Wie die AfD die Medi­en­welt verändern will

Um die AfD hat sich in den letzten Jahren ein Netzwerk soge­nannter Alter­na­tiv­me­dien formiert, das exklu­siven Zugang zu Infor­ma­tionen bekommen soll. Die Partei vermarktet sich fernab des ÖRR auch in den Sozialen Medien erfolg­reich. Sebastian Beer über die Medi­enstra­tegie der AfD – und eine mögliche Aufkün­di­gung der Medi­en­staats­ver­träge nach den Landtagswahlen.

Die Hoff­nungen der AfD auf eine Regie­rungs­be­tei­li­gung waren selten so groß wie im Vorfeld der bevor­ste­henden Land­tags­wahlen in Bran­den­burg, Sachsen und Thüringen. Das gilt auch für Björn Höcke. Bereits im vergan­genen November präsen­tierte der Spit­zen­kan­didat des thürin­gi­schen Landes­ver­bandes bei einem Parteitag in Pfif­fel­bach fünf Punkte, die er und seine Partei im Falle einer Regie­rungs­über­nahme umsetzen würden.

Neben einer Reform des Thüringer Verfas­sungs­schutzes, der Strei­chung der Förder­mittel für Demo­kratie, Vielfalt und den Kampf gegen Rechts­extre­mismus, einer Klage gegen den Bund aufgrund der Geflüch­te­ten­po­litik und der Been­di­gung des Klima­schutzes im Freistaat nannte Höcke auch die Kündigung der Medi­en­staats­ver­träge, die Auftrag und Finan­zie­rung des ÖRR regeln.

Die AfD vermarket sich erfolg­reich fernab des ÖRR

Die AfD versucht seit ihrer Gründung, öffent­lich-recht­li­cher Bericht­erstat­tung entge­gen­zu­wirken. Alice Weidel, mitt­ler­weile Partei­vor­sit­zende, formu­lierte 2018 ein „ambi­tio­niertes Fernziel“, wonach „die Deutschen irgend­wann AfD und nicht ARD schauen“ würden.

Da es der AfD gelungen ist, Möglich­keiten der Selbst­ver­mark­tung fernab des ÖRR zu finden, ist sie diesem Ziel sechs Jahre später näher denn je. Lag der Fokus 2018 nach dem erst­ma­ligen Einzug in den Bundestag noch darauf, einen eigenen Newsroom aufzu­bauen, erreicht die Partei mitt­ler­weile insbe­son­dere in den Sozialen Medien eine große Anzahl von Usern und kann ihre Inhalte dort zum Teil unge­fil­tert verbreiten.

Auf TikTok mit Abstand die größte Reichweite

Allein auf TikTok folgen der Bundes­tags­frak­tion mehr als 400.000 Menschen. Zum Vergleich: Alle anderen Bundes­tags­frak­tionen kommen zusammen auf nur rund auf 220.000 Follower. AfD-Politiker mit reich­wei­ten­starken Accounts wie Ulrich Siegmund, Frak­ti­ons­vor­sit­zender in Sachsen-Anhalt, verbreiten dort Videos mit Titeln wie „Wie der Rundfunk die Menschen mani­pu­liert“ und auch der AfD-Nachwuchs versucht verstärkt, die Plattform für sich zu nutzen.

Telegram-Guppe mit „Andrew Tate-Strategie“

Ein aktuelles Beispiel ist die Kampagne „TikTok-Guerilla“, an der Mitglieder der Jungen Alter­na­tive (JA) maßgeb­lich beteiligt sind. Ziel ist es, der Löschung von Videos auf der Plattform entge­gen­zu­wirken und den Thüringer JA-Vorsit­zenden Eric Engel­hardt zur „Symbol­figur“ zu stili­sieren. Um dies zu erreichen, wird in einer Telegram-Gruppe die „Andrew Tate-Strategie“ vorgestellt.

