Systemkonkurrenz: Angriff auf die Meinungsfreiheit in Schweden
China trägt den Systemwettbewerb mit liberalen Demokratien mit ungewöhnlichen Methoden voran. In Schweden schüchtert der chinesische Botschafter Journalisten ein, die sich für die Freilassung des in China inhaftierten Schweden Gui Minhai einsetzen. Einer von ihnen ist der Schriftsteller und Aktivist Kurdo Baksi. Für LibMod berichtet er über den Fall und warnt: was die KPCh in Schweden ausprobiere, könne sie bald auch in Deutschland wagen.
Gui Minhai ist 55 Jahre alt und schwedischer Staatsbürger (er hat einen schwedischen Pass, keinen chinesischen). Der in China geborene schwedische Wissenschaftler und Schriftsteller ist Eigentümer eines profitablen und renommierten Verlages in Hongkong, der Hunderte von Büchern über chinesische Politik und politische Figuren veröffentlicht hat, darunter mehrere von ihm selbst verfasste. Ihm gehört auch das Buchgeschäft Causeway Bay Books.
Am 17. Oktober 2015 geschah mit Gui Minhai etwas schreckliches, als dieser sich außerhalb seiner Sommerwohnung im thailändischen Pattaya aufhielt. Gui wurde von chinesischen Agenten entführt. China ließ ihn nicht in Hongkong entführen, weil die Gesetze dort eine Auslieferung in die Volksrepublik untersagen. Wie in vielen anderen Fällen auch, ging die chinesische Regierung im Geheimen vor und gab drei Monate nicht bekannt, dass Gui sich in ihrem Gewahrsam befindet. Schließlich behaupteten die chinesischen staatlichen Medien Ende Februar 2016, dass Gui wegen „illegaler Geschäfte“ festgehalten werde. Peking machte Gui die Auflage, im Fernsehen ein Geständnis abzulegen.
Gui Minhai: Kampagne in Schweden
Im Oktober 2017 wurde Gui aus der Haft entlassen, eine Ausreise aus China wurde ihm aber nicht gestattet. Nach 92 Tagen in Freiheit wurde er erneut von Agenten des chinesischen Staatssicherheitsdienstes entführt. Das geschah auf dem Bahnhof von Jinan, der Hauptstadt der Provinz Shandong, als er sich auf dem Weg zu einer medizinischen Behandlung in der schwedischen Botschaft in Peking befand. Diese Entführung erfolgte vor den Augen zweier schwedischer Diplomaten, die Gui Minhai auf seiner Reise begleiteten. Schweden akzeptierte jedoch die Entführung von Gui Minhai durch die chinesische Regierung.
Kurze Zeit später gestand Gui erneut im chinesischen Fernsehen, wobei er den Vorwurf erhob, „schwedische Politiker“ hätten ihn „angestachelt, das Land zu verlassen“, und er sei „als eine Schachfigur benutzt“ worden. Die Washington Post beschrieb seine Erzählung als „wirr und unstimmig, weil mögliche Fakten mit Dingen vermischt wurden, die wie eindeutige Fiktion erschienen.“
Die Entführung des schwedischen Bürgers Gui Minhai führte in Schweden zunächst zu keinen starken Reaktionen. Doch dank seiner Tochter Angela Gui gibt es jetzt eine Kampagne für Gui Minhais Freilassung, und zwar in Schweden wie auch im Ausland. Ich bin einer dieser Schweden, die sich seit langem für die Freilassung von Gui Minhai einsetzen.
Einschüchterungen durch chinesische Botschaft in Stockholm
Als die Kampagne in Schweden stärker wurde, schaltete die Botschaft Chinas im Sommer 2018 auf ihrer Website eine große Anzahl von Seiten unter dem Titel „Bemerkungen des Sprechers der Chinesischen Botschaft“. Nach Angaben des schwedischen Rundfunks gab es über 70 solcher Anmerkungen. Diese Bemerkungen stellen oft Drohungen gegen schwedische Journalisten, Medien, Organisationen dar, die sich für Meinungsfreiheit einsetzen, etwa den schwedischen PEN-Club, schwedische Verlagsorganisationen oder den Schwedischen Journalistenverband. Nahezu jedes Mal behauptete die chinesische Botschaft in Schweden, dass GUI Minhai Lügen über China verbreite und die chinesische Regierung attackiere.
Ich bin derjenige, der in diesen Bemerkungen am meisten angegriffen wurde, genau vier Mal.
