Taiwan: Die anste­henden Wahlen und der Konflikt mit China

Foto: Imago

Am 13. Januar sind Wahlen in Taiwan. Das Ergebnis entscheidet auch über die zukünf­tige Posi­tio­nie­rung des Landes Konflikt mit China. Der Poli­tik­ana­lyst und Jour­na­list Brian Hioe geht von einem Sieg der amtie­renden DPP aus – und weiteren mili­tä­ri­schen Drohungen Chinas.

Herr Hioe, am 13. Januar sind Wahlen in Taiwan und es scheint, dass die amtie­rende Demo­kra­ti­sche Fort­schritts­partei DPP erneut die Präsi­dent­schaft gewinnen wird. Oder könnte es zu einem über­ra­schenden Wahl­aus­gang kommen?

Das Rennen ist bis zuletzt offen. Aller­dings hat sich die Oppo­si­tion nicht auf einen gemein­samen Kandi­daten einigen können, was deren Wahlsieg – Stand heute – eher unwahr­schein­lich macht, so dass die DPP mit ihrem Kandi­daten Lai Ching-te vermut­lich klar gewinnen wird.

Wird China gegenüber Taiwan noch aggres­siver werden, wenn in Taiwan weiterhin die DPP regiert?

In der Tat dürfte China dann seine mili­tä­ri­schen Drohungen gegen Taiwan fort­setzen. Selbst als der frühere Präsident der chin­afreund­li­chen KMT-Partei (Kuom­in­tang), Ma Ying-jeou, im Frühjahr die Volks­re­pu­blik im Rahmen einer Reise besuchte, um zu zeigen, dass es unter einer KMT-Regierung gelingen würde, das Verhältnis zu Peking zu ändern, antwor­tete Peking auf seinen Besuch mit einer Reihe von Militärübungen.

Wie denken die Menschen in Taiwan über die China-Frage? Steht sie im Wahlkampf im Vorder­grund ihres Denkens oder beschäf­tigen sie sich mit anderen Themen?

Tradi­tio­nell ist die China-Frage das wich­tigste Thema bei Präsi­dent­schafts­wahlen, aber sie ist nicht die einzige Frage, die den Taiwanern am Herzen liegt. Viele Taiwaner sind beispiels­weise verärgert über das schlep­pende Wirt­schafts­wachstum der letzten Jahre oder zumindest darüber, dass das die Früchte des wirt­schaft­li­chen Erfolgs nicht bei der breiten Bevöl­ke­rung ankommen. Innen­po­li­ti­sche Themen wie dieses könnten sich auf die Wahlen auswirken, auch wenn sich die Abstim­mung immer noch in erster Linie um die Ange­le­gen­heiten in der Taiwan­straße drehen wird.

Insbe­son­dere die Jugend, die ein über­zeugter Befür­worter der liberalen Ideale der DPP ist, sorgt sich aber auch um andere Themen: Arbeits­platz­si­cher­heit, hohe Mieten, Lebens­hal­tungs­kosten. Hat die amtie­rende DPP Antworten zu bieten oder droht der Verlust einer erheb­li­chen Zahl junger Wähler?

Leider ist dies einer der Gründe, warum viele junge Menschen über die Demo­kra­ti­sche Fort­schritts­partei verärgert sind: Dass die Partei nicht in der Lage war, die wirt­schaft­li­chen Probleme, mit denen Taiwan konfron­tiert ist, zu lösen. Alle großen Parteien sehen dieses Problem, es mangelt jedoch allen an einer enga­gierten Vision für einen Wandel unserer Gesellschaft.

Die Kuon­min­tang (KMT), die chin­afreund­liche natio­na­lis­ti­sche Konkur­rentin der amtie­renden Demo­kra­ti­schen Fort­schritt­partei, hatte sich kurz­zeitig mit der Taiwa­ne­si­schen Volks­partei zusam­men­getan, um die Präsi­dent­schafts­wahl zu gewinnen. Warum hat das konser­va­tive Lager Ihrer Meinung nach diese Chance vertan?

