Zwischen Applaus und Schock – Polen, Trump und die Ukraine

Foto: Imago

Auf die Nachricht von Donald Trumps Wahlsieg reagierte Polen gelas­sener als Deutschland. Warum war das so, wie hat sich der Blick auf Trump verändert und welche Reaktionen löst seine Politik gegenüber der Ukraine in dem Land aus, das als enger Partner der USA gilt? Unser Autor, der Histo­riker Stephan Stach, hat das aktuelle Verhältnis Polen-USA für uns analysiert.

„Hat Donald Trump die Bundes­re­gierung gestürzt?“ fragten die Politik­wis­sen­schaft­lerin Anna Kwiat­kowska und der Philosoph Marek Cichocki scherzhaft in ihrem Podcast „Deutschland in Trümmern“, als die Ampel kurz nach seiner Wahl zerbrach. Das war Mitte November, als sie bei der Analyse der deutschen Reaktionen auf die US-Präsi­dent­schaftswahl viel Zukunfts­angst im Nachbarland ausmachten.

Mit Zuver­sicht und Pragma­tismus gen USA blicken

In Polen war man da tatsächlich weniger sorgenvoll. Außen­mi­nister Radosław Sikorski, nach seinen Erwar­tungen gefragt, begann mit dem gemein­samen Interesse: Eine Erhöhung der europäi­schen Vertei­di­gungs­aus­gaben. Er habe Trump mehrfach für seine entspre­chende Forde­rungen an die NATO-Partner gelobt, vor allem für die nachdrück­liche Form: „Denn in diplo­ma­ti­scher Sprache ist das bei einigen in Europa nicht angekommen.“ Damit spielte er auf seine eigenen Appelle an, mehr für die Sicherheit Europas zu tun. 2025 plant Polen 4,7 Prozent seines Brutto­in­lands­pro­duktes in diesen Bereich zu inves­tieren. Ansonsten blickte Sikorski als erklärter Trans­at­lan­tiker pragma­tisch, vielleicht sogar mit verhal­tener Zuver­sicht, auf Trumps zweite Präsi­dent­schaft. Verwundern mag dies allen­falls, weil er mit der ameri­ka­ni­schen Publi­zistin Anne Applebaum verhei­ratet ist, einer der pronon­cier­testen Kriti­ke­rinnen Trumps. Auch der polnische Premier­mi­nister Donald Tusk reagierte pragma­tisch, wenn auch zurück­hal­tender. Die Wahl werde ernste Konse­quenzen haben erklärte er. Polen und Europa sollten daher weiter an der Festigung der trans­at­lan­ti­schen Bezie­hungen arbeiten, gerade weil inter­na­tionale Turbu­lenzen zu erwarten seien. Seit Anfang des Jahres ist Tusk aufgrund der polni­schen Ratsprä­si­dent­schaft auf beiden Ebenen für diese Bezie­hungs­arbeit zuständig.

Wer kann besser mit Trump?

Die Abgeord­neten der größten Opposi­ti­ons­partei Recht und Gerech­tigkeit (PiS) und der kleineren, der rechts­li­ber­tären Konfe­deracja, hatten das Wahler­gebnis am 6. November mit stehenden Ovationen und „Donald Trump“-Rufen begrüßt. Tatsächlich sind neben den inhalt­lichen auch die persön­lichen Verbin­dungen zwischen der PiS und Trumps Umfeld eng. Der frühere Minis­ter­prä­sident Mateusz Morawiecki war zu Trumps Amtsein­führung geladen und vom polni­schen Präsi­denten Andrzej Duda sprach Trump als „großar­tigem Freund.“ Keine Wunder, dass die PiS politisch zu profi­tieren hofft. Sie griff die Regierung unmit­telbar an und sprach ihr die Eignung ab, mit dem 47. Präsi­denten der USA zusam­men­zu­ar­beiten. Dabei spielte nicht Sikorskis, sondern Tusks Nähe zu Anne Applebaum eine wichtige Rolle. Im polni­schen Wahlkampf 2023 hatten er in einem gemein­samen Gesprächsband erklärt, Trump habe sich mehr noch als die damalige polnische Regie­rungs­partei PiS am republi­ka­ni­schen Werte­kanon versündigt, sein Amt für private Zwecke missbraucht und verfüge über dubiose „Russland­ver­bin­dungen.“ Diese „Belei­di­gungen“ des gewählten US-Präsi­denten, so die PiS, disqua­li­fi­ziere Tusk und seine Regierung, die darum zurück­treten solle. Tusk konterte, die PiS möge doch an einer realis­ti­schen, den polni­schen Inter­essen verpflich­teten Politik gegenüber den Verei­nigten Staaten mitwirken.