Namens­geber Tate, ein mutmaß­li­cher Sexu­al­straf­täter, habe es trotz „kompletter Zensur“ geschafft, „der sicht­barste Influencer auf Social Media“ zu werden, heißt es in der Gruppe, für die Erik Ahrens verant­wort­lich ist. Ahrens unter­stützte bereits den AfD-Spit­zen­kan­di­daten für die Euro­pa­wahl Maxi­mi­lian Krah bei der Produk­tion von TikTok-Videos.

Doch die chine­si­sche Plattform reagiert verstärkt auf die Inhalte von AfD-Vertre­tern. Krahs Reich­weite wurde vor kurzem wegen wieder­holter Verstöße erheblich einge­schränkt. Und auch JA-Aktivist Engel­hardt, der als jugend­li­ches Pendant zu Krah aufgebaut werden soll, beklagt, TikTok unter­drücke „gezielt Patrioten und will nicht, dass rechte Inhalte viral gehen.“ Zuvor war die Reich­weite seiner Videos ebenfalls einge­schränkt worden. Mit der „Guerilla“-Strategie will man dem entge­gen­wirken: Video­bei­träge sollen leicht angepasst werden und über zahl­reiche Accounts gleich­zeitig Verbrei­tung finden.

Exklu­siv­recht für „Alter­na­tiv­me­dien“?

Die mediale Präsenz der AfD allein anhand ihrer Akti­vi­täten in den Sozialen Medien zu beur­teilen, greift aller­dings zu kurz. Um die Partei herum formierte sich in den letzten Jahren ein Netzwerk soge­nannter Alter­na­tiv­me­dien, das eng mit der AfD und ihren Vertre­tern verbunden ist. Es umfasst Online- und Print­me­dien wie das rechts­extreme Compact Magazin, die Sezession oder den öster­rei­chi­schen Sender Auf1. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass die Bundes­tags­ver­wal­tung derzeitig prüft, ob es sich bei einer Compact-Wahl­kam­pagne zugunsten der AfD um eine verschlei­erte Partei­spende handelt. In Reaktion darauf prüft die AfD ebenfalls juris­ti­sche Schritte gegen das Medium um Jürgen Elsässer wegen unver­langter Wahlkampfhilfe.

Unab­hängig vom Ausgang verdeut­licht die Zusam­men­ar­beit der AfD mit diesen Medien die zunehmend starke Verflech­tung der Partei mit ihrem Vorfeld – was von Autoren der soge­nannten Neuen Rechten, wie etwa Benedikt Kaiser, seit Jahren gefordert wird. Kaiser zufolge sei die Arbeit der Partei nicht isoliert, sondern als Teil einer „Mosaik-Rechten“ zu begreifen.

Forderung nach „Gegen­pro­pa­ganda“

Auch Björn Höcke betont immer wieder die Bedeutung des Vorfeldes. Wie sich das Zusam­men­spiel von „Alter­na­tiv­me­dien“ und AfD seines Erachtens gestalten sollte, skiz­zierte er vor einigen Wochen bei einer Podi­ums­dis­kus­sion im Rahmen der Winter­aka­demie des Instituts für Staats­po­litik (IfS).

Höcke appel­lierte an seine Partei­kol­legen, exklusive Infor­ma­tionen zukünftig nur noch über alter­na­tive Medi­en­ka­näle zu verbreiten. Derzeit seien einige AfD-Prot­ago­nisten noch zu präsent im „etablierten Medi­en­spek­trum“, er selbst wiederum lehne 99 Prozent der entspre­chenden Anfragen ab. Auch Götz Kubit­schek, Mitbe­gründer des IfS, forderte eine „Gegen­pro­pa­ganda“, nach der man „Regie­rungs­me­dien“ keine Inhalte mehr gewähren solle, die nicht zuvor schon exklusiv in den „Freien Medien“ verbreitet wurden.