Dem konser­va­tiven Lager gelang es nicht, sich zusam­men­zu­schließen – was zum Teil an den großen Egos der betei­ligten Politiker lag, die sich weigerten, zum Wohle der Allge­mein­heit mitein­ander Kompro­misse einzu­gehen. Die „altehr­wür­dige” KMT wollte der aufstre­benden jungen Taiwa­ni­schen Volks­partei (TPP) nicht Platz machen und ihr den Chef­posten anbieten. Die TPP wiederum hatte einen Großteil ihres Zuspruchs ihrem Verspre­chen zu verdanken, eine echte Alter­na­tive zur KMT zu sein. Die Aussicht, dann gemeinsam in den Wahlkampf zu gehen, hätte einen Glaub­wür­dig­keits­ver­lust bedeutet.

Was würde eine zukünf­tige Präsi­dent­schaft der Demo­kra­ti­schen Volks­partei – oder aber der Kuon­min­tang – für die Bezie­hungen Taiwans zur VR China bedeuten?

Die DPP würde versuchen, den aktuellen Status quo der an der Macht befind­li­chen Tsai-Regierung aufrecht­zu­er­halten. Im Gegensatz dazu würde die KMT ihr bishe­riges Programm zur Förderung engerer wirt­schaft­li­cher und poli­ti­scher Bezie­hungen zwischen Taiwan und China wieder­be­leben. Dies lässt sich an ihren Vorschlägen zur Wieder­be­le­bung des CSSTA erkennen, dem Handels­ab­kommen, gegen das sich die Sonnen­blu­men­be­we­gung 2014 aussprach.

Am 13. Januar finden in Taiwan auch Parla­ments­wahlen statt. Ist der Trend dort ähnlich wie bei den Präsidentschaftswahlen?

Im Gegensatz zu den Präsi­dent­schafts­wahlen wird die Demo­kra­ti­sche Volks­partei wahr­schein­lich die Kontrolle über die Legis­la­tive verlieren. Die Kuon­min­tang war in der Kommu­nal­po­litik schon immer stärker, auch wenn sie auf natio­naler Ebene zunehmend nicht mehr in der Lage ist, Präsi­dent­schafts­wahlen zu gewinnen. Das erste Mal, dass eine andere Partei als die Kuon­min­tang die Mehrheit in der Legis­la­tive hatte, war nach der Wahl im Jahr 2016. Jetzt könnten sich dies wieder­holen. Die KMT wird dann wahr­schein­lich versuchen, die Bemü­hungen der DPP durch gesetz­ge­be­ri­sche Kontrolle im Parlament behindern.

Auch in den USA, Taiwans wich­tigstem Verbün­deten, finden im nächsten Jahr Wahlen statt. Wie denken Experten und Medien auf der Insel über die möglichen Ergeb­nisse nach? Was würde eine erneute Präsi­dent­schaft von Donald Trump für Taiwan bedeuten?

Über­ra­schen­der­weise wird derzeit in Taiwan nicht viel über die ameri­ka­ni­schen Wahlen disku­tiert, wahr­schein­lich weil der Schwer­punkt derzeit auf den Wahlen in Taiwan liegt. Aber unter jenen, die sich mit Politik befassen, gibt es Bedenken, was eine Trump-Präsi­dent­schaft bringen könnte. Zu Beginn seiner ersten Amtszeit kam die Hoffnung auf, dass Trump ein poten­zi­eller Verbün­deter Taiwans sei. Diese Hoffnung hat sich mitt­ler­weile ange­sichts seiner Kommen­tare zerschlagen, in denen Trump andeutete, Taiwan könne zu einem geopo­li­ti­schen Spielball in Verhand­lungen mit China werden. Aussagen wie diese geben Grund zur Sorge.

Für wie realis­tisch halten die Taiwaner eine chine­si­sche Invasion der Insel?

Es existiert schon seit vielen Jahren eine lang­fris­tige Bedrohung für Taiwan, von daher ist der Gedanke allen Taiwanern vertraut. Gleich­zeitig sehen sie dieses – obgleich realis­ti­sche – Szenario nicht als eines, das morgen eintreten wird. Das Leben im Land geht trotz mili­tä­ri­scher Drohungen der Volks­re­pu­blik wie gewohnt weiter.

Die demo­kra­ti­schen Nachbarn Taiwans, die Phil­ip­pinen, Südkorea und Japan, haben ihr Mili­tär­bündnis mit den USA inten­si­viert. Wird sich dies auch auf Taiwan auswirken, etwa durch die Einbe­zie­hung in Mili­tär­übungen der USA mit anderen Ländern in der Region?

