Macron und von der Leyen in China:
Kann Europa Xi auf seine Seite ziehen?

Macron und von der Leyen wollen Xi Jinping bei ihrem Besuch in Peking davon überzeugen, keine Waffen an Russland zu liefern. China positio­niert sich bisher zuver­lässig an der Seite Putins. Doch ganz ignorieren kann Xi Europa nicht.

Es scheint so, als wolle Emmanuel Macron es Olaf Scholz gleichtun. Der franzö­sische Präsident reist, wie bereits der Bundes­kanzler im November, mit einer Wirtschafts­de­le­gation nach Peking. Begleitet wird er von EU-Kommis­si­ons­prä­si­dentin Ursula von der Leyen. Neben der Kontakt­pflege für Wirtschafts­ver­treter haben sich Macron und von der Leyen ein großes Ziel gesetzt.

Macron hat angekündigt, China „auf seine Seite ziehen zu wollen“ um Waffen­lie­fe­rungen an Moskau zu verhindern. Macron und von der Leyen wollen zudem mit geeinter „europäi­scher Stimme“ sprechen, um Chinas wachsendem Einfluss zu begegnen.

Was kann Europa anbieten, um China umzustimmen?

Was kann Europa anbieten, um China umzustimmen?

China soll also zugleich Wirtschafts­partner und „System-Rivale“ sein. Kann das zusam­men­passen, nachdem Staats­ober­haupt Xi Jinping gerade erst in Moskau gemeinsam mit Putin eine neue Weltordnung nach „chine­si­schem Vorbild“ ausge­rufen hat? Und: Was kann Europa anbieten, um China umzustimmen?

Der chine­sische Präsident empfängt derzeit laufend hochran­gigen Besuch. Erst am Freitag reiste Spaniens Premier­mi­nister Pedro Sánchez nach Peking. Bereits im November reiste Bundes­kanzler Scholz in die Volks­re­publik. Macron wäre gern dabei gewesen, doch Berlin lehnte ab, mit der Begründung, es handele sich um seinen „Antritts­besuch“. Das erweckt den Eindruck, als würden Europas Politiker lieber einzeln um Chinas Gunst buhlen, anstatt geschlossen aufzutreten.

Xi verweigert bislang Treffen mit Selenskyj

Xi verweigert bislang Treffen mit Selenskyj

Das soll sich nun ändern. Auch, um China bezüglich des Krieges gegen die Ukraine von der Position des Westens zu überzeugen. Denn Peking hat den russi­schen Angriffs­krieg bisher nicht verur­teilt. Xi reiste Mitte März nach Moskau, weigert sich jedoch im Anschluss trotz Einladung und Drängen europäi­scher Staats­chefs, auch mit dem ukrai­ni­schen Präsi­denten Selenskyj zu sprechen. Macron und von der Leyen möchten ihn jetzt umstimmen.

„Chine­sische Waffen­lie­fe­rungen an Russland können nur im engen Schul­ter­schluss zwischen allen Unter­stützern der Ukraine verhindert werden“

„Chine­sische Waffen­lie­fe­rungen an Russland können nur im engen Schul­ter­schluss zwischen allen Unter­stützern der Ukraine verhindert werden“

Der Vorsit­zende der China-Delegation des EU-Parla­ments, Reinhard Bütikofer, ist skeptisch. „Macron überschätzt sich und unter­schätzt Xi Jinping“, sagte Bütikofer zu WELT. Macron habe bereits in der Vergan­genheit geglaubt, er könne mit seinem Charme Wladimir Putin, aber auch den damaligen US-Präsi­denten Donald Trump „um den Finger wickeln“. Das sei jeweils gescheitert. „Chine­sische Waffen­lie­fe­rungen an Russland können nur im engen Schul­ter­schluss zwischen allen Unter­stützern der Ukraine verhindert werden“, so Bütikofer. Dabei spielten vor allem die USA eine Rolle. „Es wird nicht gelingen Xi auf Frank­reichs oder Europas Seite zu ziehen“.

Ein Grund für diese scheinbare Aussichts­lo­sigkeit ist, dass Europa weiter nicht anders kann, als Geschäfte mit China zu machen. Es ist hochgradig abhängig von der Volks­re­publik. Macron reist unter anderem mit Vertretern des Flugzeug­bauers Airbus und dem Trans­port­technik-Konzern Alstom nach Peking. Auch Sánchez sprach mit Xi vor allem über Wirtschafts­fragen.  Spanien ist abhän­giger von China denn je. Im vergan­genen Jahr löste China Deutschland als Spaniens wichtigsten Liefe­ranten ab.

