System­kon­kurrenz: Angriff auf die Meinungs­freiheit in Schweden

Der Journalist Kurdo Baksi schreibt über die Aktivitäten der chinesischen Botschaft in Schweden.
Chris McKenna /​ CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)

China trägt den System­wett­bewerb mit liberalen Demokratien mit ungewöhn­lichen Methoden voran. In Schweden schüchtert der chine­sische Botschafter Journa­listen ein, die sich für die Freilassung des in China inhaf­tierten Schweden Gui Minhai einsetzen. Einer von ihnen ist der Schrift­steller und Aktivist Kurdo Baksi. Für LibMod berichtet er über den Fall und warnt: was die KPCh in Schweden auspro­biere, könne sie bald auch in Deutschland wagen.

Gui Minhai ist 55 Jahre alt und schwe­di­scher Staats­bürger (er hat einen schwe­di­schen Pass, keinen chine­si­schen). Der in China geborene schwe­dische Wissen­schaftler und Schrift­steller ist Eigen­tümer eines profi­tablen und renom­mierten Verlages in Hongkong, der Hunderte von Büchern über chine­sische Politik und politische Figuren veröf­fent­licht hat, darunter mehrere von ihm selbst verfasste. Ihm gehört auch das Buchge­schäft Causeway Bay Books.

Portrait von Kurdo Baksi

Kurdo Baksi ist Schrift­steller und Journalist. Er lebt in Stockholm

Am 17. Oktober 2015 geschah mit Gui Minhai etwas schreck­liches, als dieser sich außerhalb seiner Sommer­wohnung im thailän­di­schen Pattaya aufhielt. Gui wurde von chine­si­schen Agenten entführt. China ließ ihn nicht in Hongkong entführen, weil die Gesetze dort eine Auslie­ferung in die Volks­re­publik unter­sagen. Wie in vielen anderen Fällen auch, ging die chine­sische Regierung im Geheimen vor und gab drei Monate nicht bekannt, dass Gui sich in ihrem Gewahrsam befindet. Schließlich behaup­teten die chine­si­schen staat­lichen Medien Ende Februar 2016, dass Gui wegen „illegaler Geschäfte“ festge­halten werde. Peking machte Gui die Auflage, im Fernsehen ein Geständnis abzulegen.

Gui Minhai: Kampagne in Schweden

Im Oktober 2017 wurde Gui aus der Haft entlassen, eine Ausreise aus China wurde ihm aber nicht gestattet. Nach 92 Tagen in Freiheit wurde er erneut von Agenten des chine­si­schen Staats­si­cher­heits­dienstes entführt. Das geschah auf dem Bahnhof von Jinan, der Haupt­stadt der Provinz Shandong, als er sich auf dem Weg zu einer medizi­ni­schen Behandlung in der schwe­di­schen Botschaft in Peking befand. Diese Entführung erfolgte vor den Augen zweier schwe­di­scher Diplo­maten, die Gui Minhai auf seiner Reise beglei­teten. Schweden akzep­tierte jedoch die Entführung von Gui Minhai durch die chine­sische Regierung.

Kurze Zeit später gestand Gui erneut im chine­si­schen Fernsehen, wobei er den Vorwurf erhob, „schwe­dische Politiker“ hätten ihn „angesta­chelt, das Land zu verlassen“, und er sei „als eine Schach­figur benutzt“ worden. Die Washington Post beschrieb seine Erzählung als „wirr und unstimmig, weil mögliche Fakten mit Dingen vermischt wurden, die wie eindeutige Fiktion erschienen.“

Die Entführung des schwe­di­schen Bürgers Gui Minhai führte in Schweden zunächst zu keinen starken Reaktionen. Doch dank seiner Tochter Angela Gui gibt es jetzt eine Kampagne für Gui Minhais Freilassung, und zwar in Schweden wie auch im Ausland. Ich bin einer dieser Schweden, die sich seit langem für die Freilassung von Gui Minhai einsetzen.

Einschüch­te­rungen durch chine­sische Botschaft in Stockholm

Als die Kampagne in Schweden stärker wurde, schaltete die Botschaft Chinas im Sommer 2018 auf ihrer Website eine große Anzahl von Seiten unter dem Titel „Bemer­kungen des Sprechers der Chine­si­schen Botschaft“. Nach Angaben des schwe­di­schen Rundfunks gab es über 70 solcher Anmer­kungen. Diese Bemer­kungen stellen oft Drohungen gegen schwe­dische Journa­listen, Medien, Organi­sa­tionen dar, die sich für Meinungs­freiheit einsetzen, etwa den schwe­di­schen PEN-Club, schwe­dische Verlags­or­ga­ni­sa­tionen oder den Schwe­di­schen Journa­lis­ten­verband. Nahezu jedes Mal behauptete die chine­sische Botschaft in Schweden, dass GUI Minhai Lügen über China verbreite und die chine­sische Regierung attackiere.

Ich bin derjenige, der in diesen Bemer­kungen am meisten angegriffen wurde, genau vier Mal.