Taiwan hat wahr­schein­lich schon seit einiger Zeit darauf gehofft, in solche Übungen einbe­zogen zu werden. Und ange­sichts der Tatsache, dass alle anderen Verbün­deten Washing­tons in der Region daran teil­nehmen, ist dies auch keine verwegene Hoffnung. Zugleich wollen Taiwan und die USA Aktionen vermeiden, die China provo­zieren und letztlich einen Angriff auf die Insel auslösen könnten.


Brian Hioe ist Poli­tik­ana­lyst und Gründer des New Bloom Magazine, das sich mit Akti­vismus und Jugend­po­litik in Taiwan und dem Asien-Pazifik befasst. Von 2017 bis 2018 war er Democracy and Human Rights Service Fellow bei der Taiwan Foun­da­tion for Democracy. Derzeit ist er Non-Resident Fellow am Taiwan Research Hub der Univer­sity of Nottingham.

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Hinter­grund­in­for­ma­tionen zu den im Text erwähnten Parteien: 

Demo­kra­ti­sche Fort­schritts­partei (DPP – Demo­cratic Progres­sive Party)

Die DPP wurde 1986 auf Initia­tive taiwa­ni­scher Dissi­denten gegründet und setzt sich für die Unab­hän­gig­keit Taiwans von der Volks­re­pu­blik China ein. Die Präsi­dent­schafts­wahlen 2016 und 2020 gewann die Kandi­datin Tsai Img-wen mit deut­li­chem Vorsprung vor dem Kandi­daten der Kuom­in­tang und Qinmindang.

Kuom­in­tang (KMT)

Im Jahr 1911 gegründet, regierte die KMT “Die Republik China”, die nach dem Ende der Qing-Dynastie ausge­rufen wurde. Ihr Anführer Chiang Kei-chek kämpfte ab 1927 gegen Mao Zedong und die Kommu­nisten. Im Jahr 1947 verloren die Kuom­in­tang den Krieg und zogen sich auf Taiwan zurück. Die Insel ist heute der letzte Rest der “Republik China”. Nach vier Jahr­zehnten der Mili­tär­herr­schaft von Chiang Kei-chek erlaubte dessen Sohn Mitte der 80er Jahre eine demo­kra­ti­sche Öffnung des Landes. Die Existenz einer neuen Partei wurde zunächst geduldet, später offiziell erlaubt und im Jahr 2000 stellte mit der DPP erstmals eine andere Partei den Präsidenten.

Taiwa­ni­sche Volks­partei (TPP – Taiwan People´s Party)

Die 2019 von dem damaligen Bürger­meister von Taipeh Ko Wen-je gegrün­dete TPP versteht sich als Alter­na­tive zur Kuom­in­tang. Auch sie setzt sich für einen engeres Verhältnis zu China ein und kriti­siert die liberale Politik der DPP.

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Am 13. Januar sind Wahlen in Taiwan. Das Ergebnis entscheidet auch über die zukünf­tige Posi­tio­nie­rung des Landes Konflikt mit China. Der Poli­tik­ana­lyst und Jour­na­list Brian Hioe geht von einem Sieg der amtie­renden DPP aus – und weiteren mili­tä­ri­schen Drohungen Chinas.

Herr Hioe, am 13. Januar sind Wahlen in Taiwan und es scheint, dass die amtie­rende Demo­kra­ti­sche Fort­schritts­partei DPP erneut die Präsi­dent­schaft gewinnen wird. Oder könnte es zu einem über­ra­schenden Wahl­aus­gang kommen?

Das Rennen ist bis zuletzt offen. Aller­dings hat sich die Oppo­si­tion nicht auf einen gemein­samen Kandi­daten einigen können, was deren Wahlsieg – Stand heute – eher unwahr­schein­lich macht, so dass die DPP mit ihrem Kandi­daten Lai Ching-te vermut­lich klar gewinnen wird.

Wird China gegenüber Taiwan noch aggres­siver werden, wenn in Taiwan weiterhin die DPP regiert?