Souve­rä­nität: Kanada, Grönland, Ukraine

Anfang 2025 sorgte Trump dann für erste Sorgen­falten bei der polni­schen Regierung. Sein Interesse an Grönland und Kanada nutzte Außen­mi­nister Sikorski zunächst nur innen­po­li­tisch, indem er auf X spitz fragte, ob „unsere Souve­rä­nisten“ – also die EU-Skeptiker aus der PiS und der Konfe­deracja – „die Souve­rä­nität Dänemarks und Kanadas vertei­digen werden oder ob sie Souve­rä­nität nur dazu gebrauchen, um die EU zu zerschlagen.“ Als Trump nach der Amtsein­führung weiter an seinen Grönland­plänen festhielt, sah sich schließlich Donald Tusk genötigt, am Rande eines Treffens der EU-Regie­rungs­chefs Anfang Februar klarzu­stellen: „Die staat­liche Souve­rä­nität eines Staates, insbe­sondere eines EU-Mitglieds steht nicht zur Dispo­sition.“ Bei dieser Aussage schwang wohl auch die Befürchtung mit, die Trump-Adminis­tration könne auch die Souve­rä­nität jenes Staates für verhan­delbar erklären, der seit Februar 2022 im Zentrum polni­scher Außen­po­litik steht.

Die Vertei­digung der Ukraine gegen Russlands Krieg und ein Friedens­schluss, der Putins Aggression nicht belohnt, ist eines der wichtigsten sicher­heits­po­li­ti­schen Ziele Polens – direkt nach der Erhaltung der Abschre­ckungs­fä­higkeit der NATO. Trumps Friedensplan, der Ende Januar an die Verbün­deten geschickt wurde, ist aus polni­scher Perspektive mehr als beunruhigend.

„Konzert der Großmächte“ statt regel­ba­sierter Weltordnung

Wie der Politik­be­rater Olaf Osica Anfang Februar in einem langen Artikel im liberal-katho­li­schen Tygodnik Powszechny darlegte, sieht dieser terri­to­riale Konzes­sionen und den Verzicht der Ukraine auf die NATO-Mitglied­schaft als Preis für einen Frieden vor, den Trump mit Putin aushandelt. Die Kosten für den Wieder­aufbau solle hingegen Europa tragen. Trumps mit quasi-religiösem Sendungs­be­wusstsein vollführte Revolution, die die globale Sicher­heits­ar­chi­tektur zertrümmere, warnt Osica, könne Europa zermahlen. Darin sieht der frühere Washington-Korre­spondent der konser­vativ-liberalen Rzecz­pos­polita, Jędrzej Bielecki, die größte Gefahr für Polen. Wenn die regel­ba­sierte Weltordnung Trump favori­siertem „Konzert der Großmächte“ weiche, würden die westeu­ro­päi­schen Staaten das überstehen. Im Podcast der Zeitung zweifelte er aber, ob das auch für Polen gelte, das schon einmal 123 Jahre von der Landkarte verschwunden war.

Da Trumps avisierter „Friedens-Deal“ mit Putin sowohl ukrai­ni­schen als auch polni­schen und europäi­schen Sicher­heits­in­ter­essen zuwider­läuft, haben Präsident Duda und Außen­mi­nister Sikorski trotz aller politi­schen Diffe­renzen versucht, ihren Einfluss in Washington geltend zu machen. Sikorski etwa schob nach einem Treffen mit seinem Amtskol­legen Rubio der Bekräf­tigung der polnisch-ameri­ka­ni­schen Zusam­men­arbeit eine vorsichtige Warnung an Trump nach. Er möge bei direkten Verhand­lungen bedenken, dass er es mit einem anderen Putin zu tun habe als in seiner ersten Amtszeit – nämlich mit einem Mörder und Kriegs­ver­brecher. Duda wiederum hatte sich kurz vor Trumps Telefonat mit Putin und der Absage seines Vertei­di­gungs­mi­nisters Pete Hegseth an eine ukrai­nische NATO-Mitglied­schaft noch hoffnungsvoll geäußert. Dem CNN sagte Duda, Russland dürfe den Krieg nicht gewinnen. Er rechne damit, dass der US-Präsident Putin an den Verhand­lungs­tisch zwinge. Trumps Forderung, die Ukraine solle die US-Hilfe in Form mit Rohstoff­lie­fe­rungen kompen­sieren, tat Duda ab: „Präsident Donald Trump ist in erster Linie ein Geschäftsmann“ und gehe entspre­chend an Politik heran. Dann erinnerte er daran das Trump am Ende seiner ersten Amtszeit lange, vor allen anderen militä­rische Unter­stützung an die Ukraine bewilligt habe. Geholfen hat seine Charme­of­fensive nicht.