Ein Beispiel: „Wir haben den jüngsten Artikel von Kurdo Baksi im Expressen und im Svenska Dagbladet zur Kenntnis genommen, der China fälsch­li­cher­weise beschuldigt, ‚Medien zu benutzen, um erzwungene Fernseh­ge­ständ­nisse zu übertragen‘ und über eine ‚Sperrung entspre­chender chine­si­scher Medien‘ schwa­dro­niert. Kurdo Baksi, der sich als ‚morali­scher Richter‘ und als ‚Retter‘ geriert, hat China bösartig verleumdet und mehrfach Hass gegen China geschürt. Wir stellen uns einem solchen Vorgehen entschlossen entgegen. Seine Versuche werden niemals Erfolg haben. Wir rufen die betref­fenden Zeitungen auf, das journa­lis­tische Berufs­ethos zu wahren und über China objektiv, unvor­ein­ge­nommen und nicht selektiv zu berichten, statt sich von Lügen wie denen von Baksi überzeugen zu lassen oder China durch gefärbte Brillen zu betrachten. (2018/​12/​17)“

Und im vergan­genen September dann forderte China schwe­dische Medien auf, meine Artikel nicht mehr zu veröf­fent­lichen, weil ihnen meine Artikel nicht gefallen.

„Wir verlangen von Baksi, unver­züglich aufzu­hören. Wir fordern ihn auf, nicht in einer Welt der Fantasien und Selbst­täu­schung zu leben und niemals die Fähig­keiten der Menschen in Schweden zu unter­schätzen, zwischen richtig und falsch unter­scheiden zu können. Es ist zu hoffen, dass die betref­fenden schwe­di­schen Medien [ihm] keine Platt­formen für sein niederes Handeln bieten werden, und dass die schwe­dische Öffent­lichkeit seine unerhörten Behaup­tungen zurück­weisen und den chine­sisch-schwe­di­schen Bezie­hungen mehr positive Energie verleihen wird. (2019/​09/​09)“

Ich habe 34 Jahre als Journalist gearbeitet und viele despo­tische Staaten beobachtet, etwa den Iran oder den Irak unter Saddam Hussein. Noch nie aber habe ich Angriffe wie diesen erlebt. Ich bin verwirrt und geschockt. Jede neue Bemerkung ist schlimmer als die vorherige und mehr oder weniger eine Drohung.

Als Gui Minhai am 15. November 2019 den Tucholsky-Preis des schwe­di­schen PEN-Clubs erhielt, drohte Gui Congyou, der chine­sische Botschafter in Schweden, dem Land mit Konse­quenzen, falls die Regierung bei der Preis­ver­leihung vertreten sein würde. Lobens­wer­ter­weise ignorierte Amanda Lind, die Kultur- und Demokra­tie­mi­nis­terin Schwedens, die Drohungen von Gui Congyou und Chinas und verlieh Gui Minhai den Preis persönlich. Bis heute ist Minhai in Haft. Im Februar 2020 ist er zu einer Freheits­strafe von zehn Jahren verur­teilt worden.

Welche Ziel verfolgt die KPCh?

Diese letzte Stellung­nahme des chine­si­schen Botschafters ist deshalb ernst zu nehmen, weil es das erste Mal war, dass China der schwe­di­schen Regierung direkt gedroht hat. Das war ein Schock für mich.

Ich habe noch nie einen Botschafter auf diese Art auf eine Preis­ver­leihung Druck ausüben sehen. Der Botschafter warnte darüber hinaus, dass „einige Leute nicht erwarten sollten, dass alles so weiter­gehen werde wie gewohnt, nachdem die Gefühle des chine­si­schen Volkes und Chinas Inter­essen verletzt wurden.“

Warum hat sich China entschlossen, die schwe­dische Regierung, die Medien und Organi­sa­tionen für Meinungs­freiheit zu attackieren?

Ich vermute drei Gründe:

Vor allem besteht China darauf, Menschen­rechte nach eigenen Standards zu definieren. Die chine­sische Regierung erkennt die univer­selle Definition von Menschen­rechten nicht an.

Zweitens möchte China die Kultur der fehlenden freien Meinungs­äu­ßerung, die die Kommu­nis­tische Partei entwi­ckelt hat, über die Grenzen Chinas hinaus exportieren.

Und zuletzt benutzt China Schweden, um die Gewässer auszu­loten. Es will feststellen, wie weit ein kleines europäi­sches Land bereit ist, dem Druck Chinas nachzu­geben, damit freie Medien, freie Meinungs­äu­ßerung einge­schränkt und globale Menschen­rechte aufge­geben werden.

Die Frage ist nun, ob Schweden diesem Druck gegenüber stark bleiben oder aus wirtschaft­lichen Überle­gungen heraus nachgeben wird.

Schweden muss tapfer sein! Wenn Schweden nicht grund­le­gende Menschen­rechte verteidigt, wie soll es da eigenen Bürgern wie Gui Minhai im Ausland helfen, der nicht in der Lage ist, sich zu vertei­digen, obwohl er nie ein Verbrechen begangen hat.

Textende

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