Abkopplung von Amerika?
Zerstört Donald Trump die Idee Amerika? Wer die USA abschreibt, begeht einen strategischen Fehler. Warum der Westen trotz allem Zukunft hat.
Zerstört Donald Trump die Idee Amerika? Was wie eine theoretische Frage klingt, die ins Feuilleton gehört, ist für Europa in der Ära Trump zu einer politischen Ordnungsfrage erster Kategorie geworden.
Donald Trump ist ein Präsident, der instinktiv verstanden hat, welche Sorgen und welche Wut jene umtreiben, die sich als Opfer der Globalisierung, der wirtschaftlichen Umbrüche, der kulturellen Diversifizierung und der digitalen Revolution betrachten. Was Trump nicht verstanden hat, ist, dass dies uramerikanische Entwicklungen sind, die größtenteils von Amerika selbst erfunden und vorangetrieben werden — weswegen er dann auch die unamerikanischste aller Antworten auf die Verwerfungen gibt: nicht Pioniergeist, self-improvement, Zukunftskult, und Unternehmertum, sondern Grenzschließung, Protektionismus, Verunglimpfung des Rechtsstaates, Appell an die niederen Instinkte und die Glorifizierung einer Vergangenheit, die es nie gab.
Die Europäer, die genau wissen, dass ihr Kontinent immer dann geostrategische Grippe bekommt, wenn Amerika sich einen politischen Schnupfen leistet, fragen sich nun, ob Trump nicht nur eine temporäre Verwerfung darstellt, sondern Amerika von Grund auf verändern wird, ob er die amerikanische Demokratie dauerhaft beschädigt und Amerikas Rolle in der Welt dramatisch zurückfährt.
Nicht Befreiung vom Atlantizismus ist angesagt, sondern Befreiung vom selbstgewählten strategischen Pygmäentum.
Bisher waren die Europäer von Amerika nicht nur für ihre eigene strategische Sicherheit und ihre globale Interessenvertretung abhängig, sie konnten mit dieser Abhängigkeit auch einigermaßen leben. Vielen missfiel zwar die Dominanz der USA, und nicht jeder Präsident und beileibe nicht jede Politik fand Zustimmung in den Hauptstädten Europas. Auch hat es zu jedem Zeitpunkt ausreichend Antiamerikanismus gegeben, der sich seine periodischen Hochphasen genehmigte. Aber unterm Strich haben alle europäischen Regierungen, gleich welcher ideologischen Herkunft, jahrzehntelang und bis heute eine Politik betrieben, die – häufig trotz gegenteiliger Rhetorik – die Abhängigkeit von den USA weiter zementierte. Europa hat sich selbst den Weg zur außenpolitischen Macht verweigert, es hat seine militärischen Fähigkeiten klein gehalten, und es hat sich selbst in seiner unmittelbaren Nachbarschaft viel Trägheit und Wunschträumerei geleistet. Am Ende fand man diese verfehlte Politik und die daraus resultierende Abhängigkeit von den USA aber nie schlimm genug, um ernsthaft etwas gegen sie tun. Grund dafür war nicht nur die eigene Bequemlichkeit sondern auch, dass man Amerika immer verlässlich genug fand, selbst wenn einem mal ein Präsident nicht recht geschmeckt hat.
Trump weckt alte antiamerikanische Ressentiments
Nun werden die Stimmen laut, die nicht mehr nur Donald Trump unappetitlich finden, sondern für die gleich ganz Amerika miterledigt ist. Für sie ist Trump nicht nur ein Schnupfen, sondern Zeichen dafür, dass Amerika selbst zur Krankheit geworden ist – oder eigentlich immer schon war. In dieser Haltung vermischen sich Unkenntnis über die amerikanische Demokratie, antiamerikanisches Ressentiment, verbrämter Nationalismus, Unkenntnis über die strategische Bedeutung der deutschen Westbindung, deutsche Äquidistanz-Träume und gut gemeinte, aber wirklichkeitsfremde Europaeuphorie zu einer gefährlichen Mischung.