In der Tat dürfte China dann seine mili­tä­ri­schen Drohungen gegen Taiwan fort­setzen. Selbst als der frühere Präsident der chin­afreund­li­chen KMT-Partei (Kuom­in­tang), Ma Ying-jeou, im Frühjahr die Volks­re­pu­blik im Rahmen einer Reise besuchte, um zu zeigen, dass es unter einer KMT-Regierung gelingen würde, das Verhältnis zu Peking zu ändern, antwor­tete Peking auf seinen Besuch mit einer Reihe von Militärübungen.

Wie denken die Menschen in Taiwan über die China-Frage? Steht sie im Wahlkampf im Vorder­grund ihres Denkens oder beschäf­tigen sie sich mit anderen Themen?

Tradi­tio­nell ist die China-Frage das wich­tigste Thema bei Präsi­dent­schafts­wahlen, aber sie ist nicht die einzige Frage, die den Taiwanern am Herzen liegt. Viele Taiwaner sind beispiels­weise verärgert über das schlep­pende Wirt­schafts­wachstum der letzten Jahre oder zumindest darüber, dass das die Früchte des wirt­schaft­li­chen Erfolgs nicht bei der breiten Bevöl­ke­rung ankommen. Innen­po­li­ti­sche Themen wie dieses könnten sich auf die Wahlen auswirken, auch wenn sich die Abstim­mung immer noch in erster Linie um die Ange­le­gen­heiten in der Taiwan­straße drehen wird.

Insbe­son­dere die Jugend, die ein über­zeugter Befür­worter der liberalen Ideale der DPP ist, sorgt sich aber auch um andere Themen: Arbeits­platz­si­cher­heit, hohe Mieten, Lebens­hal­tungs­kosten. Hat die amtie­rende DPP Antworten zu bieten oder droht der Verlust einer erheb­li­chen Zahl junger Wähler?

Leider ist dies einer der Gründe, warum viele junge Menschen über die Demo­kra­ti­sche Fort­schritts­partei verärgert sind: Dass die Partei nicht in der Lage war, die wirt­schaft­li­chen Probleme, mit denen Taiwan konfron­tiert ist, zu lösen. Alle großen Parteien sehen dieses Problem, es mangelt jedoch allen an einer enga­gierten Vision für einen Wandel unserer Gesellschaft.

Die Kuon­min­tang (KMT), die chin­afreund­liche natio­na­lis­ti­sche Konkur­rentin der amtie­renden Demo­kra­ti­schen Fort­schritt­partei, hatte sich kurz­zeitig mit der Taiwa­ne­si­schen Volks­partei zusam­men­getan, um die Präsi­dent­schafts­wahl zu gewinnen. Warum hat das konser­va­tive Lager Ihrer Meinung nach diese Chance vertan?

Dem konser­va­tiven Lager gelang es nicht, sich zusam­men­zu­schließen – was zum Teil an den großen Egos der betei­ligten Politiker lag, die sich weigerten, zum Wohle der Allge­mein­heit mitein­ander Kompro­misse einzu­gehen. Die „altehr­wür­dige” KMT wollte der aufstre­benden jungen Taiwa­ni­schen Volks­partei (TPP) nicht Platz machen und ihr den Chef­posten anbieten. Die TPP wiederum hatte einen Großteil ihres Zuspruchs ihrem Verspre­chen zu verdanken, eine echte Alter­na­tive zur KMT zu sein. Die Aussicht, dann gemeinsam in den Wahlkampf zu gehen, hätte einen Glaub­wür­dig­keits­ver­lust bedeutet.

Was würde eine zukünf­tige Präsi­dent­schaft der Demo­kra­ti­schen Volks­partei – oder aber der Kuon­min­tang – für die Bezie­hungen Taiwans zur VR China bedeuten?

Die DPP würde versuchen, den aktuellen Status quo der an der Macht befind­li­chen Tsai-Regierung aufrecht­zu­er­halten. Im Gegensatz dazu würde die KMT ihr bishe­riges Programm zur Förderung engerer wirt­schaft­li­cher und poli­ti­scher Bezie­hungen zwischen Taiwan und China wieder­be­leben. Dies lässt sich an ihren Vorschlägen zur Wieder­be­le­bung des CSSTA erkennen, dem Handels­ab­kommen, gegen das sich die Sonnen­blu­men­be­we­gung 2014 aussprach.

Am 13. Januar finden in Taiwan auch Parla­ments­wahlen statt. Ist der Trend dort ähnlich wie bei den Präsidentschaftswahlen?