Auf diese Weise soll versucht werden, Abhän­gig­keiten zu schaffen, sodass etablierte Medien zwangs­weise auf Infor­ma­tionen der „Alter­na­tiv­me­dien“ zurück­greifen müssen. Außerdem würden Zuschauer dadurch überhaupt erst dazu gebracht, „alter­na­tive“ Kanäle zu konsu­mieren, so Höcke.

Feindbild öffent­lich-recht­liche Medien

Der ÖRR stellt für die AfD schon lange ein Feindbild dar. Partei­ver­treter werfen den öffent­lich-recht­li­chen Medien Regie­rungs­treue vor oder betrachten sie als „Pres­se­stelle der #Altpar­teien“, wie Dennis Hohloch, Parla­men­ta­ri­scher Geschäfts­führer der Bran­den­burger AfD-Fraktion und erstes Mitglied der Partei in einem Rundfunkrat.

Im AfD-Grund­satz­pro­gramm heißt es, man sehe „grund­sätz­li­chen Reform­be­darf bezüglich des öffent­lich-recht­li­chen Rundfunks in Deutsch­land“. Die damit einher­ge­hende „Zwangs­fi­nan­zie­rung“ sei „umgehend abzu­schaffen und in ein Bezahl­fern­sehen umzu­wan­deln“. So soll ein „Bürger­rund­funk“ entstehen, der „nicht mehr von der Politik abhängig ist“.

Aufkün­di­gung der Medienstaatsverträge?

Im Gegensatz zu anderen Bundes­län­dern wäre es einem AfD-Minis­ter­prä­si­denten in Bran­den­burg, Sachsen und Thüringen im Allein­gang – ohne Abstim­mung im Landtag – möglich, die Aufkün­di­gung der Medi­en­staats­ver­träge zu voll­ziehen, unab­hängig davon, ob die AfD in einer Koalition oder mit absoluter Mehrheit regiert.

Dr. Tobias Mast, Jurist vom Leibniz-Institut für Medi­en­for­schung in Hamburg, geht deshalb davon aus, dass eine AfD-Regierung dies voraus­sicht­lich auch tun würde. Dies beträfe neben dem MDR-Staats­ver­trag in Thüringen und Sachsen auch den ARD-Staats­ver­trag, den ZDF-Staats­ver­trag, den Rund­funk­bei­trags­staats­ver­trag und den Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag.

Zwar könnte die Aufkün­di­gung nicht „über Nacht“ geschehen, da die Verträge Kündi­gungs­fristen von ein bis zwei Jahren vorsehen. Doch sei ein Ausstieg „sehr wohl noch während ihrer Regie­rungs­zeit“ möglich, so der Experte. Thüringen müsste beispiels­weise nach Ablauf der Frist „voraus­sicht­lich keine Rund­funk­bei­träge“ mehr erheben – wodurch entweder das Gesamt­budget des ÖRR „geschmä­lert“ oder die Beiträge der verblie­benen 15 Bundes­länder erhöht würden. Gemäß einer Entschei­dung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richtes von 1980 (damals zum NDR) dürfte der MDR sein Programm dann voraus­sicht­lich nicht mehr im Freistaat ausstrahlen.

Verfas­sungs­recht­lich proble­ma­ti­sche Einfluss­nahme auf das Mediensystem

Höckes Pläne zur Kündigung der Medi­en­staats­ver­träge könnten auch Einfluss auf die Arbeit partei­naher Medien haben. „Es liegt nahe, dass eine AfD-Regierung nicht allein die bestehenden Medi­en­staats­ver­träge aufkün­digen werde, sondern einen ÖRR nach eigenen Vorstel­lungen schaffen wollen würde“, indem partei­nahe Medien etwa finan­ziell oder durch Sonder­rechte unter­stützt werden, sagt Jurist Tobias Mast. Wie realis­tisch das ist, ist jedoch fraglich.

Mast weist darauf hin, dass eine solche Einfluss­nahme auf das Medi­en­system „verfas­sungs­recht­lich höchst proble­ma­tisch im Hinblick auf den Grundsatz medialer Neutra­lität des Staates und des medi­en­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­ge­bots“ sei.

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