Diese Denkschule hat Konjunktur, weil das Bild, das Amerika unter Donald Trump abgibt, wahrlich irritierend ist. Sie hat Konjunktur, weil die übergroße Abhängigkeit von Amerika tatsächlich ein Problem ist. Und sie hat Konjunktur, weil Deutschland gerade stark und mächtig ist und glaubt, sich ein Abschütteln der alten Schutzmacht leisten zu können.
Europas Abhängigkeit ist selbstgemacht
Doch der Ruf nach Befreiung der Europäer vom Atlantizismus, der mit Blick auf Trump soviel Sinn zu ergeben scheint, ist ein Schnellschuss, keine strategisch überlegte Antwort auf eine politische Krise.
Er setzt auf frivole, manchmal sogar böswillige Art Trump mit Amerika gleich und unterschätzt die selbstregulierende Kraft der amerikanischen Demokratie, die in der vielfältigen Opposition gegen den Präsidenten auf allen Ebenen sichtbar ist. Sie übersieht, dass die Abhängigkeit von Amerika nicht Resultat einer imperialen Verschwörung Washingtons ist sondern zum allergrößten Teil selbstgemacht. Nicht Befreiung vom Atlantizismus ist angesagt, sondern Befreiung vom selbstgewählten strategischen Pygmäentum. Und sie übersieht, dass gerade Deutschland sehr vorsichtig sein muss, wenn es meint, sich gegen Washington aufzulehnen. In Europa gibt es, außer vielleicht in der französischen Politik, wenig Sympathie für einen solchen Kurs, was einem schnell klar wird, wenn man mal nach Den Haag, Tallinn, Prag oder auch nach Rom fährt. Dort ist man sich der Bedeutung Amerikas für die eigene Sicherheit durchaus bewusst. Und alle dort fühlen sich als Nachbarn eines dominanten Deutschlands und eines ehrgeizigen Frankreichs bedeutend wohler in ihrer Haut, wenn auch Washington eine Rolle im europäischen Konzert spielt. Amerika als europäische Macht bleibt unentbehrlich auch für die innere Balance des Kontinents.
Eine Loslösung von Amerika würde Europa spalten und Deutschland isolieren
Wer unter diesen Vorzeichen die Loslösung von Amerika fordert, der spaltet nicht nur den Westen, er spaltet auch die Europäer untereinander. Wer Deutschland als Vorreiter der Emanzipation vom atlantischen Joch sieht, der isoliert das Land und löst Unruhe aus. Ein nicht-atlantisches Deutschland hätte in Europa nur wenige Gefolgsleute, und es besteht großer Zweifel daran, dass es die richtigen wären.
Es bleibt einem also nichts anderes übrig, als sich am Trump mit viel Engagement abzuarbeiten. Für die Tagespolitik heißt das, genau zu schauen, wo mit seiner Regierung noch was geht. Für die strategische Ebene bedeutet es, endlich mehr auf nationaler und europäischer Ebene zu tun, um selbst international und strategisch handlungsfähig zu werden. Innenpolitisch heißt es, statt dem anti-amerikanischen Sentiment Zucker zu geben, die strategischen Realitäten Deutschlands und Europas, und damit die Rolle Amerikas für unsere Sicherheit und Freiheit, nüchtern zu erklären, wieder und immer wieder.
Wir müssen in all diesen Dingen selber besser werden, aber wir müssen es mit Amerika, nicht dagegen. Und dafür heißt es, auf die Macht der „Idee Amerika“ mehr zu vertrauen als auf die Macht eines Amerikaners ohne Ideen.
Jan Techau gehört zu den Autoren des „Transatlantischen Manifests“, das dieser Tage in Berlin veröffentlicht wurde und eine lebhafte Debatte ausgelöst hat.
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