenbewegung 2014 aussprach.
Am 13. Januar finden in Taiwan auch Parlamentswahlen statt. Ist der Trend dort ähnlich wie bei den Präsidentschaftswahlen?
Im Gegensatz zu den Präsidentschaftswahlen wird die Demokratische Volkspartei wahrscheinlich die Kontrolle über die Legislative verlieren. Die Kuonmintang war in der Kommunalpolitik schon immer stärker, auch wenn sie auf nationaler Ebene zunehmend nicht mehr in der Lage ist, Präsidentschaftswahlen zu gewinnen. Das erste Mal, dass eine andere Partei als die Kuonmintang die Mehrheit in der Legislative hatte, war nach der Wahl im Jahr 2016. Jetzt könnten sich dies wiederholen. Die KMT wird dann wahrscheinlich versuchen, die Bemühungen der DPP durch gesetzgeberische Kontrolle im Parlament behindern.
Auch in den USA, Taiwans wichtigstem Verbündeten, finden im nächsten Jahr Wahlen statt. Wie denken Experten und Medien auf der Insel über die möglichen Ergebnisse nach? Was würde eine erneute Präsidentschaft von Donald Trump für Taiwan bedeuten?
Überraschenderweise wird derzeit in Taiwan nicht viel über die amerikanischen Wahlen diskutiert, wahrscheinlich weil der Schwerpunkt derzeit auf den Wahlen in Taiwan liegt. Aber unter jenen, die sich mit Politik befassen, gibt es Bedenken, was eine Trump-Präsidentschaft bringen könnte. Zu Beginn seiner ersten Amtszeit kam die Hoffnung auf, dass Trump ein potenzieller Verbündeter Taiwans sei. Diese Hoffnung hat sich mittlerweile angesichts seiner Kommentare zerschlagen, in denen Trump andeutete, Taiwan könne zu einem geopolitischen Spielball in Verhandlungen mit China werden. Aussagen wie diese geben Grund zur Sorge.
Für wie realistisch halten die Taiwaner eine chinesische Invasion der Insel?
Es existiert schon seit vielen Jahren eine langfristige Bedrohung für Taiwan, von daher ist der Gedanke allen Taiwanern vertraut. Gleichzeitig sehen sie dieses – obgleich realistische – Szenario nicht als eines, das morgen eintreten wird. Das Leben im Land geht trotz militärischer Drohungen der Volksrepublik wie gewohnt weiter.
Die demokratischen Nachbarn Taiwans, die Philippinen, Südkorea und Japan, haben ihr Militärbündnis mit den USA intensiviert. Wird sich dies auch auf Taiwan auswirken, etwa durch die Einbeziehung in Militärübungen der USA mit anderen Ländern in der Region?
Taiwan hat wahrscheinlich schon seit einiger Zeit darauf gehofft, in solche Übungen einbezogen zu werden. Und angesichts der Tatsache, dass alle anderen Verbündeten Washingtons in der Region daran teilnehmen, ist dies auch keine verwegene Hoffnung. Zugleich wollen Taiwan und die USA Aktionen vermeiden, die China provozieren und letztlich einen Angriff auf die Insel auslösen könnten.
Brian Hioe ist Politikanalyst und Gründer des New Bloom Magazine, das sich mit Aktivismus und Jugendpolitik in Taiwan und dem Asien-Pazifik befasst. Von 2017 bis 2018 war er Democracy and Human Rights Service Fellow bei der Taiwan Foundation for Democracy. Derzeit ist er Non-Resident Fellow am Taiwan Research Hub der University of Nottingham.
Hat Ihnen unser Beitrag gefallen? Dann spenden Sie doch einfach und bequem über unser Spendentool. Sie unterstützen damit die publizistische Arbeit von LibMod.
Spenden mit Bankeinzug
Spenden mit PayPal
Wir sind als gemeinnützig anerkannt, entsprechend sind Spenden steuerlich absetzbar. Für eine Spendenbescheinigung (nötig bei einem Betrag über 200 EUR), senden Sie Ihre Adressdaten bitte an finanzen@libmod.de
Verwandte Themen
Newsletter bestellen
Mit dem LibMod-Newsletter erhalten Sie regelmäßig Neuigkeiten zu unseren Themen in Ihr Postfach.