Im Gegensatz zu den Präsi­dent­schafts­wahlen wird die Demo­kra­ti­sche Volks­partei wahr­schein­lich die Kontrolle über die Legis­la­tive verlieren. Die Kuon­min­tang war in der Kommu­nal­po­litik schon immer stärker, auch wenn sie auf natio­naler Ebene zunehmend nicht mehr in der Lage ist, Präsi­dent­schafts­wahlen zu gewinnen. Das erste Mal, dass eine andere Partei als die Kuon­min­tang die Mehrheit in der Legis­la­tive hatte, war nach der Wahl im Jahr 2016. Jetzt könnten sich dies wieder­holen. Die KMT wird dann wahr­schein­lich versuchen, die Bemü­hungen der DPP durch gesetz­ge­be­ri­sche Kontrolle im Parlament behindern.

Auch in den USA, Taiwans wich­tigstem Verbün­deten, finden im nächsten Jahr Wahlen statt. Wie denken Experten und Medien auf der Insel über die möglichen Ergeb­nisse nach? Was würde eine erneute Präsi­dent­schaft von Donald Trump für Taiwan bedeuten?

Über­ra­schen­der­weise wird derzeit in Taiwan nicht viel über die ameri­ka­ni­schen Wahlen disku­tiert, wahr­schein­lich weil der Schwer­punkt derzeit auf den Wahlen in Taiwan liegt. Aber unter jenen, die sich mit Politik befassen, gibt es Bedenken, was eine Trump-Präsi­dent­schaft bringen könnte. Zu Beginn seiner ersten Amtszeit kam die Hoffnung auf, dass Trump ein poten­zi­eller Verbün­deter Taiwans sei. Diese Hoffnung hat sich mitt­ler­weile ange­sichts seiner Kommen­tare zerschlagen, in denen Trump andeutete, Taiwan könne zu einem geopo­li­ti­schen Spielball in Verhand­lungen mit China werden. Aussagen wie diese geben Grund zur Sorge.

Für wie realis­tisch halten die Taiwaner eine chine­si­sche Invasion der Insel?

Es existiert schon seit vielen Jahren eine lang­fris­tige Bedrohung für Taiwan, von daher ist der Gedanke allen Taiwanern vertraut. Gleich­zeitig sehen sie dieses – obgleich realis­ti­sche – Szenario nicht als eines, das morgen eintreten wird. Das Leben im Land geht trotz mili­tä­ri­scher Drohungen der Volks­re­pu­blik wie gewohnt weiter.

Die demo­kra­ti­schen Nachbarn Taiwans, die Phil­ip­pinen, Südkorea und Japan, haben ihr Mili­tär­bündnis mit den USA inten­si­viert. Wird sich dies auch auf Taiwan auswirken, etwa durch die Einbe­zie­hung in Mili­tär­übungen der USA mit anderen Ländern in der Region?

Taiwan hat wahr­schein­lich schon seit einiger Zeit darauf gehofft, in solche Übungen einbe­zogen zu werden. Und ange­sichts der Tatsache, dass alle anderen Verbün­deten Washing­tons in der Region daran teil­nehmen, ist dies auch keine verwegene Hoffnung. Zugleich wollen Taiwan und die USA Aktionen vermeiden, die China provo­zieren und letztlich einen Angriff auf die Insel auslösen könnten.


Brian Hioe ist Poli­tik­ana­lyst und Gründer des New Bloom Magazine, das sich mit Akti­vismus und Jugend­po­litik in Taiwan und dem Asien-Pazifik befasst. Von 2017 bis 2018 war er Democracy and Human Rights Service Fellow bei der Taiwan Foun­da­tion for Democracy. Derzeit ist er Non-Resident Fellow am Taiwan Research Hub der Univer­sity of Nottingham.

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Herr Hioe, am 13. Januar sind Wahlen in Taiwan und es scheint, dass die amtie­rende Demo­kra­ti­sche Fort­schritts­partei DPP erneut die Präsi­dent­schaft gewinnen wird. Oder könnte es zu einem über­ra­schenden Wahl­aus­gang kommen?

Das Rennen ist bis zuletzt offen. Aller­dings hat sich die Oppo­si­tion nicht auf einen gemein­samen Kandi­daten einigen können, was deren Wahlsieg – Stand heute – eher unwahr­schein­lich macht, so dass die DPP mit ihrem Kandi­daten Lai Ching-te vermut­lich klar gewinnen wird.

