Belarus: Danger ahead – EU response needed

Viele EU-Staaten sehen Belarus als Erwei­terung Russlands an und haben wenig Interesse an dem Land. Zudem ist der Umgang mit dem autokra­ti­schen Langzeit­herr­scher Alexander Lukaschenka für die Führungen in der EU proble­ma­tisch. Solche Einstel­lungen erschweren es jedoch der EU, die Gefahren zu erkennen, die in der aktuellen Politik Moskaus gegenüber Belarus bestehen. Der Kreml übt Druck auf seinen kleineren Nachbarn aus, um diesen stärker an sich zu binden. Dies könnte sehr schnell die Situation in Belarus desta­bi­li­sieren – mit ernst­haften Konse­quenzen für die europäische Sicherheit.

Das Policy Paper zu Belarus können Sie hier auf Englisch herunterladen.


Vorwort von Marie­luise Beck und Ralf Fücks:

Weshalb wir uns mit Belarus beschäf­tigen sollten.

Belarus ist seit der geschei­terten Demokratie-Bewegung von 2010 weitgehend aus der europäi­schen Öffent­lichkeit verschwunden. Das ist ein Fehler. Das Land ist zum neuesten Schau­platz russi­scher Großmacht­am­bi­tionen geworden. Putin verschärft den Druck, Belarus in eine staat­liche Union zu zwingen. Sie wäre das Ende der weißrus­si­schen Unabhän­gigkeit und würde die strate­gische Lage in Mittel-Osteuropa gravierend verändern. Nebenbei könnte ein Unions­staat Putin einen komfor­tablen Weg zu einer neuen Präsi­dent­schaft nach Ablauf seiner jetzigen Amtspe­riode eröffnen.

Wichtigster Hebel Moskaus ist die wirtschaft­liche Abhän­gigkeit des Regimes. Vergüns­tigte Öl- und Gaslie­fe­rungen und Kredite soll es künftig nur noch geben, wenn Belarus seine Souve­rä­nität opfert. Parallel inten­si­viert der Kreml seine politi­schen Netzwerke in Belarus.

Noch leistet Lukaschenka hinhal­tenden Wider­stand. Den Unions­vertrag stellt er nicht offen in Frage, beharrt aber auf der belarus­si­schen Souve­rä­nität. Er will nicht zum Statt­halter von Putins Gnaden werden, und er will Belarus aus Russlands Konflikt mit dem Westen heraushalten.

In der Abwehr der Umarmung des Kremls treffen sich die Inter­essen des Regimes mit den natio­nalen Inter­essen des Landes. Die große Mehrheit der Bevöl­kerung will einen unabhän­gigen weißrus­si­schen Staat mit guten Bezie­hungen sowohl zu Russland wie zur EU.

Die belarus­sische Unabhän­gigkeit liegt im strate­gi­schen Interesse der EU. Wenn es Putin gelingt, den kleinen Nachbarn zu schlucken, wäre das ein Schlag gegen alle Hoffnungen auf demokra­tische Verän­derung. Nicht zuletzt würde damit das Aufmarsch­gebiet des russi­schen Militärs – inklusive der Statio­nierung von Atomra­keten – direkt an die polnische und litauische Grenze verlagert.

Das politische, wirtschaft­liche und militä­rische Macht­ge­fälle zwischen beiden Staaten macht es für Lukaschenka fast unmöglich, auf Dauer dem Druck des Kremls zu wider­stehen, solange der Westen ihm keine alter­na­tiven Spiel­räume eröffnet. Mögliche Optionen sind ein Partner­schafts­ab­kommen, ein verbes­serter Zugang zum europäi­schen Binnen­markt, energie­wirt­schaft­liche Koope­ration und die Förderung mittel­stän­di­scher Unter­nehmen. Auch die Aufnahme in den Europarat sollte auf die Tages­ordnung, sofern Lukaschenka bereit ist, die Todes­strafe abzuschaffen und die Juris­diktion des Europäi­schen Menschen­rechts­ge­richtshofs anzuerkennen.

Die EU muss einen Weg finden, die weißrus­sische Unabhän­gigkeit zu stärken, ohne die dikta­to­rische Herrschaft Lukaschenkas zu legiti­mieren. Sie kann und darf ihm keine Herrschaft auf Lebenszeit garan­tieren. Aber sie könnte bessere Bezie­hungen mit dem Westen in Aussicht stellen, ohne sie an Bedin­gungen zu knüpfen, die schnur­stracks auf seine Abdankung hinaus­laufen. Als Minimum muss sie verlangen, dass Lukaschenka die Zivil­ge­sell­schaft atmen lässt. Demokratie wächst von unten.

Wir sollten Belarus nicht als Vorhof Moskaus behandeln. Es gibt dort viele, die sich als Europäer fühlen. Visafreiheit, Stipen­di­en­pro­gramme und kultu­reller Austausch wären Sauer­stoff für die demokra­tische Zivil­ge­sell­schaft. Die Förderung kleiner und mittlerer Unter­nehmen würde die Abhän­gigkeit von einem übermäch­tigen Staat reduzieren. Auf diese Kataly­sa­toren des Wandels sollte sich die Belarus-Politik der EU konzentrieren.

Das vorlie­gende „Policy Paper“ des briti­schen Osteuropa-Experten John Lough analy­siert das Spannungs­ver­hältnis zwischen Belarus, Russland und der EU und disku­tiert politische Handlungs­mög­lich­keiten, mit denen die Unabhän­gigkeit Weißruss­lands gestärkt werden kann. Angesichts des russi­schen Drucks ist es höchste Zeit für eine aktive europäische Belarus-Politik.

Berlin, im Oktober 2019

Marie­luise Beck, Ralf Fücks
Zentrum Liberale Moderne


Das vollständige Policy Paper zu Belarus können Sie hier auf Englisch herunterladen.

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