Deutsche Inves­ti­tionen in China so hoch wie noch nie

Deutsche Inves­ti­tionen in China so hoch wie noch nie

Auch die deutsche Wirtschaft kann nicht ohne China. Konzerne wie Volks­wagen oder BASF wären ohne den chine­si­schen Markt in ihrer Existenz bedroht. Obwohl bereits im vergan­genen Jahr die Rufe in der Bundes­re­gierung nach mehr Unabhän­gigkeit vom Standort China lauter wurden, sieht die Realität anders aus. Im Jahr 2022 inves­tierten deutsche Firmen nach einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) so viel wie noch nie in China. 11,5 Milli­arden Euro flossen in die Volksrepublik.

Chinas Öffnung bewahrt Europa vor Rezession

Chinas Öffnung bewahrt Europa vor Rezession

Auch im Bereich Rohstoffe gilt China als wichtigster Partner für die EU. Seltene Erden werden zu 98 Prozent aus China geliefert. Diese sind zum Beispiel in Windtur­binen und Elektro­mo­toren eingebaut – und somit essen­ziell für die Energie­wende. Tatsächlich ist Chinas Öffnung nach der Pandemie und der damit erstar­kende Handel einer der Haupt­gründe dafür, dass Europa bisher einer allgemein erwar­teten Rezession ausge­wichen ist. Bis ausrei­chend Alter­na­tiven zu China gefunden sind, wird Europa sich weiter gut mit Peking stellen müssen.

Europäische Inves­ti­tionen in China: Chinas Reaktion auf Putins Krieg wird entscheidend sein

Europäische Inves­ti­tionen in China: Chinas Reaktion auf Putins Krieg wird entscheidend sein

In Sachen Ukraine-Krieg schlagen die Europäer aller­dings scharfe Töne an. Sánchez rief bei seinem Treffen mit Xi auch zu „Dialog“ auf, um die „Schrecken des ungerechten und illegalen Krieges“ in der Ukraine zu beenden. Er drängte Xi zu einem Treffen mit Selenskyj. Auch Macron und von der Leyen wollen versuchen China in seiner poten­zi­ellen Vermittler-Rolle im Krieg zu bestärken. EU-Kommis­si­ons­prä­si­dentin von der Leyen sprach am Donnerstag in Brüssel bei einer Grund­satzrede zu den Bezie­hungen zum Reich der Mitte darüber, wie sich Europa von China distan­zieren wolle. Die europäisch-chine­si­schen Bezie­hungen werden demnach künftig von Chinas Haltung zum Ukraine-Krieg bestimmt.

„Die Art und Weise, wie China auf Putins Krieg reagiert, wird ein entschei­dender Faktor sein“, so von der Leyen. Am Ende sagte sie, man wolle bestimmte Inves­ti­tionen europäi­scher Unter­nehmen stoppen können – eine der ersten konkreten Maßnahmen, um Chinas Macht­ausbau einzu­dämmen. Ansonsten blieb von der Leyen zu einer politi­schen China-Strategie recht vage. Es sei „weder machbar noch im Interesse Europas“, sich von Peking zu distan­zieren. In ihrer Rede sprach sie denn auch nicht von „Decou­pling“, sondern von einem „De-risking“.

China braucht Europa als Alter­native zu den USA

China braucht Europa als Alter­native zu den USA

Ignorieren kann Xi Europa aber nicht. Denn das Ungleich­ge­wicht zwischen dem Kontintent und China ist nicht so extrem, wie es scheint. Auch Pekings Führung weiß, dass ihr Land nicht im luftleeren Raum existiert. Chinas Wirtschaft und Märkte haben enorm unter den Folgen der Pandemie und der strikten Lockdown-Politik gelitten. China braucht zudem Europa als Alter­native zum US-Markt, den Washington zunehmend abschirmt und wünscht sich, Europa als verläss­lichen Partner zu gewinnen. „Die Bezie­hungen zwischen China und der EU erfordern, dass die EU ihre strate­gische Autonomie wahrt“, sagte Xi zu Sánchez. Damit meinte er die Abkehr von den USA.

Die EU muss gut abgestimmte Botschaften senden

Die EU muss gut abgestimmte Botschaften senden

Im Februar tourte Chinas oberster Außen­po­li­tiker Wang Yi durch Europa. Und die einzelnen Einla­dungen an europäische Staats­chefs nach Peking reißen nicht ab. Für Mitte April etwa ist die deutsche Außen­mi­nis­terin Annalena Baerbock angekündigt. „Wenn die sehr lange Liste von europäi­schen China-Besuchern und ‑Besuche­rinnen aus lauter Einzel­spielern besteht, dann sitzt Xi am längeren Hebel“, warnt China-Experte Bütikofer. Die Besuche könnten jedoch auch genutzt werden, um gut abgestimmte EU-Positionen zu trans­por­tieren. Bütikofer: „Das wäre gute Diplomatie“.

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