Konservatismus: Was es morgen zu bewahren gilt
Die US-Republikaner haben spätestens mit Trump entschieden, eine rechtspopulistische Partei zu sein. Ehemalige Mitglieder, die ihre wertkonservativen Ideale (Im US-Kontext: Zuwanderung, Freihandel, Bündnistreue, Ausgaben- und Fiskaldisziplin, Föderalismus) nicht verraten wollen, sind die schärfsten Kämpfer gegen den neuen Autoritarismus. Nicht nur in den USA muss geklärt werden: Was bedeutet es zukünftig, konservativ zu sein?
Konservative Parteien stecken schon lange in der Krise, ähnlich wie die Sozialdemokraten und liberale Parteien. Die Gründe dafür liegen nicht nur in den tiefgreifenden globalen ökonomischen, technologischen, sozialen, politischen und kulturellen Umwälzungen, die ihre traditionellen Vorstellungen infrage stellen. Sondern auch im Populismus national-völkischer Prägung, der sich als deren Folge in allen westlichen Ländern breit gemacht hat. In Frankreich führen die Republikaner nur noch ein Schattendasein. In Spanien hat die lange Zeit regierende Volkspartei bei der Wahl 2019 fast die Hälfte ihrer Stimmen verloren, vor allem an die Rechte.
In den USA begann der Niedergang der Republikaner lange vor Donald Trump mit dem Aufstieg der Tea-Party-Bewegung, die sich nach und nach der Partei bemächtigte, unterstützt von ultrakonservativen und evangelikalen Strömungen und gleichgesinnten Fernseh‑, Radio- und Web-Propagandisten. Trump, mehr politischer Hasardeur als Überzeugungstäter, brauchte die Ernte nur einzufahren, was ihm nicht nur 2016, sondern auch bei der Wahl am 4. November eindrucksvoll gelang. Am Ende seiner Präsidentschaft steht seine Partei nun nach der Erstürmung des Kongresses durch fanatisierte Anhänger des abgewählten Commander in Chief vor einem Trümmerhaufen.
CDU, CSU: Rechte Flanke offen
Im Vergleich stehen CDU und CSU noch gut da, während Christdemokraten in anderen europäischen Ländern das Schicksal der Konservativen in Frankreich und Spanien teilen. In Italien sind sie in einem Korruptionssumpf abgestorben; nur Reste ihres linken Flügels haben in der Demokratischen Partei überlebt. Die CDU ist dagegen am Ende der langen Kanzlerschaft und Führung von Angela Merkel weiterhin mit Abstand die stärkste politische Kraft und wird aller Voraussicht nach auch nach der Bundestagswahl im September die Regierung anführen. Doch von einstigen Wahlergebnissen ist auch sie weit entfernt. Und die konservative Strömung in ihr, neben der sozialen und liberalen, führt ebenfalls nur noch ein Kümmerdasein – die Kehrseite davon, dass Merkel die Partei in die linke Mitte geöffnet hat, woraufhin Nationalkonservative wie Alexander Gauland zur sich rechtsextrem radikalisierenden AfD abgewandert sind.
Die Krise des Konservatismus, Anfang des 19. Jahrhundert als Gegenbewegung gegen die französische Revolution zur Verteidigung monarchistischer Machtverhältnisse und traditioneller Werte entstanden, geht aber viel tiefer. Schon immer war er mehr eine Haltung als klares politisches Programm – im Kern antimodern und auch antiliberal. Familie, Recht und Ordnung, Leistung und Fleiß, klassische Bildung und Erziehung: Das waren und sind zum Teil bis heute seine Leitbilder. Doch auf die Herausforderungen der heutigen Moderne – Globalisierung, Digitalisierung, Individualisierung und Multikulturalismus in Einwanderungsgesellschaften – hat er keine Antworten. Es sei denn die Anverwandlung an rechte, populistische Bewegungen.
Das zeigt auch die „Werteunion“, die zwar den Anspruch erhebt, das konservative Erbe der Union zu vertreten, aber inhaltlich nichts aufzuweisen hat außer einem AfD-Abklatsch, wie ähnliche Parteizirkel zuvor. Lange vorbei die Zeiten, wo Figuren wie Franz Josef Strauß und Alfred Dregger mächtige konservative Bataillone anführten und ein Roland Koch in ihren Fußstapfen gegen die doppelte Staatsbürgerschaft von Rot-Grün mobil machte. Volker Kauder, einer der konservativen Gegner Merkels, wurde von ihr als Fraktionschef geschickt eingebunden. Von den Konservativen ist in der CDU seitdem nichts mehr zu hören. Selbst Markus Söder, mit Horst Seehofer 2018 noch einer ihrer Kontrahenten in der Flüchtlingsdebatte, ist längst in ihr Lager eingeschwenkt und gibt den Merkel-Bewunderer.