Wird China gegenüber Taiwan noch aggres­siver werden, wenn in Taiwan weiterhin die DPP regiert?

In der Tat dürfte China dann seine mili­tä­ri­schen Drohungen gegen Taiwan fort­setzen. Selbst als der frühere Präsident der chin­afreund­li­chen KMT-Partei (Kuom­in­tang), Ma Ying-jeou, im Frühjahr die Volks­re­pu­blik im Rahmen einer Reise besuchte, um zu zeigen, dass es unter einer KMT-Regierung gelingen würde, das Verhältnis zu Peking zu ändern, antwor­tete Peking auf seinen Besuch mit einer Reihe von Militärübungen.

Wie denken die Menschen in Taiwan über die China-Frage? Steht sie im Wahlkampf im Vorder­grund ihres Denkens oder beschäf­tigen sie sich mit anderen Themen?

Tradi­tio­nell ist die China-Frage das wich­tigste Thema bei Präsi­dent­schafts­wahlen, aber sie ist nicht die einzige Frage, die den Taiwanern am Herzen liegt. Viele Taiwaner sind beispiels­weise verärgert über das schlep­pende Wirt­schafts­wachstum der letzten Jahre oder zumindest darüber, dass das die Früchte des wirt­schaft­li­chen Erfolgs nicht bei der breiten Bevöl­ke­rung ankommen. Innen­po­li­ti­sche Themen wie dieses könnten sich auf die Wahlen auswirken, auch wenn sich die Abstim­mung immer noch in erster Linie um die Ange­le­gen­heiten in der Taiwan­straße drehen wird.

Insbe­son­dere die Jugend, die ein über­zeugter Befür­worter der liberalen Ideale der DPP ist, sorgt sich aber auch um andere Themen: Arbeits­platz­si­cher­heit, hohe Mieten, Lebens­hal­tungs­kosten. Hat die amtie­rende DPP Antworten zu bieten oder droht der Verlust einer erheb­li­chen Zahl junger Wähler?

Leider ist dies einer der Gründe, warum viele junge Menschen über die Demo­kra­ti­sche Fort­schritts­partei verärgert sind: Dass die Partei nicht in der Lage war, die wirt­schaft­li­chen Probleme, mit denen Taiwan konfron­tiert ist, zu lösen. Alle großen Parteien sehen dieses Problem, es mangelt jedoch allen an einer enga­gierten Vision für einen Wandel unserer Gesellschaft.

Die Kuon­min­tang (KMT), die chin­afreund­liche natio­na­lis­ti­sche Konkur­rentin der amtie­renden Demo­kra­ti­schen Fort­schritt­partei, hatte sich kurz­zeitig mit der Taiwa­ne­si­schen Volks­partei zusam­men­getan, um die Präsi­dent­schafts­wahl zu gewinnen. Warum hat das konser­va­tive Lager Ihrer Meinung nach diese Chance vertan?

Dem konser­va­tiven Lager gelang es nicht, sich zusam­men­zu­schließen – was zum Teil an den großen Egos der betei­ligten Politiker lag, die sich weigerten, zum Wohle der Allge­mein­heit mitein­ander Kompro­misse einzu­gehen. Die „altehr­wür­dige” KMT wollte der aufstre­benden jungen Taiwa­ni­schen Volks­partei (TPP) nicht Platz machen und ihr den Chef­posten anbieten. Die TPP wiederum hatte einen Großteil ihres Zuspruchs ihrem Verspre­chen zu verdanken, eine echte Alter­na­tive zur KMT zu sein. Die Aussicht, dann gemeinsam in den Wahlkampf zu gehen, hätte einen Glaub­wür­dig­keits­ver­lust bedeutet.

Was würde eine zukünf­tige Präsi­dent­schaft der Demo­kra­ti­schen Volks­partei – oder aber der Kuon­min­tang – für die Bezie­hungen Taiwans zur VR China bedeuten?