Verhand­lungen über Europas Zukunft ohne die Europäer

Der Schock über Trumps Treffen mit Putin in Saudi-Arabien, auf dem ohne Betei­ligung der Ukraine, auch ohne Europa ein „Frieden“ ausge­handelt wird, ist groß. Trump gebe Putin die Ukraine für umsonst, schrieb schon bevor klar war, dass dieses Treffen tatsächlich in dieser Form statt­finden würde, die Gazeta Wyborcza – sie verglich die Situation mit dem Münchner Abkommen von 1938. Der Chefre­dakteur der Rzecz­pos­polita gruselte sich davor, wie Putin als krönenden Abschluss ein Foto vom Handschlag mit Trump bekommt und das den Erfolg seines Krieges besiegelt.

Innen­po­li­tisch bringt es die PiS in die Bredouille. Dem von ihr hofierten Trump sind die polni­schen Inter­essen gleich­gültig. Entspre­chend fragte die Rzecz­pos­polita, ob diese ihm noch immer Beifall klatschen würde. Der damalige Applaus erinnere seit dem 12. Februar eher an die Vorfreude der Karpfen auf das Weihnachtsfest. Momentan sieht es aus, als halte die PiS Trump die Treue. Der Sejm-Abgeordnete Przemysław Czarnek freute sich, dass Trump „sein Versprechen realis­tisch einhält“ und Frieden­ver­hand­lungen aufnehme. Was am Ende dabei heraus­komme, könne man jetzt noch nicht sagen. Sein Kollege Szymon Szynkowski vel Sęk meinte: „Jetzt kriti­sieren all jene Trump aus der bequemen Zuschau­erloge heraus, die selbst nichts für die Verbes­serung der Lage in der Ukraine getan haben.“ Allerding ist die Zuschau­erloge nun genau der Ort, wo Trump die Europäer haben will.

Schwierige Allianzen

Präsident Duda dürfte enttäuscht sein, auch wenn er sich bisher nicht äußerte. Schließlich zählt er nicht nur Donald Trump zu seinen Freunden, sondern auch Wolodymyr Selenskij. Kein europäi­sches Staats­ober­haupt stellte sich so schnell an die Seite der Ukraine wie er. Die Regierung wiederum bemüht sich, um europäische Geschlos­senheit. Tusk betrieb seine eigene Telefon­di­plo­matie und stimmte sich mit Präsident Selenskij, dem Präsi­denten des Europäi­schen Rates António Costa, dem schwe­di­schen Minis­ter­prä­si­denten Ulf Krist­ersson, Kanzler Olaf Scholz und Friedrich Merz ab. Die Ukraine, Europa und die USA müssten gemeinsam mit Putin verhandeln und sich zuvor auf eine gemeinsame Strategie verstän­digen. Sikorski wiederum veröf­fent­lichte mit den Kolle­ginnen und Kollegen des Weimarer Dreiecks, Großbri­tannien, Italien und Spanien und der EU-Außen­be­auf­tragen Kallas ein gemein­sames Statement. Die Unter­stützung der Ukraine müsse erhöht und die Ukraine in eine starke Position gebracht werden. Dann könne gemeinsam mit den USA ein gerechter Frieden erreicht werden.

Zentrale Rolle Warschaus

Warschau sucht nach einem strate­gi­schen Konsens mit den wichtigsten europäi­schen Partnern, damit Europa überhaupt eine Rolle in den Verhand­lungen spielen kann. Das ist kein leichtes Unter­fangen, nicht nur angesichts eines von Zukunfts­angst geplagtem Deutschland, das wohl noch einige Zeit keine handlungs­fähige Regierung haben wird. Vielleicht bietet die Bundes­tagswahl eine Chance, die Scholzsche „Beson­nenheit“ durch eine neue Entschlos­senheit in Ukraine-Politik zu ersetzen. Dann hätte Trumps Sturz der Ampel-Regierung doch noch sein Gutes. Die polnische Regierung würde das freuen.

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