Ein Beispiel: „Wir haben den jüngsten Artikel von Kurdo Baksi im Expressen und im Svenska Dagbladet zur Kenntnis genommen, der China fälschlicherweise beschuldigt, ‚Medien zu benutzen, um erzwungene Fernsehgeständnisse zu übertragen‘ und über eine ‚Sperrung entsprechender chinesischer Medien‘ schwadroniert. Kurdo Baksi, der sich als ‚moralischer Richter‘ und als ‚Retter‘ geriert, hat China bösartig verleumdet und mehrfach Hass gegen China geschürt. Wir stellen uns einem solchen Vorgehen entschlossen entgegen. Seine Versuche werden niemals Erfolg haben. Wir rufen die betreffenden Zeitungen auf, das journalistische Berufsethos zu wahren und über China objektiv, unvoreingenommen und nicht selektiv zu berichten, statt sich von Lügen wie denen von Baksi überzeugen zu lassen oder China durch gefärbte Brillen zu betrachten. (2018/12/17)“
Und im vergangenen September dann forderte China schwedische Medien auf, meine Artikel nicht mehr zu veröffentlichen, weil ihnen meine Artikel nicht gefallen.
„Wir verlangen von Baksi, unverzüglich aufzuhören. Wir fordern ihn auf, nicht in einer Welt der Fantasien und Selbsttäuschung zu leben und niemals die Fähigkeiten der Menschen in Schweden zu unterschätzen, zwischen richtig und falsch unterscheiden zu können. Es ist zu hoffen, dass die betreffenden schwedischen Medien [ihm] keine Plattformen für sein niederes Handeln bieten werden, und dass die schwedische Öffentlichkeit seine unerhörten Behauptungen zurückweisen und den chinesisch-schwedischen Beziehungen mehr positive Energie verleihen wird. (2019/09/09)“
Ich habe 34 Jahre als Journalist gearbeitet und viele despotische Staaten beobachtet, etwa den Iran oder den Irak unter Saddam Hussein. Noch nie aber habe ich Angriffe wie diesen erlebt. Ich bin verwirrt und geschockt. Jede neue Bemerkung ist schlimmer als die vorherige und mehr oder weniger eine Drohung.
Als Gui Minhai am 15. November 2019 den Tucholsky-Preis des schwedischen PEN-Clubs erhielt, drohte Gui Congyou, der chinesische Botschafter in Schweden, dem Land mit Konsequenzen, falls die Regierung bei der Preisverleihung vertreten sein würde. Lobenswerterweise ignorierte Amanda Lind, die Kultur- und Demokratieministerin Schwedens, die Drohungen von Gui Congyou und Chinas und verlieh Gui Minhai den Preis persönlich. Bis heute ist Minhai in Haft. Im Februar 2020 ist er zu einer Freheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt worden.
Welche Ziel verfolgt die KPCh?
Diese letzte Stellungnahme des chinesischen Botschafters ist deshalb ernst zu nehmen, weil es das erste Mal war, dass China der schwedischen Regierung direkt gedroht hat. Das war ein Schock für mich.
Ich habe noch nie einen Botschafter auf diese Art auf eine Preisverleihung Druck ausüben sehen. Der Botschafter warnte darüber hinaus, dass „einige Leute nicht erwarten sollten, dass alles so weitergehen werde wie gewohnt, nachdem die Gefühle des chinesischen Volkes und Chinas Interessen verletzt wurden.“
Warum hat sich China entschlossen, die schwedische Regierung, die Medien und Organisationen für Meinungsfreiheit zu attackieren?
Ich vermute drei Gründe:
Vor allem besteht China darauf, Menschenrechte nach eigenen Standards zu definieren. Die chinesische Regierung erkennt die universelle Definition von Menschenrechten nicht an.
Zweitens möchte China die Kultur der fehlenden freien Meinungsäußerung, die die Kommunistische Partei entwickelt hat, über die Grenzen Chinas hinaus exportieren.
Und zuletzt benutzt China Schweden, um die Gewässer auszuloten. Es will feststellen, wie weit ein kleines europäisches Land bereit ist, dem Druck Chinas nachzugeben, damit freie Medien, freie Meinungsäußerung eingeschränkt und globale Menschenrechte aufgegeben werden.
Die Frage ist nun, ob Schweden diesem Druck gegenüber stark bleiben oder aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus nachgeben wird.
Schweden muss tapfer sein! Wenn Schweden nicht grundlegende Menschenrechte verteidigt, wie soll es da eigenen Bürgern wie Gui Minhai im Ausland helfen, der nicht in der Lage ist, sich zu verteidigen, obwohl er nie ein Verbrechen begangen hat.
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