US-Präsi­dent­schafts­wahlen: Typologie der Konservativen

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Wirt­schaft­li­be­rale, Evan­ge­li­kale und Arbei­ter verstehen sich alle als Konser­vative – Donald Trump macht sie zu seinen Wählern. Was können die Demokraten tun, wenn sie die Wahlen im November gewinnen wollen?

Der Countdown läuft: Am 3. November 2020 wird zum 59. Mal der Präsident der Verei­nigten Staaten gewählt. Während die Demokraten noch dabei sind, ihren Kandi­daten zu bestimmen, hat US-Präsident Donald Trump schon im Juni 2019 mit der Kampagne für seine Wiederwahl begonnen. Aus „Make Amerika Great Again“ ist „Keep America Great“ geworden, hinzu kommt der Slogan „Promises Made, Promises Kept“. 

Portrait von Simon Schütz

Simon Schütz ist Redakteur bei BILD und schreibt regel­mäßig für den ameri­ka­ni­schen Hörfunk­verbund NPR 

Als Kandidat der konser­va­tiven Great Old Party hat Trump 2016 geschafft, was viele nicht für möglich hielten: Er setzte sich gegen die demokra­tische Bewer­berin und Favoritin Hillary Clinton durch. Seither wurde viel speku­liert, zuweilen analy­siert, wie Trump das schaffen konnte: welche Wähler­gruppen über seinen Erfolg entschieden haben.

„Einen arche­ty­pi­schen Trump-Wähler gibt es nicht. Seine Unter­stützer reichen von Minen­ar­beitern bis hin zu erfolg­reichen Unter­nehmern“, meint  Peter Rough, Senior Fellow am Hudson Institute in Washington, D.C. Fest steht: Bei konser­va­tiven Ameri­kanern konnte Trump besonders punkten. Doch diese Gruppe ist diverser als man meint.

Die drei konser­va­tiven Gruppen in den USA

Der Konser­va­tismus in den USA setzt sich aus drei Gruppen zusammen. Die tradi­tio­nellen Wirtschafts­kon­ser­va­tiven, die sozial-religiös Konser­va­tiven und die „Racial-Conser­va­tives“. Trump muss alle überzeugen, um wieder­ge­wählt zu werden.

Die Wirtschafts­kon­ser­va­tiven sind jene Ameri­kaner, denen niedrige Steuern und wenig Regulie­rungen und Beschrän­kungen für Unter­nehmen wichtig sind. Außerdem stehen sie Umver­tei­lungen zugunsten der ärmeren Bevöl­kerung kritisch gegenüber. „Diese Gruppe existiert noch, ist aber für die meisten Anhänger Trumps nicht der entschei­dende Faktor für die Affinität zu ihm oder der Partei. Dennoch gibt es gerade im Bereich der Wirtschaft ein Segment, für die konser­vative Wirtschafts­po­litik entscheidend ist“, erklärt Eric Schickler, Politik­wis­sen­schaftler an der Berkeley University.

Es ist wahrscheinlich, dass sie auch in diesem Jahr ihr Kreuz wieder bei Trump setzen werden. Denn: Die Wirtschafts­zahlen sind gut, die Aktien­märkte weiter im Aufwind. 57 Prozent der Ameri­kaner geben an, dass es ihnen finan­ziell besser gehe, seit Trump im Amt ist. Auch die Arbeits­lo­sigkeit ist niedriger als je zuvor und die Gehälter im Niedriglohn-Sektor steigen. Auffällig ist, dass Trump trotz der guten Zahlen die Staats­ver­schuldung in die Höhe treibt. Sicherlich ist das auch Folge seiner Steuer-Reform, die gerade bei Wohlha­benden und Unter­nehmen zu Entlastung und somit zu weniger Einnahmen auf Seiten des Staates geführt hat. In früheren Zeiten wäre das für die Republi­kaner unmöglich gewesen, sie galten fiskal­po­li­tisch als konser­vativ. In Zeiten Trumps scheint das vergessen, weshalb anzunehmen ist, dass die höhere Verschuldung wohl nicht zu einem nennens­werten Rückgang der Wähler­stimmen bei den Wirtschafts­kon­ser­va­tiven führen wird.

Evange­likale: Taktische Wahlentscheidung

Einen großen Anteil der republi­ka­ni­schen Wähler­ko­alition stellt die Gruppe der sozial-religiös Konser­va­tiven. Zunächst scheint es naheliegend zu vermuten, dass Donald Trump es bei ihnen schwer habe. Sein Lebensstil, seine Wortwahl und seine Lügen wider­spechen den gängigen Vorstel­lungen von Moral und Werten in diesem Wähler­segment. Tatsächlich hat Trump es geschafft, gerade diese Menschen hinter sich zu vereinen. Mehrere Faktoren spielen eine Rolle. Zum einen hat Trump seine Versprechen gegenüber ihnen gehalten. Nicht nur beim obersten US-Gericht (Supreme Court) hat Trump bereits zwei konser­vative Richter durch­ge­setzt. Auch auf der Ebene der Bundes­ge­richte hat Trump in drei Jahren schon fast so viele Richter einge­setzt, wie Ex-Präsident Barack Obama in acht Jahren Amtszeit. Damit hat Trump es in drei Bundes­ge­richten geschafft, liberale Mehrheiten durch konser­vative zu ersetzen.