Die DPP würde versuchen, den aktuellen Status quo der an der Macht befind­li­chen Tsai-Regierung aufrecht­zu­er­halten. Im Gegensatz dazu würde die KMT ihr bishe­riges Programm zur Förderung engerer wirt­schaft­li­cher und poli­ti­scher Bezie­hungen zwischen Taiwan und China wieder­be­leben. Dies lässt sich an ihren Vorschlägen zur Wieder­be­le­bung des CSSTA erkennen, dem Handels­ab­kommen, gegen das sich die Sonnen­blu­men­be­we­gung 2014 aussprach.

Am 13. Januar finden in Taiwan auch Parla­ments­wahlen statt. Ist der Trend dort ähnlich wie bei den Präsidentschaftswahlen?

Im Gegensatz zu den Präsi­dent­schafts­wahlen wird die Demo­kra­ti­sche Volks­partei wahr­schein­lich die Kontrolle über die Legis­la­tive verlieren. Die Kuon­min­tang war in der Kommu­nal­po­litik schon immer stärker, auch wenn sie auf natio­naler Ebene zunehmend nicht mehr in der Lage ist, Präsi­dent­schafts­wahlen zu gewinnen. Das erste Mal, dass eine andere Partei als die Kuon­min­tang die Mehrheit in der Legis­la­tive hatte, war nach der Wahl im Jahr 2016. Jetzt könnten sich dies wieder­holen. Die KMT wird dann wahr­schein­lich versuchen, die Bemü­hungen der DPP durch gesetz­ge­be­ri­sche Kontrolle im Parlament behindern.

Auch in den USA, Taiwans wich­tigstem Verbün­deten, finden im nächsten Jahr Wahlen statt. Wie denken Experten und Medien auf der Insel über die möglichen Ergeb­nisse nach? Was würde eine erneute Präsi­dent­schaft von Donald Trump für Taiwan bedeuten?

Über­ra­schen­der­weise wird derzeit in Taiwan nicht viel über die ameri­ka­ni­schen Wahlen disku­tiert, wahr­schein­lich weil der Schwer­punkt derzeit auf den Wahlen in Taiwan liegt. Aber unter jenen, die sich mit Politik befassen, gibt es Bedenken, was eine Trump-Präsi­dent­schaft bringen könnte. Zu Beginn seiner ersten Amtszeit kam die Hoffnung auf, dass Trump ein poten­zi­eller Verbün­deter Taiwans sei. Diese Hoffnung hat sich mitt­ler­weile ange­sichts seiner Kommen­tare zerschlagen, in denen Trump andeutete, Taiwan könne zu einem geopo­li­ti­schen Spielball in Verhand­lungen mit China werden. Aussagen wie diese geben Grund zur Sorge.

Für wie realis­tisch halten die Taiwaner eine chine­si­sche Invasion der Insel?

Es existiert schon seit vielen Jahren eine lang­fris­tige Bedrohung für Taiwan, von daher ist der Gedanke allen Taiwanern vertraut. Gleich­zeitig sehen sie dieses – obgleich realis­ti­sche – Szenario nicht als eines, das morgen eintreten wird. Das Leben im Land geht trotz mili­tä­ri­scher Drohungen der Volks­re­pu­blik wie gewohnt weiter.

Die demo­kra­ti­schen Nachbarn Taiwans, die Phil­ip­pinen, Südkorea und Japan, haben ihr Mili­tär­bündnis mit den USA inten­si­viert. Wird sich dies auch auf Taiwan auswirken, etwa durch die Einbe­zie­hung in Mili­tär­übungen der USA mit anderen Ländern in der Region?

Taiwan hat wahr­schein­lich schon seit einiger Zeit darauf gehofft, in solche Übungen einbe­zogen zu werden. Und ange­sichts der Tatsache, dass alle anderen Verbün­deten Washing­tons in der Region daran teil­nehmen, ist dies auch keine verwegene Hoffnung. Zugleich wollen Taiwan und die USA Aktionen vermeiden, die China provo­zieren und letztlich einen Angriff auf die Insel auslösen könnten.


Brian Hioe ist Poli­tik­ana­lyst und Gründer des New Bloom Magazine, das sich mit Akti­vismus und Jugend­po­litik in Taiwan und dem Asien-Pazifik befasst. Von 2017 bis 2018 war er Democracy and Human Rights Service Fellow bei der Taiwan Foun­da­tion for Democracy. Derzeit ist er Non-Resident Fellow am Taiwan Research Hub der Univer­sity of Nottingham.

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