Gesucht: Konservative Angebote für die bürgerliche Mitte
Dabei wäre angesichts der tiefen Verunsicherung gerade der bürgerlichen Mitte ein zeitgemäßer Konservatismus dringend vonnöten, der sich dem Fortschritt und der Modernisierung der Gesellschaft nicht verschließt, aber Antworten gibt auf Fragen, die viele bewegen: Wie kann in einer Zeit der Polarisierung, sozialen Spaltung, Hyper-Invidualisierung und starker Migration gesellschaftlicher und kultureller Zusammenhalt gesichert werden? Was bedeuten Heimat und Familie unter den Bedingungen einer fragmentierten, tendenziell entgrenzten Welt? Wie kann die soziale Marktwirtschaft – Markenzeichen und Erfolgsmodell der CDU – zu einer auch ökologischen, nachhaltigen werden? Und wie die innere und äußere Sicherheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit schützen gegen ihre Feinde?
Die US-Republikaner, von Trump und dem Trumpismus entkernt, haben darauf keine Antworten mehr außer rechtsnationalistischen, antiliberalen und antidemokratischen wie die PiS in Polen und Viktor Orbàn in Ungarn. Die CDU und die mir ihr verbundenen Konservativen hingegen stehen vor der Aufgabe, das erfolgreiche Erbe von Merkel zu bewahren und ihre Programmatik gleichzeitig weiterzuentwickeln. Mit der Zustimmung zur Ehe für Alle hat die Partei 2017 einen wichtigen Schritt dahin getan: Familie kann heute auch eine gleichgeschlechtliche Gemeinschaft sein, die durchaus traditionelle Werte lebt und bewahrt wie Verantwortung, Treue und Sorge für Kinder. Dass der bekennende Schwule Jens Spahn inzwischen einer der beliebtesten Politiker in Deutschland ist und niemand sich in der Union gegen die Vorstellung sträubt, dass er CDU-Vorsitzender und vielleicht sogar Kanzler werden könnte, zeigt, dass konservativ und der Moderne aufgeschlossen zu sein, kein Gegensatz mehr sein müssen.
Progressive aller Länder, rettet den Konservatismus!
Das Bewährte zu bewahren, aber zugleich die Zukunft zu gestalten und für Neues offen zu sein; auf das Ganze zu schauen und nicht nur auf Teile der Gesellschaft; ideologischen Verheißungen von links wie rechts abhold zu sein: das Alles war immer das Erfolgsgeheimnis eines wohlverstandenen Wertkonservatismus. Stukturkonservative wie Friedrich Merz hingegen wollen allein bestehende Machtverhältnisse sichern.
Dass der Konservatismus nicht stirbt, daran müsste auch Nicht-Konservative gelegen sein. Denn was passiert, wenn er sich in puren Rechtspopulismus und ‑nationalismus verwandelt, zeigen die USA, Polen und Ungarn. Gerade den Grünen dürfte es nicht egal sein. Nicht nur, weil sie nach der Bundestagswahl mit der Union regieren wollen, sondern auch weil ihr ökologisches Kernanliegen zutiefst konservativ ist, im guten wie manchmal auch schlechten Sinne, wenn sich Klimaschützer als Volkserzieher und Möchtegern-Ökodiktatoren aufspielen. Schwarz-Grün könnte daher eine Chance sein, gemeinsame Antworten zur Bewahrung der Umwelt, der Schöpfung wie des sozialen Zusammenhangs in einer sich ständig wandelnden Welt zu entwickeln.
Hat Ihnen unser Beitrag gefallen? Dann spenden Sie doch einfach und bequem über unser Spendentool. Sie unterstützen damit die publizistische Arbeit von LibMod.
Spenden mit Bankeinzug
Spenden mit PayPal
Wir sind als gemeinnützig anerkannt, entsprechend sind Spenden steuerlich absetzbar. Für eine Spendenbescheinigung (nötig bei einem Betrag über 200 EUR), senden Sie Ihre Adressdaten bitte an finanzen@libmod.de
Verwandte Themen
Newsletter bestellen
Mit dem LibMod-Newsletter erhalten Sie regelmäßig Neuigkeiten zu unseren Themen in Ihr Postfach.