Ein weiteres Indiz für seinen Erfolg in dieser Gruppe: Eine Sprecherin der Susan B. Anthony List, einer Organi­sation, die Abtreibung in den USA verbieten möchte, nannte Trump 2018 den „most pro-life president“ in der Geschichte der Nation. Trump hat durch ein Gesetz dafür gesorgt, dass keine Steuer­gelder mehr auf indirektem Weg in die Finan­zierung von Abtrei­bungen fließen können. Mit derar­tigen Maßnahmen sichert er sich die weitere Unter­stützung von konser­va­tiven Christen. Schickler stellt fest: „Viele sind absolut bereit dazu, einen Kandi­daten zu unter­stützen, der auf der Persön­lich­keits­ebene in Konflikt mit ihren Werte­vor­stel­lungen steht.“ Häufig ist von diesen Menschen zu hören, dass auch sie keine Fans von Trumps Sprache seien, manche empfehlen ihm gar, das twittern zu lassen – aber sie betonen immer wieder, dass sie den Präsi­denten an seinen Taten messen. Hier würde Trump liefern – und seine Versprechen einhalten.

Übrigens: Das Persön­liche vom Politi­schen zu trennen, ist in den USA nicht ganz neu. Aller­dings war dieses Phänomen zuvor eher bei den Demokraten zu beobachten, beispiels­weise in der Amtszeit von Bill Clinton. Die Affäre mit der Ex-Prakti­kantin Monica Lewinsky sowie der Prozess wegen sexueller Beläs­tigung seiner ehema­ligen Staats­an­ge­stellten in Arkansas – Paula Corbin Jones – führten sogar zu einem Impeachment Prozess. Doch Clinton galt und gilt als der geborene Rheto­riker, Held der Demokraten, an den sich die meisten mit Wohlge­fallen erinnern – trotz der sexuellen Übergriffe. Seit der Kandi­datur Trumps klammern auch Wähler der Republi­kaner private Überzeu­gungen aus, wenn sie eine Wahlent­scheidung treffen.

Die Evange­li­kalen sind als Teil der religiösen Unter­stüt­zer­gruppe jüngst wieder in den Fokus gerückt. Der jüngste Drohnen-Angriff, durch den der iranische General Qassem Soleimani getötet wurde, fand besonders bei ihnen breite Unter­stützung. Noch sind die langfris­tigen Folgen des Angriffes nicht abzusehen. Aber für den Moment scheint sicher: Insgesamt könnte das riskante Drohnen­ma­növer für Trump so lange ein Gewinn sein, wie es ameri­ka­nische Glaub­wür­digkeit auf der Weltbühne (wieder)herstellt. Sobald dies aller­dings in einen Krieg mündet, könnte sich das Blatt wenden.

Die dritte Gruppe der ‚Racial-Conser­va­tives ’ besteht aus Menschen, denen das Thema Einwan­derung besonders viel bedeutet. Schickler beschreibt sie als solche, „denen die wachsende Zahl der Latinos in den USA Sorgen macht“ und welche „Regelungen, die Schwarzen helfen sollen, kritisch gegenüber stehen“. Er kommt zu dem Schluss, dass Trump mit seiner scharfen Rhetorik sowie den bishe­rigen Anti-Einwan­de­rungs­ge­setzen besonders bei ihnen punkten konnte. Häufig handelt es sich hier um die klassi­schen „working class white voters“. Trump ist es gelungen, die zuneh­mende Polari­sierung in diesem Feld für sich zu nutzen. Mit Warnungen vor einer „Invasion“ an der südlichen Grenze, einem Tweet, in dem er vier weiblichen Kongress­ab­ge­ord­neten nahe legte, zurück in die korrupten Länder zu gehen, aus denen sie kämen und ähnlichen Äußerungen versucht Trump, die Unter­stützung bei weißen Wählern in abgeschla­genen Regionen zu maximieren. Wie es scheint, bisher relativ erfolgreich.

Trump: Gegen den Fortschritt

Die kurze Übersicht macht deutlich, dass es keinen typischen Trump-Wähler gibt. In den USA, inmitten einer Gesell­schaft, die gespal­tener ist als je zuvor, gilt Trump bei vielen Ameri­kanern als eine Antwort auf eine in ihren Augen zu ‚weitge­hende Progres­si­vität’. Was Trump bei vielen Intel­lek­tu­ellen und zahlreichen Minder­heiten zu einem der unbelieb­testen Präsi­denten macht, sichert ihm auf der anderen Seite die Unter­stützung derer, die sich selbst als vernach­lässigt betrachten und sich von der Führungs­schicht und den Eliten in ihrer Lebens­weise angegriffen fühlen. Peter Rough vom Hudson Institute ist sich sicher: „Trump ist absolut bereit dazu, mit der entspre­chenden Aggres­si­vität den Kampf mit denen aufzu­nehmen, die sich dem ameri­ka­ni­schen Tradi­tio­na­lismus entgegenstellen.“

Entschieden wird die Wahl im November wohl vor allem in den ameri­ka­ni­schen Vorstädten und Vororten. Dass die Demokraten bei den Midterms das Reprä­sen­tan­tenhaus zurück­er­obern konnten, wurde auch einer „suburban revolt“ zugeschrieben.

Besonders im Fokus sind auch gut gebildete Frauen. Sie haben 2016 häufig Trump gewählt, könnten durch seine sexis­tische Rhetorik und die harte Politik an den Grenzen nun aber abgeschreckt worden sein. Aller­dings: Sehr viel hängt davon ab, für welchen Kandi­daten die Demokraten sich entscheiden. Jemand wie Elizabeth Warren oder auch Bernie Sanders werden mit ihrem extremen Linkskurs bei dieser Gruppe ebenso­wenig punkten können. Schon jetzt hört man in den USA häufiger den Spruch: „Lieber wähle ich einen Sozio­pathen als einen Sozialisten.“

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