Fachgespräch: Nachhaltige Wirtschaftspolitik und CO2-Entnahme
Wie kann die Nachfrage von CO2-Entnahme angeregt werden? Unser Stakeholder-Dialog am 28. November 2024 im SAP Data Space hat gezeigt, dass es nicht eine Lösung für diese Frage gibt. Die Antwort besteht, das haben die Beiträge von Cara Bien (BDI), Marian Krüger (remove) und Pascal Hader-Weinmann (dena) sowie die Diskussion bestätigt, aus vielen unterschiedlichen Maßnahmen.
CO2-Entnahme hat ein Problem: niemand braucht sie. Das stimmt nicht in einem klimapolitischen Sinne – hier ist eindeutig, dass das Abscheiden und Speichern von CO2 bis zur Mitte des Jahrhunderts und darüber hinaus eine tragende Säule im Klimaschutz spielen wird. Aber: Aktuell gibt es für Unternehmen oder staatliche Akteure kaum Gründe, Entnahmezertifikate zu kaufen.
Sie sind teuer, der Markt ist noch jung und die Skandale im Kompensationsmarkt haben viel Vertrauen zerstört. Zudem sind die Preissignale im Europäischen Emissionshandel (EU-ETS) noch nicht so deutlich, dass sie bei den meisten Unternehmen ausreichend Aufmerksamkeit für CO2-Entnahme erzeugen.
Der Gordische Knoten des Angebot-/Nachfrageproblems
Eine vermeintlich einfache Lösung für das Angebots-/Nachfrageproblem besteht darin, Angebot und Nachfrage staatlich zu subventionieren. Allerdings stand unsere Diskussion unter dem Vorzeichen eines Reality Checks: Es sollte nicht im Mittelpunkt stehen was wünschenswert ist, sondern, was angesichts geopolitischer Konflikte und ökonomischer Krisen realistisch ist. Im Hinblick auf die angespannte Haushaltslage erscheint eine staatliche Dauersubventionierung nicht als erstes Mittel der Wahl. Auch, weil andere für den Klimaschutz relevante Bereiche Priorität haben – etwa die CO2-Vermeidung.
Welche Folge hätte dabei eine – von vielen favorisierte – Trennung von CO2-Vermeidungs- und Entnahmezielen? Die Ausweisung eines Entnahmeziels würde eine eindeutige Nachfrage definieren. Allerdings besteht dann ein politisches Ziel, aber immer noch kein ökonomischer Anreiz. Besteht keine Trennung der Ziele, werden Entnahmezertifikate für Unternehmen interessant, da sie ihnen Flexibilität im enger werdenden EU-ETS verschaffen können. In diesem Fall kann sich zwar ein nachfragegetriebener Markt entwickeln. Allerdings wäre der Klimanutzen begrenzt, weil Emissionen lediglich kompensiert, und nicht auf ein Netto-Negativ-Klimaziel eingezahlt werden. Wie ein langfristiger, ökologisch sinnvoller CO2-Entnahmemarkt aussehen kann, der für Unternehmen wirtschaftlich ist, wird auch in Zukunft weiter diskutiert werden müssen. Ein Grundproblem ist, dass weder der EU-ETS noch der freiwillige Markt netto negative Emissionen anreizen.
Noch unklarer wird die Perspektive, wenn man auf die Zeit nach dem EU-ETS „Endgame“ schaut. Also nachdem keine Zertifikate mehr im europäischen Emissionshandel gehandelt werden können, etwa im Jahr 2040. Dann wird es voraussichtlich keinen Bedarf für privat-wirtschaftliche Nachfrage nach Entnahmezertifikaten geben. Dies würde bedeuten, dass der Staat die CO2-Entnahme, die für das Netto-Negativ-Ziel notwendig ist, etwa durch eine Steuer finanzieren muss. Eine andere Möglichkeit der Finanzierung ist, bereits heute einen Entnahme-Fund aufzulegen, der dann in Zukunft die CO2-Entnahme (mit)finanziert.
Grundkonsens ist, dass in den kommenden Jahren in jedem Fall eine Lücke zwischen dem CO2-Preis und den Kosten für eine Tonne entnommenes CO2 bestehen wird. Diese nicht rentablen Mehrkosten werden für einen begrenzten Zeitraum – der in der Diskussion nicht konkretisiert werden konnte – staatlich bezuschusst werden müssen.
Eine Vielzahl an Lösungen muss verfolgt werden
Dabei ist staatliches Geld aber nicht alles. Ein Strauß an größeren und kleineren Maßnahmen ist denkbar, um sich einer Lösung für das komplexe CO2-Entnahmeproblem anzunähern.
In einem übergeordneten Sinne hilfreich sind eine politische Einigung auf einen Grundkonsens bezüglich der klima- und industriepolitischen Ausrichtung. Darüber hinaus müssen allgemeine Probleme wie die Mängel an der Infrastruktur, die verschleppte Digitalisierung oder Überbürokratisierung behoben werden.
Den widrigen Umständen zum Trotz kaufen einige Unternehmen bereits heute Entnahmezertifikate. Dabei lernen sie den Markt sowie Anbieter kennen und, welche Zertifikate zu ihren Geschäftsmodellen passen. Dies könnten auch Argumente sein, um andere Firmen dazu zu motivieren, sich zumindest in geringem Maße zu engagieren. Insgesamt könnte so eine signifikante Nachfrageschwelle überschritten werden.
Akteure wie die Science-Based Target Initiative nehmen hier eine wichtige Vermittler- und Aufklärerrolle ein. Der Staat könnte mit seiner Marktmacht ebenfalls wichtige Signale senden. Er könnte zum einen selbst Entnahmezertifikate einkaufen, oder Produkte, bzw. Materialien beim Einkauf berücksichtigen, in denen CO2 langfristig gespeichert wird.
Eine wichtige Voraussetzung dafür, dass der freiwillige Zertifikatemarkt funktioniert, ist, dass er seine Integrität wahrt. Erhebliche Skandale im CO2-Kompensationssektor haben große Zweifel und Unsicherheit hinterlassen, ob solche freiwilligen Arrangements in ausreichendem Maße gegen Betrug abgesichert sind.
Eine Risikoabsicherung könnten staatliche Investitionsbanken leisten, in dem sie Garantien aussprechen, was es Marktteilnehmern erleichtern würde, risikobehaftete Entscheidungen zu treffen.
Neben Anreizen für eine Entnahme-Nachfrage sind Unterstützungen für die Anbieter nötig. Insbesondere für Start-ups, die an neuen Verfahren feilen. Darüber hinaus bestehen Chancen für etablierte Anlagenbauer. Die brauchen aber Informationen über den Entnahmemarkt und darüber, welche Rolle ihre Produkte darin spielen können.
Welche Industriepolitik entfacht also CO2-Entnahme? Eine, die die privates und staatliches Kapital bewegt, die einen klugen Instrumentenmix realisiert, die langfristig und konsistent entworfen wird, die vielfältigen Lösungen (auch zweitbeste Lösungen) zulässt, und die die Aufgabe des Staates beim Aufbau von Märkten genau definiert.
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